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Meta muss 300 € DSGVO-Schadensersatz zahlen - Meta Business-Tools

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Stellen Sie sich vor, Sie besuchen eine ganz gewöhnliche Website – doch im Hintergrund fließen Ihre personenbezogenen Daten ungefragt an Meta (vormals Facebook) ab. Was technisch unsichtbar und für viele selbstverständlich erscheint, ist in datenschutzrechtlicher Hinsicht alles andere als harmlos. Das Landgericht Stuttgart hat im Februar 2025 eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen und einem Nutzer 300,- EUR Schadensersatz wegen einer Datenschutzverletzung zugesprochen – wegen des unzulässigen Einsatzes der sogenannten „Meta Business-Tools“.

In diesem Beitrag erfahren Sie, wie es zu der Entscheidung kam, welche juristischen Fragen im Raum standen und warum dieses Urteil für Webseitenbetreiber und Verbraucher gleichermaßen hohe Relevanz hat.

 

Was sind Meta Business-Tools?

Die sogenannten „Meta Business-Tools“ umfassen eine Vielzahl von Funktionen, die Website-Betreibern zur Verfügung gestellt werden, um Nutzerdaten zu erheben, auszuwerten und mit Meta zu teilen. Dazu gehören insbesondere:

  • Facebook Pixel: Ein unsichtbarer Tracking-Code, der auf Websites eingebettet wird und Meta darüber informiert, welche Seiten ein Nutzer besucht und wie er sich dort verhält.
  • Conversions API: Ein serverseitiges Tracking-Instrument, das Nutzerdaten direkt an Meta übermittelt, unabhängig davon, ob ein Browserblocker aktiv ist.
  • Social Plugins (z. B. Like-Button): Elemente, mit denen Nutzer Inhalte direkt auf Facebook teilen oder liken können – verbunden mit umfangreichen Datenerhebungen.

Diese Tools ermöglichen es Meta, Nutzer auch außerhalb seiner Plattformen zu verfolgen und deren Verhalten für Werbezwecke zu analysieren. Genau dieses Verhalten steht im Zentrum der rechtlichen Auseinandersetzung.

Der konkrete Sachverhalt

Der Kläger war aktiver Facebook-Nutzer. Er stellte im Laufe der Nutzung fest, dass Facebook (Meta) personenbezogene Daten über ihn sammelte, die beim Besuch anderer Webseiten und Apps anfielen – sog. Off-Site-Daten. Diese Daten wurden durch die Integration der Meta Business-Tools – insbesondere das Facebook Pixel – auf Drittseiten wie bild.de, Zalando oder PayPal erhoben und automatisiert an Meta übermittelt.

Diese Off-Site-Daten umfassten insbesondere:

  • IP-Adresse
  • Zeitpunkt und Dauer des Websitebesuchs
  • Browser- und Geräteinformationen
  • Referrer-URLs
  • und Nutzerverhalten (z. B. Klicks, Scrollverhalten).

Die Daten wurden anschließend Facebook zugeordnet, mit anderen Daten zusammengeführt und zur Profilbildung genutzt. Der Kläger hatte dieser Verarbeitung ausdrücklich nicht zugestimmt und sah darin einen massiven Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Er monierte, dass:

  • keine wirksame Einwilligung vorlag,
  • die Datenverarbeitung auch nicht durch berechtigte Interessen oder vertragliche Erforderlichkeit gerechtfertigt sei,
  • und die Kontrolle über die Daten völlig intransparent und für ihn als Betroffenen nicht nachvollziehbar sei.

Er klagte daher vor dem LG Stuttgart auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Höhe von mindestens 300,- EUR.

Die Entscheidung des LG Stuttgart

1. Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung – keine tragfähige Rechtsgrundlage

Das Gericht bejahte einen Verstoß gegen die DSGVO. Entscheidend sei, dass die Verarbeitung der Off-Site-Daten durch Meta keinen der in Art. 6 Abs. 1 DSGVO genannten Erlaubnistatbestände erfülle:

  • Eine Einwilligung des Klägers lag unstreitig nicht vor.
  • Eine Verarbeitung zur Vertragserfüllung sei nicht erforderlich, da der Besuch fremder Webseiten außerhalb der eigentlichen Plattform Facebook erfolge.
  • Auch eine Berufung auf berechtigte Interessen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO sei unzulässig, weil die Interessen des Klägers als betroffene Person eindeutig überwiegen.

Die Speicherung der Off-Site-Daten stelle einen eigenständigen Verarbeitungsvorgang dar, der einer gesonderten Einwilligung bedürfe. Dass die Drittseiten die Datenweitergabe an Facebook zuließen, entlaste Facebook/Meta nicht – denn für die eigene Verarbeitung bedürfe es einer eigenen Rechtsgrundlage.

2. Kontrollverlust als immaterieller Schaden

Besonders hervorgehoben wurde durch das LG Stuttgart, dass die vom Kläger angeführten Off-Site-Daten nicht eigenständig gelöscht werden konnten. Zwar bestehe technisch die Möglichkeit, diese vom Facebook-Konto zu „entkoppeln“, eine tatsächliche Löschung sei jedoch nicht vorgesehen – auch nicht über die Kontoeinstellungen.

Meta habe nicht transparent gemacht, welchen Zweck es mit der Speicherung verfolge. Das Gericht betonte:

„Welchen Zweck die Beklagte mit diesen angesammelten Daten verfolgt, bleibt im Dunkeln.“

Darin sah das Gericht einen klassischen Fall des Kontrollverlusts über personenbezogene Daten. Für den Kläger bedeute dies, dass er nicht mehr wisse, wie seine Daten gespeichert, verwendet oder kombiniert werden – was einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstelle.

3. Höhe des Schadensersatzes: 300,- EUR angemessen, aber nicht überschießend

Das LG Stuttgart sprach dem Kläger 300,- EUR Schadensersatz zu. Bei der Bemessung berücksichtigte das Gericht mehrere Aspekte:

  • Der Kläger habe regelmäßig Webseiten wie bild.de besucht, bei denen Meta Business-Tools eingebunden waren – es sei also eine Vielzahl von Datenübertragungen betroffen gewesen.
  • Andererseits habe der Kläger im Rahmen der Anhörung nicht geltend gemacht, dass er unter seelischen Belastungen leide. Er habe lediglich geäußert, es wäre ihm lieber gewesen, die Daten würden gelöscht.

Das Gericht sah daher in der Höhe von 300,- EUR eine angemessene Ausgleichszahlung. Eine Erhöhung des Betrags zur Abschreckung oder als Strafe sei hingegen nicht zulässig:

„Soweit der Kläger vorgebracht hat, es müsse auch der Gesichtspunkt der Prävention gegen künftige Verstöße sowie der Vergeltung zu berücksichtigen sein, handelt es sich hierbei um Umstände, welche im Rahmen von Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht von Bedeutung sind.“

Zudem lehnte das Gericht eine erweiterte Entschädigung auf Grundlage des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1, 2 GG) ab. Es sei nicht erkennbar, dass Würde oder Ehre des Klägers in einem Maße verletzt worden seien, das eine über Art. 82 hinausgehende Geldentschädigung rechtfertige.

Fazit

Das Urteil des LG Stuttgart ist ein Meilenstein für den praktischen Datenschutz. Es zeigt, dass die unzureichend legitimierte Speicherung und Auswertung von Off-Site-Daten durch große Tech-Konzerne konkrete rechtliche Folgen haben kann. Die Entscheidung ist nicht nur ein Signal an Meta, sondern an alle datenverarbeitenden Stellen, dass Nutzerdaten nur auf rechtskonformer Grundlage erhoben und verarbeitet werden dürfen.

Für Nutzer bedeutet dies: Sie müssen eine Verarbeitung nicht einfach hinnehmen – auch der scheinbar harmlose Besuch von Websites kann zu Entschädigungsansprüchen führen, wenn ihre Daten ungefragt an Dritte fließen. Und für Webseitenbetreiber heißt das: Wer Meta Business-Tools nutzt, muss sich doppelt absichern – sowohl technisch als auch rechtlich.

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