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Materialangaben bei Textilien rechtssicher umsetzen

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Ein Käufer möchten wissen, woraus ein Produkt besteht. Gerade bei Textilien betrifft das Tragekomfort, Pflege, Allergien, Nachhaltigkeit und Preiswürdigkeit. Rechtlich zählt die Textilfaserzusammensetzung zu den wesentlichen Produkteigenschaften, die im Online-Shop klar, verständlich und gut sichtbar mitgeteilt werden sollen – unmittelbar vor Abgabe der Bestellung. Wer hier nachlässig ist, riskiert spürbare wettbewerbsrechtliche Konsequenzen.

Der rechtliche Rahmen in Kürze

Im Kern greifen drei Ebenen zusammen: die EU-Textilkennzeichnungsverordnung mit ihren zulässigen Faserbezeichnungen, das deutsche Textilkennzeichnungsgesetz als Flankierung sowie die verbraucherschützenden Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr (Art. 246a § 1 EGBGB in Verbindung mit § 312j Abs. 2 BGB). Danach sollen Händler die wesentlichen Eigenschaften des Artikels in einem für Produkt und Kommunikationsmittel angemessenen Umfang bereitstellen. Die Materialangabe gehört dazu.

LG Rostock (Urt. v. 22.04.2025 – Az.: 6 HKO 85/24): Signalwirkung für den Online-Handel

Der zugrunde liegende Sachverhalt

Ein Händler bot in seinem Online-Shop eine Basecap mit Aufdruck an. Eine konkrete Materialangabe fehlte.

Die Verteidigung des Händlers

Der Shop argumentierte, bei der Cap handle es sich nicht um eine „echte Textilie“, sondern um ein reines Werbeprodukt, bei dem das Material für Verbraucher angeblich keine Rolle spiele.

Die Kernaussagen des Gerichts

Das LG Rostock stellte klar: Auch im Internetverkauf von Textilprodukten ist der Händler gehalten, über die Zusammensetzung der verwendeten Fasern zu informieren. Diese Information zählt zu den wesentlichen Eigenschaften des Artikels und soll vor der Bestellung in hervorgehobener Weise verfügbar sein. Die Pflicht zur Textilkennzeichnung folgt aus dem europäischen und nationalen Recht; Ausnahmen für vermeintliche Werbeartikel lassen sich daraus nicht ableiten. Das Unterlassen der Angabe kann wettbewerbswidrig sein und Abmahnungen nach sich ziehen.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung unterstreicht, dass Caps, Taschen, Schals, Shirts, Hoodies und ähnliche Artikel im Online-Shop regelmäßig mit korrekter Faserzusammensetzung zu versehen sind. Ein bloßer Hinweis im Pflegeetikett reicht im E-Commerce typischerweise nicht aus; die Information soll online, am Produktangebot erscheinen.

Was gilt als „Textilprodukt“?

Textilprodukte sind Waren, die ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil aus Textilfasern bestehen. Dazu zählen neben klassischer Bekleidung oft auch Accessoires (z. B. Caps, Mützen, Schals), Textil-Merch (z. B. Beutel, Lanyards mit Textilanteil), Heimtextilien (z. B. Kissenhüllen) sowie Workwear. Entscheidend ist weniger der Zweck (Werbeartikel vs. „echte“ Mode), sondern ob Textilfasern prägend sind.

Welche Angaben sind erforderlich?

Textilfaserzusammensetzung

  • Die Fasern sollen mit den zulässigen Bezeichnungen wiedergegeben werden (z. B. Baumwolle, Polyester, Elasthan).
  • Mischungen werden in absteigender Reihenfolge angegeben (z. B. 80 % Baumwolle, 20 % Polyester). In bestimmten Konstellationen sind Toleranzen möglich; pauschale Sammelbezeichnungen sollten nur im zulässigen Rahmen verwendet werden.
  • Für Zubehör oder nicht-textile Bestandteile gelten gesonderte Regeln; die Kennzeichnung soll erkennen lassen, welcher Teil textil ist.

Platzierung und Zeitpunkt

  • Die Angabe sollte auf der Produktdetailseite gut sichtbar platziert werden. Zudem verlangt die aktuelle Rechtsprechung, dass wesentliche Eigenschaften – dazu zählt die Textilfaserzusammensetzungin der finalen Bestellübersicht unmittelbar vor Abgabe der Bestellung klar und verständlich wiedergegeben werden; eine bloße Verlinkung genügt hierfür regelmäßig nicht.
  • Die Information soll unmittelbar vor dem „Kaufen“ zur Verfügung stehen. Ein Verweis nur in AGB, FAQ oder Pflegeetikett überzeugt im Online-Kontext selten.

Varianten, Sets und Mischmaterialien

  • Weichen Varianten (z. B. Farbe/Modell) in der Faserzusammensetzung ab, sollte die Anzeige dynamisch mitwechseln.
  • Bei Sets (z. B. Mütze + Schal) sollte erkennbar sein, welches Teil woraus besteht.
  • Bei Mischmaterialien (Textil + Kunststoffteile) sollte der Textilanteil korrekt beschrieben sein; reine Deko-Elemente brauchen keine Textilbezeichnung, soweit sie nicht relevant sind.

Häufige Fehler im Shop

Nur Etikett statt Online-Angabe

Die gesetzlich geforderte Online-Information wird durch ein physisches Etikett in der gelieferten Ware nicht ersetzt.

Versteckte Informationen

Materialangaben, die erst nach Scrollen, in aufklappbaren Akkordeons oder hinter Icons erscheinen, werden schnell als nicht hinreichend deutlich angesehen.

Copy-Paste aus Lieferantendaten

Falsche, unvollständige oder uneinheitliche Bezeichnungen führen zu Widersprüchen. Ein einheitliches Vokabular vermeidet Missverständnisse.

Unsaubere Prozentangaben

Gerundete oder summenfehlerhafte Prozentwerte wirken unprofessionell und können rechtlich angreifbar sein.

Compliance-Check für Ihren Online-Shop

  • Steht die Faserzusammensetzung auf jeder Produktseite sichtbar und produktbezogen?
  • Sind Mischungen in absteigender Reihenfolge mit zulässigen Bezeichnungen angegeben?
  • Wechselt die Angabe bei Varianten automatisch mit?
  • Sind Sets und Bündel transparent aufgeschlüsselt?
  • Vermeiden Sie versteckte Tabs/Tooltips und lange Scrollwege bis zur Pflichtinformation.
  • Stimmen Produktdaten, Pflegeetikett und Shop-Texte überein?

Risiken bei Verstößen

Wettbewerbsrechtliche Folgen

Unterlassen oder Verschleiern der Materialangaben kann als unlautere Handlung bewertet werden. In der Folge drohen Abmahnung, Unterlassungsverpflichtung und Kosten. Zusätzlich können Nachbesserungspflichten im Shop entstehen, die Aufwand binden.

Reputationsschäden

Fehlende Transparenz schafft Vertrauensverlust. Negative Bewertungen oder Rückfragen lassen sich durch saubere Produktdaten vermeiden.

Praxistipps für eine saubere Umsetzung

  • Produktdatenpflege zentralisieren: Eine gepflegte Stammdatenbasis reduziert Fehler in allen Kanälen.
  • UI/UX berücksichtigen: Platzieren Sie die Materialangabe oberhalb der Falz, in Nähe von Preis, Größenwahl oder Warenkorb-Button.
  • Prozesse definieren: Bei Sortimentswechseln und Lieferantenwechseln sollten Prüfschritte für die Textilkennzeichnung vorgesehen sein.
  • Marktplätze: Achten Sie auf konforme Felder und Pflichtattribute; eigene Shopstandards sollten plattformspezifisch gespiegelt werden.
  • Qualitätssicherung: Stichprobenartige Content-Audits decken Inkonsistenzen frühzeitig auf.

FAQ kompakt

Reicht es, die Materialangabe nur im Pflegeetikett zu machen?

Im Online-Handel soll die Information auf der Produktseite bereitstehen. Ein Etikett in der Ware ersetzt diese Vorab-Information in der Regel nicht.

Unsere Basecap ist nur ein Werbegeschenk. Brauchen wir trotzdem die Angabe?

Auch Werbeartikel können Textilprodukte sein. Maßgeblich ist der Textilanteil, nicht der Verwendungszweck.

Dürfen wir „andere Fasern“ schreiben?

Das ist unter engen Bedingungen möglich. Üblicherweise sind konkrete Bezeichnungen vorzuziehen; pauschale Sammelbegriffe sollten rechtskonform eingesetzt werden.

Wo sollte die Angabe stehen?

Bewährt hat sich die Platzierung im sichtbaren Bereich der Produktseite, nah an den kaufrelevanten Informationen. Zusätzlich sollte die Faserzusammensetzung in der Bestellübersicht (letzter Schritt) nochmals textlich erscheinen; ein Rücklink auf die Produktseite genügt hierfür in der Regel nicht.

Fazit

Die Entscheidung des LG Rostock verdeutlicht, dass Materialangaben bei Textilien im Online-Shop regelmäßig zu den wesentlichen Produkteigenschaften zählen und vor dem Kauf klar und gut sichtbar bereitzustellen sind. Wer UI/UX und Produktdatenqualität zusammendenkt, senkt das Abmahnrisiko und stärkt das Kaufvertrauen.

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