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Marketplace-Verkäufer haftet auch für englische Amazon-Texte

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Der Onlinehandel boomt – und mit ihm der Verkauf über Plattformen wie Amazon Marketplace. Doch was viele Verkäufer nicht wissen: Wer auf amazon.de verkauft, haftet nicht nur für selbst eingestellte Inhalte, sondern auch für fremdsprachige Produktinformationen, die auf der Plattform angezeigt werden – selbst dann, wenn sie durch Amazon automatisch übersetzt wurden.

Das zeigt ein aufsehenerregendes Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11. Mai 2023 (Az.: 327 O 188/22). Die Richter machen deutlich: Marketplace-Verkäufer können nicht die Verantwortung für fremdsprachige Amazon-Inhalte von sich weisen, wenn diese Markenrechte verletzen.

Im Klartext: Händler müssen ihre Produktdarstellungen aktiv und umfassend überwachen – auch in anderen Sprachen.

Der Fall: Unterlassungserklärung verletzt – durch englischen Amazon-Text

Der Ausgangspunkt:

Die beklagte Marketplace-Verkäuferin hatte in der Vergangenheit eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Sie hatte dabei anerkannt, die Marke der Klägerin unzulässig verwendet zu haben und sich verpflichtet, dies künftig zu unterlassen.

Was war passiert?

Trotz dieser Erklärung wurde auf Amazon.de ein Produkt angeboten, bei dem der Markenname „Y.“ erneut verwendet wurde – allerdings in einem englischsprachigen Angebotstext. Die Beklagte war als Verkäuferin namentlich hinterlegt, bestritt jedoch jede Verantwortung:

  • Sie habe den englischen Text nicht selbst erstellt,
  • sie stelle ihre Angebote nur auf Deutsch ein,
  • sie sei nicht verantwortlich für Übersetzungen, die Amazon automatisch vornehme,
  • und ein Verstoß liege daher nicht vor.

Die Klägerin hingegen forderte eine Vertragsstrafe – wegen Verstoßes gegen die abgegebene Unterlassungserklärung.

Die Entscheidung des LG Hamburg: Verkäuferin haftet für fremdsprachige Inhalte

Das Landgericht Hamburg ließ die Argumentation der Beklagten nicht gelten und verurteilte sie zur Zahlung einer Vertragsstrafe.

Die Kernaussagen des Urteils:

Verantwortung für fremdsprachige Inhalte

„Unabhängig davon, wer die Übersetzungen vornimmt, ist entscheidend, dass die Beklagte im Nachgang zur Abgabe ihrer Unterlassungsverpflichtungserklärung verpflichtet gewesen wäre, zu prüfen und sicherzustellen, dass auch die englischsprachige Version des Angebots die beanstandete Bezeichnung nicht mehr enthält.“

Das Gericht stellt also klar: Es kommt nicht darauf an, wer den Text technisch eingestellt oder übersetzt hat – sondern darauf, dass der Händler als sichtbar verantwortlicher Anbieter auftritt.

Überwachungspflicht nach Unterlassungserklärung

Mit der Abgabe der strafbewehrten Erklärung hatte sich die Beklagte zur aktiven Kontrolle verpflichtet. Das Gericht betont:

„Dies wäre ihr ohne größeren Aufwand möglich gewesen.“

Ein einfaches Monitoring der eigenen Produktseiten auf Amazon – auch in Fremdsprachen – hätte ausgereicht. Die Unterlassung dieser Kontrolle wird dem Händler angelastet.

Juristische Bewertung: Markenrechtsverstoß auch in Fremdsprache

Das Gericht bejahte im Ergebnis einen Verstoß gegen die Unterlassungserklärung, weil die Markenbezeichnung „Y.“ in der Produktdarstellung auftauchte – unabhängig davon, ob der Text auf Deutsch oder Englisch formuliert war.

Das LG Hamburg argumentiert unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung:

  • Markenverstoß liegt bereits dann vor, wenn eine Bezeichnung in kennzeichnender Weise für ähnliche oder identische Waren verwendet wird.
  • Es bestand eine hochgradige Zeichen- und Warenähnlichkeit.
  • Die Klagemarke verfüge über eine mindestens durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
  • Daraus ergebe sich eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne nach § 14 MarkenG.

Zentrale Passage des Urteils:

„Die Beklagte hat die Bezeichnung in selbständig kennzeichnender Stellung im Rahmen des Gesamtzeichens verwendet. […] Zwischen den betroffenen Waren besteht mindestens eine hochgradige Warenähnlichkeit.“

Damit war die Schwelle zur Vertragsstrafe nach Ansicht des LG Hamburg überschritten.

Konsequenzen für Marketplace-Verkäufer

Pflicht zur aktiven Kontrolle

Wer auf Amazon verkauft, muss sich nicht nur auf seine eigenen Eingaben verlassen, sondern auch:

  • kontrollieren, wie die Inhalte automatisiert aufbereitet werden (z.B. durch Übersetzungen),
  • regelmäßig prüfen, welche Texte sichtbar sind – auch in anderen Sprachen.

Fremdsprachige Inhalte können juristisch relevant sein

Selbst wenn der Händler den Text nicht selbst erstellt hat, kann er über eine Markenrechtsverletzung oder eine Vertragsstrafe haftbar gemacht werden.

Abgabe einer Unterlassungserklärung verpflichtet zu mehr

Wer eine strafbewehrte Erklärung unterschreibt, muss fortan aktiv sicherstellen, dass kein identischer oder ähnlicher Rechtsverstoß mehr erfolgt – auch in automatisch erzeugten Inhalten.

Kein „blinder Fleck“ für englische Inhalte auf amazon.de

Das Urteil ist wichtig für alle Amazon-Verkäufer in Deutschland. Denn es zeigt: Die Sprache spielt keine Rolle – entscheidend ist die öffentliche Sichtbarkeit des Inhalts unter dem eigenen Namen auf der Plattform amazon.de.

Das Gericht stellt sich damit gegen das weit verbreitete Missverständnis, dass englische Produkttexte auf deutschen Seiten nur „Beifang“ seien.

Fazit: Händler haften für ihren gesamten Auftritt – auch wenn Amazon Inhalte verändert

Das Urteil des LG Hamburg ist ein deutliches Signal an Marketplace-Händler:

„Wer verkauft, der kontrolliert – und wer nicht kontrolliert, der haftet.“

Die Verantwortung endet nicht beim eigenen Upload. Wer als Anbieter auftritt, muss sämtliche Inhalte seines Angebots regelmäßig prüfen – auf Deutsch, Englisch oder anderen Sprachen, wenn diese auf amazon.de sichtbar sind. Das gilt insbesondere nach Abgabe einer Unterlassungserklärung.

Handlungsempfehlung für Marketplace-Verkäufer:

  • Regelmäßige Sichtprüfung aller Angebote – auch in Fremdsprachen.
  • Monitoring-Tools oder Agenturen nutzen, die Amazon-Angebote in Echtzeit beobachten.
  • Juristische Beratung einholen, bevor eine Unterlassungserklärung unterzeichnet wird.
  • Sorgfaltspflichten aktiv wahrnehmen, um teure Vertragsstrafen zu vermeiden.

Wenn Sie Fragen dazu haben, wie Sie sich als Marketplace-Händler absichern können oder gegen unberechtigte Markenverstöße vorgehen möchten, stehen wir Ihnen als erfahrene Kanzlei für Wettbewerbs- und Markenrecht gerne zur Seite.

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