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Lieferung bestellter Waren bis in die Wohnräume geschuldet?

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Der Kläger hatte bei der Beklagten ein Waschbecken und mehrere Schränke bestellt. Die Beklagte engagierte daraufhin ein Transportunternehmen, welches die bestellten Waren lieferte. Beim Hineintragen durch einen Mitarbeiter rutschte das Waschbecken aus der Verpackung und beschädigte mehrere Fliesen sowie die Fenstertür. Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung von 3705,90 € Schadensersatz wegen Pflichtverletzung.

Durch das Eingehen eines Schuldverhältnisses (hier der Kaufvertrag) wird den Parteien neben ihren hauptvertraglichen Pflichten (Zahlung des Kaufpreises, Eigentumsverschaffung an der Kaufsache) auch die allgemeine Pflicht auferlegt, auf die Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils zu achten (§ 241 Absatz 2 BGB). 

Die Beklagte hält dem entgegen, dass ihre Leistungspflicht in dem Moment erfüllt gewesen sei, in dem der Mitarbeiter des Transportunternehmens die Waren vor der Haustür abgeliefert habe. Daraus folge, dass das Schuldverhältnis ab diesem Moment nicht mehr bestanden habe und dass ihn Schutzpflichten aus § 241 Absatz 2 BGB nicht mehr trafen. Der Mitarbeiter des beauftragten Transportunternehmens habe dabei auch nicht als Erfüllungsgehilfe der Beklagten gewirkt, weil sie ihn nicht zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeit in die Wohnung geschickt habe. Vielmehr habe er auf Bitten des Klägers das Waschbecken hineingetragen.

Das AG Mannheim weist die Klage als unbegründet zurück. Eine Haftung der Beklagten bestehe nicht. Streitpunkt war im Ausgangsfall, bis wohin sich die Leistungspflicht des Schuldners erstrecke: Lieferung bis zur Haustür oder bis in die Wohnungsräume des Gläubigers. Während sich das AG Bonn in einem ähnlich gelagerten Fall für letzteres entschied, vertritt das AG Mannheim die erste Ansicht. Soweit es an einer individuellen vertraglichen Vereinbarung fehlt, könne aus dem Gesetzestext nicht geschlossen werden, dass allgemein die Lieferung bestellter Waren bis in die Wohnräume geschuldet sei. Dafür spricht das Argument des Amtsgerichts, dass vom Schuldner nicht erwarten werden könne, dass er Waren in einen Bereich (hier den Lebensraum des Schuldners) liefere, der ihm „völlig unbekannt“ sei, und sich damit einem erhöhten Risiko, Rechtsgüter zu verletzen, aussetze.

Nach Ansicht des AG Bonn kann dagegen mit dem Argument zugestimmt werden, dass gerade beim Versendungskauf größerer Waren (Waschbecken, Waschmaschinen, etc.), bei denen oft auch eine Montage notwendig ist, die Lieferung regelmäßig in die Wohnung des Gläubigers erfolgt. Gleichwohl könnte in so einem Fall die Montage auch durch den Gläubiger selbst erfolgen. Im Ergebnis kommt es also auf die konkrete und individuelle vertragliche Absprache der Parteien an.

In Situation wie dieser ist eine freie rechtliche Würdigung unter allen Gesichtspunkten vorzunehmen, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. In Lösungsskizzen zu juristischen Klausuren findet sich an solchen Stellen meist der Hinweis: „Abweichende Ansichten vertretbar, solange nachvollziehbar argumentiert“. Damit wird deutlich, wie sehr es im Einzelfall darauf ankommt, welcher Argumentation gefolgt wird. Die Gerichte sind in ihrer Würdigung unabhängig und nicht dazu gehalten, Entscheidungen anderer Gerichte und deren Argumentation per se zu übernehmen. AG Mannheim, Urteil vom 25.01.2013, Az. 3 C 312/12

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