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Lidl Plus: „Kostenlos“ trotz Datenverarbeitung?

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Bonus-Apps gehören längst zum Alltag. Sie versprechen attraktive Rabatte, digitale Coupons und exklusive Angebote. Doch im Hintergrund zahlen Verbraucher häufig mit einem anderen Zahlungsmittel: ihren Daten. Immer wieder stellt sich daher die Frage, ob eine Leistung wirklich „kostenlos“ ist, wenn Unternehmen personenbezogene Daten erheben und nutzen.

Mit genau diesem Spannungsfeld hat sich das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart, Urteil vom 23.09.2025 - 6 UKl 2/25) im Zusammenhang mit dem Treueprogramm „Lidl Plus“ beschäftigt. Das Urteil ist von erheblicher Bedeutung für Verbraucher und Unternehmen, denn es klärt zentrale Fragen des Preisangabenrechts und der zulässigen Werbung mit dem Begriff „kostenlos“.

Der Sachverhalt

Lidl bewirbt sein Vorteilsprogramm „Lidl Plus“ als digitale Kundenkarte. Teilnehmer erhalten Zugang zu Preisnachlässen, Coupons und Sonderaktionen. Für die Nutzung ist eine Registrierung in der Lidl-App erforderlich. Dabei werden personenbezogene Daten wie Name, E-Mail-Adresse, Telefonnummer und Geburtsdatum erhoben. Zudem informieren die Teilnahmebedingungen über die Verarbeitung von Daten, die etwa für personalisierte Werbung und zur Optimierung des Programms genutzt werden.

Ein Verbraucherverband sah hierin ein rechtliches Problem. Nach seiner Auffassung „bezahlen“ die Nutzer mit ihren Daten. Deshalb müsse Lidl – wie bei jeder entgeltlichen Fernabsatzdienstleistung – einen Preis angeben oder zumindest die Berechnung erläutern. Außerdem sei die Werbung mit dem Hinweis „Die Teilnahme an Lidl Plus ist kostenlos“ irreführend, da Verbraucher tatsächlich eine Gegenleistung in Form von Daten erbringen.

Lidl wies die Vorwürfe zurück. Das Programm sei unentgeltlich, da kein Geldbetrag verlangt werde. Die Nutzung personenbezogener Daten sei transparent geregelt und könne nicht als „Preis“ verstanden werden.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Oberlandesgericht Stuttgart wies die Klage ab. Es stellte klar, dass Lidl weder eine Preisangabe machen noch die Aussage „kostenlos“ unterlassen muss. Zugleich ließ das Gericht die Revision zum Bundesgerichtshof zu, da die Frage grundsätzliche Bedeutung hat.

Die Entscheidungsgründe

Keine Preisangabenpflicht

Nach § 312d BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB müssen Unternehmer Verbraucher über den Preis der angebotenen Leistung informieren. Der entscheidende Punkt war, ob die Bereitstellung personenbezogener Daten einen „Preis“ im Rechtssinne darstellt.

Das Gericht stellte fest, dass der unionsrechtlich geprägte Preisbegriff auf Geldleistungen beschränkt ist. Verbraucher müssen einen in Geld ausgedrückten Betrag zahlen – oder sie zahlen nichts. Die bloße Einwilligung in eine Datenverarbeitung stellt keinen Preis dar. Entsprechend besteht keine Pflicht, im Zusammenhang mit Lidl Plus einen Gesamtpreis anzugeben.

Das Gericht betonte, dass die Rechtsordnung den Umgang mit personenbezogenen Daten umfassend in der Datenschutz-Grundverordnung regelt. Daraus eine zusätzliche Preisangabenpflicht abzuleiten, würde das System sprengen.

„Kostenlos“ ist nicht irreführend

Auch der Vorwurf, die Werbung mit „kostenlos“ sei irreführend, überzeugte das Gericht nicht. Nach den Vorschriften des Wettbewerbsrechts liegt eine Irreführung vor, wenn Verbraucher über wesentliche Umstände getäuscht werden.

Die Richter stellten klar: Der Durchschnittsverbraucher versteht „kostenlos“ in erster Linie so, dass kein Geld gezahlt werden muss. Dass Unternehmen Daten zu Werbezwecken nutzen, ändert an diesem Verständnis nichts.

Wichtig war dabei, dass Lidl transparent über die Datennutzung informiert. Der Hinweis auf „kostenlos“ steht nicht isoliert im Raum, sondern wird im Zusammenhang mit den Teilnahmebedingungen erläutert. Deshalb liegt kein Verstoß gegen die sogenannte „schwarze Liste“ des UWG und auch keine unlautere Irreführung vor.

Kein Anspruch auf Unterlassung oder Kostenersatz

Da Lidl weder eine Informationspflicht verletzt noch Verbraucher in die Irre geführt hat, scheiterten sowohl der Unterlassungsanspruch als auch die Forderung auf Ersatz von Abmahnkosten.

Zulassung der Revision

Das Gericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu. Damit ist eine höchstrichterliche Klärung möglich, ob und inwieweit „Bezahlen mit Daten“ künftig Preisangabenpflichten auslöst oder die Werbung mit „kostenlos“ beschränkt.

Bedeutung für die Praxis

Für Verbraucher

Das Urteil macht deutlich: „Kostenlos“ bedeutet im Rechtssinn in erster Linie „ohne Geldzahlung“. Gleichwohl sollten Verbraucher aufmerksam prüfen, welche Daten sie preisgeben und wofür diese genutzt werden. Wer Bonus-Apps nutzt, sollte sich der Datenverarbeitung bewusst sein.

Für Unternehmen

Unternehmen dürfen Leistungen als „kostenlos“ bewerben, solange kein Geld verlangt wird. Entscheidend ist jedoch eine transparente Aufklärung über die Verarbeitung personenbezogener Daten. Fehlt es an dieser Transparenz, drohen wettbewerbsrechtliche Risiken.

Fazit

Das OLG Stuttgart hat eine klare Linie gezogen: Die Hingabe von Daten ist kein „Preis“ im Sinne der gesetzlichen Preisangabenpflichten. Unternehmen dürfen ihre Programme weiterhin als „kostenlos“ bewerben, solange sie Verbraucher transparent über die Datennutzung informieren.

Für Verbraucher bleibt die Botschaft: „Kostenlos“ ist nicht ohne Folgen. Wer teilnimmt, zahlt nicht mit Geld, wohl aber mit Daten. Für Unternehmen schafft das Urteil Rechtssicherheit – bis der Bundesgerichtshof endgültig entscheidet.

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