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Lernspiele unterliegen Urheberrecht

Lernspiele können urheberrechtlich geschützt sein
| Rechtsanwalt Frank Weiß

In einem Urteil vom 01. Juni 2011 entschied der Bundesgerichtshof, dass die Gestaltung interaktiver Lernspiele dem Urheberrechtsgesetz unterliegt und damit geschützt sind.

Geklagt hatte ein Unternehmen, das Lernspiele für Kinder herstellt. Diese Lernspiele sind unterschiedlich gestaltet, enthalten aber alle ein "Kontrollelement", eine interaktive Komponente, die es den Kindern erlaubt, Aufgaben zu lösen und deren Richtigkeit zu überprüfen. Angeklagt war ein Unternehmen, das ebenfalls Lernspiele, die ähnliche interaktive Elemente beinhalten, herstellt. Per einstweiliger Verfügung verlangten die Kläger, dass die Beklagten die Verbreitung und Herstellung dieser Spiele unterlassen. Die einstweilige Verfügung wurde jedoch kurz darauf vom Landgericht aufgehoben.

Das klagende Unternehmen sieht in den ähnlich gestalteten Lernspielen eine Verletzung des Urheberrechts und des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb und verlangte neben der Unterlassung der Herstellung auch Feststellung der Schadensersatzpflicht, sowie Auskunftserteilung. Die beklagte Firma erwiderte mit einer Gegenklage, in der sie mit Bezug auf die Zivilprozessordnung von den Klägern Schadensersatz forderte, was diese im Falle unberechtigter einstweiliger Verfügungen zulässt.

Das Berufungsgericht entschied zugunsten der Beklagten. Es sah keine Verletzung des Urheberrechts, da die Kontrollgeräte der Lernspiele nicht vom Urheberrecht geschützt würden. Außerdem unterscheiden sich die Produkte beider Hersteller so deutlich, dass keine unerlaubte Übernahme geistigen Eigentums erkennbar ist. Auch unterliegen die Kontrollgeräte nicht dem Schutz technischer und wissenschaftlicher Werke, da die interaktiven Komponenten selbst keine Informationen vermitteln, sondern lediglich eine Funktion erfüllen, weshalb diese in den Bereich der "angewandten Kunst" fallen und nicht in den schützenswerten Bereich der zweckfreien Kunst. Da ästhetische Merkmale fehlen und nicht anzunehmen ist, dass mit Kunst vertraute Personen diese Elemente als Kunst einschätzen würden, sind diese auch nicht geschützt. Die Möglichkeit, mit diesen Elementen auch die Richtigkeit der Antwort zu prüfen sei zwar Resultat einer geistigen Leistung aber trotzdem noch nicht geschützt. Da diese Elemente aber nur in ihrer Funktion übereinstimmen und nicht in der Gestaltung, erkannten die Richter keine Kopie. Auch die Gestaltung der Kontrollmechanismen selbst, in Form von Farbgebung oder Verwendung von Symbolen, stellt keine schützenswerte schöpferische Tätigkeit seitens des Herstellers dar.

Allerdings argumentierten die Richter, dass die interaktiven Elemente zusammen mit weiteren Teilen der Lernspiele tatsächlich Wissen vermitteln. Als Ganzes betrachtet sind Lernspiele, deren Ziel die Weitergabe wissenschaftlichen Verständnisses ist, als vom Urheberrechtsgesetz erfasste Werke zu kategorisieren. Das Berufungsgericht hatte allerdings versäumt, genau zu erfassen, inwieweit diese Werke von einem schöpferischen Geist geprägt werden. Da sich die beiden Lernspiele auch inhaltlich nicht stark ähneln, wurde davon ausgegangen, dass durch die Umgestaltung ein neues, eigenständiges Werk entstand.

Der BGH setzte hier das Urteil an. Da nicht ermittelt wurde, worin genau der schöpferische Einfluss der Hersteller besteht, war auch eine Beurteilung der Ähnlichkeit der Inhalte grundlegend unzureichend. Das objektive Merkmal, so der BGH, hätte in der "Form der Darstellung" gesucht werden müssen. In einer breiten Auslegung des Schutzes wissenschaftlicher oder technischer Werke erkennt der BGH den Einfluss der Hersteller, durch den das Lernspiel im Vergleich zu ähnlichen Produkten einzigartig wird. Das Maß der Einzigartigkeit bestimmt dabei den Schutzanspruch. Ist dieses als gering angesehen, würde eine geringe Abweichung vom Original schon keine Nachahmung, sondern ein eigenes Werk sein.

Zur endgültigen Entscheidung - und konkrete Ausarbeitung der Merkmale, die eine schöpferische Leistung erkennen lassen - wurde der Fall an das OLG Köln zurückgegeben.

BGH, Urteil vom 01.06.2011, Az. I ZR 140/09

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