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Kununu muss Identität preisgeben oder Bewertung löschen

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Die Bewertung eines Arbeitgebers auf Online-Portalen wie Kununu kann erhebliche Auswirkungen auf dessen Reputation, Bewerberanzahl und wirtschaftlichen Erfolg haben. Gleichzeitig bleibt die Identität der Bewertenden häufig anonym. Dies macht eine sachliche Auseinandersetzung mit Kritik praktisch unmöglich – vor allem dann, wenn Zweifel an der Echtheit der Rezension bestehen.

Der Beschluss des OLG Hamburg vom 08. Februar 2024 (Az.: 7 W 11/24) bringt nun entscheidende Klarheit: Wenn ein Arbeitgeber bestreitet, dass ein Arbeitsverhältnis zur bewertenden Person bestand, muss die Plattform entweder die Identität offenlegen, sodass eine Überprüfung möglich ist, oder die Bewertung löschen.

Diese Entscheidung hat das Potenzial, das Machtverhältnis zwischen Arbeitgebern und Bewertungsplattformen nachhaltig zu verändern – insbesondere in Bezug auf die Einhaltung datenschutzrechtlicher Prinzipien vs. Schutz der Unternehmensreputation.

Der konkrete Sachverhalt

Ein mittelständisches Unternehmen wurde auf Kununu mit zwei negativen Bewertungen konfrontiert. Die Inhalte bezogen sich u.a. auf:

  • angeblich diskriminierendes Verhalten im Hinblick auf das Alter von Mitarbeitenden („Belegschaft überdurchschnittlich jung halten“),
  • eine angeblich mangelhafte Einarbeitung („keine Anleitung, man müsse sofort loslegen“).

Das Unternehmen bestritt, dass die Bewertungen von (ehemaligen) Mitarbeitenden stammten, und zweifelte die Authentizität der Rezensionen insgesamt an. Es forderte Kununu (Antragsgegnerin) deshalb auf, die Identität der Bewertenden offenzulegen oder die Bewertungen zu löschen.

Kununu jedoch lehnte die Offenlegung ab und berief sich auf den Datenschutz. Die Plattform verwies darauf, dass sie die Bewertungen intern geprüft und für zulässig befunden habe. Zur Stützung ihrer Prüfung übermittelte Kununu anonymisierte Tätigkeitsnachweise.

Dem Unternehmen war es jedoch nicht möglich, aus diesen Unterlagen Rückschlüsse auf die Identität oder den Kontakt zur bewertenden Person zu ziehen. Die Anonymität blieb gewahrt – die Zweifel an der Bewertung jedoch ebenso bestehen.

Das Unternehmen stellte daraufhin einen gerichtlichen Antrag auf Löschung der Bewertungen, hilfsweise auf Auskunft zur Identität der Bewertenden.

Entscheidung des OLG Hamburg (7 W 11/24) – Leitsätze und Begründung

Das OLG Hamburg gab dem Unternehmen Recht. Es stellte klar:

Die Bewertungsplattform Kununu ist verpflichtet, einem betroffenen Arbeitgeber auf dessen Rüge hin entweder die Identität des Bewertenden so weit offenzulegen, dass eine Zuordnung möglich ist, oder andernfalls die Bewertung zu löschen.

1. Grundsatz: Bewertungen dürfen nicht anonym rufschädigend wirken

Die Richter führten aus, dass der Bewertete nicht schutzlos einer Bewertung ausgesetzt sein dürfe, bei der nicht einmal geklärt werden könne, ob die bewertende Person überhaupt in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stand.

„Die Möglichkeit zu einer eigenen Überprüfung [...] darf dem von der Bewertung Betroffenen nicht in der Weise genommen werden, dass der Portalbetreiber die Überprüfung für sich vornimmt.“

2. Keine "blinde Vertrauensregel" zugunsten der Plattform

Der Bewertete kann nicht gezwungen werden, sich auf das Ergebnis der internen Prüfung der Plattform zu verlassen. Insbesondere dann nicht, wenn konkrete Zweifel am Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses bestehen.

„Andernfalls stünde der Betroffene [...] der Behauptung des Portalbetreibers, dies sei der Fall gewesen, wehrlos gegenüber.“

Damit wird betont, dass ein effektives rechtliches Gehör und die Möglichkeit zur Gegendarstellung nur dann gegeben ist, wenn die Identität des Bewerters überprüft werden kann.

3. Anonymisierte Unterlagen reichen nicht aus

Das Gericht hielt fest, dass die von Kununu zur Verfügung gestellten anonymisierten Unterlagen nicht ausreichen, um die Echtheit zu prüfen. Zwar stammten sie aus dem Geschäftsbereich des Unternehmens, aber:

„Wer die betreffenden Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter gewesen sein mögen, auf die sie sich beziehen, vermag sie aus diesen Unterlagen aber nicht zu erkennen.“

Es ist dem Unternehmen nicht zuzumuten, aus anonymisierten Tätigkeitsnachweisen selbst Vermutungen über die Identität des Bewerters zu bilden.

4. Datenschutz tritt hinter dem Anspruch auf Klärung zurück

Kununu berief sich im Verfahren auf den Datenschutz und darauf, dass ohne Zustimmung des Nutzers eine Offenlegung unzulässig sei. Das OLG Hamburg wies dieses Argument entschieden zurück:

„Aus dem letztgenannten Grund kann die Antragsgegnerin [...] nicht mit Erfolg vorbringen, dass sie den Bewerter aus Datenschutzgründen ohne dessen Zustimmung nicht namhaft machen dürfe.“

Mit anderen Worten: Der Datenschutz kann nicht als Freibrief für die Verbreitung potenziell falscher, rufschädigender Inhalte unter dem Deckmantel der Anonymität dienen.

5. Mögliche Repressalien für Bewerter kein entscheidendes Gegenargument

Das OLG ging auch auf die Sorge ein, dass sich Bewerter durch eine Offenlegung Repressalien des Arbeitgebers ausgesetzt sehen könnten. Auch dieses Argument erkannte das Gericht nicht als tragfähig an:

„Auch dies [...] vermag nicht zu rechtfertigen, dass ein Arbeitgeber [...] diese öffentliche Kritik hinnehmen muss, ohne die Möglichkeit zu erhalten, sie auf das Vorliegen einer tatsächlichen Grundlage zu prüfen.“

Das Gericht stellt damit klar: Die Möglichkeit zur Überprüfung durch den Bewerteten geht vor dem Schutz des Bewerters vor potenziellen Konsequenzen – zumindest, wenn Zweifel am Kontaktverhältnis bestehen.

Fazit und praktische Bedeutung für Arbeitgeber

Neue Prüfpflicht für Bewertungsportale

Kununu und vergleichbare Plattformen dürfen sich bei anonymen Bewertungen nicht mehr pauschal auf Datenschutz berufen. Stattdessen sind sie verpflichtet:

  • Die Identität offenzulegen, sodass eine Prüfung durch den Bewerteten möglich ist, oder
  • Die Rezension zu löschen, wenn sie dem nicht nachkommen wollen oder können.

Klarer Weg für betroffene Unternehmen

Arbeitgeber können sich nun gerichtlich zur Wehr setzen, wenn Zweifel an der Authentizität einer Bewertung bestehen. Das OLG Hamburg bietet hier eine klare rechtliche Grundlage – mit Signalwirkung für künftige Fälle.

Recht auf Kontrolle über eigene Online-Reputation

Unternehmen haben nach dieser Entscheidung ein subjektiv-öffentliches Recht auf Kontrolle ihrer Online-Reputation – auch gegen scheinbar anonyme Rezensionen.

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