Kündigungsbutton auch bei Dauerschuldverhältnissen mit einmaliger Zahlungsverpflichtung

Mit Urteil vom 22. Mai 2025 hat der Bundesgerichtshof eine Entscheidung getroffen, die weit über den Einzelfall hinaus Bedeutung entfalten dürfte. Im Zentrum steht eine scheinbar technische Norm des Verbraucherrechts – § 312k BGB. Diese Vorschrift verpflichtet Unternehmer, bei bestimmten Verträgen, die online abgeschlossen werden, eine leicht auffindbare Schaltfläche zur Kündigung vorzuhalten. Bislang wurde die Norm überwiegend im Zusammenhang mit klassischen Abonnementverträgen mit wiederkehrender Zahlung angewandt. Ob diese Verpflichtung aber auch dann greift, wenn der Verbraucher lediglich einmalig zahlt, der Vertrag aber dennoch über einen längeren Zeitraum läuft, war bislang ungeklärt. Genau diese Lücke hat der BGH nun geschlossen – zugunsten der Verbraucher.
Der Sachverhalt
Der Fall drehte sich um das Kundenprogramm „OTTO UP Plus“, das von der bekannten Versandhändlerin Otto angeboten wurde. Verbraucher konnten sich gegen Zahlung eines einmaligen Betrags von 9,90 Euro für die Dauer von zwölf Monaten in dieses Vorteilsprogramm einbuchen. Im Gegenzug erhielten sie verschiedene Leistungen, insbesondere eine Versandkostenflatrate, Bonuspunkte für Einkäufe, vorrangigen Zugang zu bestimmten Angeboten sowie exklusive Rabatte. Die Vertragslaufzeit war ausdrücklich auf zwölf Monate befristet. Eine automatische Verlängerung war – anders als bei typischen Abomodellen – nicht vorgesehen.
Nach Ablauf der zwölf Monate endete die Mitgliedschaft automatisch. Gleichwohl konnten Verbraucher das Programm auch vorzeitig beenden – etwa wenn sie keine weiteren Vorteile in Anspruch nehmen wollten oder wenn sie mit den Leistungen unzufrieden waren. Die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung war im Vertrag zwar nicht vorgesehen, wohl aber die jederzeitige außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund.
Bemerkenswert war jedoch, dass das Unternehmen auf seiner Website keinen deutlich sichtbaren Kündigungsbutton anbot. Zwar konnten Verbraucher über Umwege Kontakt mit dem Kundenservice aufnehmen oder eine Kündigung schriftlich erklären – doch eine digitale Möglichkeit, wie sie § 312k Abs. 2 BGB vorsieht, fehlte. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sah hierin einen klaren Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben und erhob Klage auf Unterlassung.
In der Vorinstanz hatte das Oberlandesgericht Hamburg noch zu Gunsten von Otto entschieden. Es argumentierte im Kern, dass bei einem befristeten Vertrag mit Einmalzahlung gar kein „dauerndes Schuldverhältnis“ im Sinne des § 312k BGB vorliege. Demnach fehle bereits die tatbestandliche Voraussetzung für die Pflicht zur Bereitstellung eines Kündigungsbuttons. Der BGH sah dies jedoch grundlegend anders.
Die rechtliche Einordnung des BGH
Der Bundesgerichtshof stellte zunächst klar, dass § 312k Abs. 2 BGB auf Verbraucherverträge anwendbar ist, die ein „dauerndes Schuldverhältnis“ begründen und im elektronischen Geschäftsverkehr abgeschlossen werden. Im Zentrum der Prüfung stand deshalb die Frage, ob das Vertragsverhältnis zwischen Otto und den teilnehmenden Verbrauchern trotz der einmaligen Zahlung ein derartiges Dauerschuldverhältnis darstellte.
Die Antwort des Gerichts fiel eindeutig aus: Ja, ein solcher Vertrag sei als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren – und zwar unabhängig davon, ob die Vergütung einmalig oder laufend zu erbringen sei. Maßgeblich sei vielmehr, dass sich die geschuldete Leistung über einen längeren Zeitraum erstrecke und nicht sofort vollständig erbracht werde. Der Vertrag über das OTTO UP Plus-Programm entfalte seine Wirkungen eben nicht punktuell, sondern kontinuierlich über einen Zeitraum von zwölf Monaten. Während dieser Zeit stelle das Unternehmen verschiedene, sich wiederholende oder zumindest fortdauernde Leistungen zur Verfügung – wie etwa die Möglichkeit zur Nutzung der Versandflatrate oder die Inanspruchnahme von Bonusprogrammen. Damit liege ein typisches Merkmal eines Dauerschuldverhältnisses vor.
Weiterhin betonte der BGH, dass die gesetzliche Verpflichtung zur Vorhaltung eines Kündigungsbuttons gerade darauf abzielt, dem Verbraucher die Lösung von langfristig wirkenden Vertragsverhältnissen zu erleichtern. Die Norm diene dem Zweck, Hemmnisse beim Vertragsausstieg abzubauen – insbesondere im digitalen Raum, wo Vertragsabschlüsse mit wenigen Klicks möglich seien, die Kündigung hingegen häufig erschwert oder versteckt werde. Ein Ausschluss der Anwendung des § 312k BGB in Fällen der Einmalzahlung würde es Unternehmern ermöglichen, durch eine bloße Modifikation des Abrechnungsmodus die Verbraucherschutzvorgaben zu unterlaufen. Der Schutzzweck des Gesetzes würde dadurch ins Leere laufen.
Hervorzuheben ist zudem, dass der BGH ausdrücklich die Relevanz der außerordentlichen Kündigungsmöglichkeiten betonte. Selbst wenn – wie im konkreten Fall – keine ordentliche Kündigungsmöglichkeit vorgesehen sei, könnten Verbraucher gleichwohl ein berechtigtes Interesse an einer außerplanmäßigen Vertragsbeendigung haben. Auch in solchen Fällen müsse ihnen ein niederschwelliger Zugang zur Kündigung eröffnet werden. Es dürfe dem Verbraucher nicht zugemutet werden, sich über Suchfunktionen, Kontaktformulare oder allgemeine Support-Kanäle an den Anbieter wenden zu müssen. Stattdessen müsse die Kündigungsmöglichkeit unmittelbar und eindeutig erkennbar zur Verfügung stehen.
Mit dieser Argumentation grenzt sich der BGH deutlich von der engen Sichtweise der Vorinstanz ab, die den Begriff des Dauerschuldverhältnisses allein an die wiederkehrende Zahlungsverpflichtung geknüpft hatte. Diese Sichtweise reduziere die Norm auf formale Elemente und ignoriere die inhaltlichen Wirkungen des Vertrages. Gerade bei neuen digitalen Geschäftsmodellen mit einmaliger Zahlung, aber laufender Leistungserbringung sei ein funktionaler Ansatz unerlässlich.
Bedeutung der Entscheidung
Die Entscheidung des BGH hat erhebliche praktische Konsequenzen. Sie erweitert den Anwendungsbereich des § 312k BGB deutlich und macht klar, dass sich Unternehmen nicht durch formale Vertragsgestaltungspflege der Verpflichtung zur transparenten Kündigungsmöglichkeit entziehen können. Entscheidend ist nicht, wie der Vertrag benannt oder abgerechnet wird, sondern welche Leistung tatsächlich erbracht wird – und über welchen Zeitraum.
Für die Praxis bedeutet das, dass nun auch alle befristeten Online-Verträge, bei denen über einen bestimmten Zeitraum hinweg fortlaufende Leistungen geschuldet werden, unter die Pflicht zur Vorhaltung eines Kündigungsbuttons fallen. Dies betrifft beispielsweise Streaming-Dienste mit Jahreslizenzen, Premium-Mitgliedschaften, Zeitkarten, aber auch kostenpflichtige Vorteilsclubs wie im vorliegenden Fall. Selbst dann, wenn sich der Vertrag nicht automatisch verlängert, bleibt der Button erforderlich – jedenfalls für den Fall einer außerordentlichen Kündigung.
Zugleich stärkt das Urteil die Position der Verbraucher erheblich. Es verhindert, dass Unternehmen durch „kreative Vertragsmodelle“ das Gesetz umgehen und erschwerten Zugang zur Vertragsbeendigung schaffen. Das Recht zur Kündigung – auch außerordentlich – wird damit endlich auch technisch angemessen abgesichert. Wer digital abschließt, muss auch digital kündigen können – ohne Umwege, ohne Fallstricke.
Fazit
Das Urteil des BGH vom 22. Mai 2025 ist ein Meilenstein des digitalen Verbraucherschutzes. Es stellt klar, dass § 312k BGB nicht auf Verträge mit monatlicher Zahlung beschränkt ist, sondern auf alle Dauerschuldverhältnisse Anwendung findet, die im Internet abgeschlossen werden – auch wenn sie nur einmal bezahlt werden und eine feste Laufzeit haben. Entscheidend ist allein die zeitlich gestreckte Leistungserbringung, nicht die Art der Vergütung.
Mit dieser Entscheidung schützt der BGH nicht nur Verbraucher, sondern sorgt auch für mehr Klarheit und Fairness im digitalen Geschäftsverkehr. Unternehmen müssen ihre Vertragsgestaltung und ihre technischen Systeme überdenken, um nicht in Konflikt mit dem Gesetz zu geraten. Der Kündigungsbutton wird damit endgültig zum Symbol eines neuen Verständnisses von Transparenz und Nutzerfreundlichkeit im Online-Recht.
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