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Kündigung von Verbraucherverträgen online: Aufspaltung in mehr als zwei Stufen unzulässig

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Die Digitalisierung hat den Abschluss und die Verwaltung von Verträgen revolutioniert. Gleichzeitig ist der Gesetzgeber bestrebt, sicherzustellen, dass Verbraucher ihre Verträge ebenso einfach kündigen können, wie sie sie abgeschlossen haben. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 23.05.2024 (Az. 20 UKl 3/23) hat die Anforderungen an die Gestaltung der Kündigung im Internet noch einmal deutlich verschärft. Insbesondere geht es um die Frage, ob Unternehmen eine Identifizierung der Verbraucher zwischen Kündigungs-Button und Kündigungsbestätigung verlangen dürfen – und wie viele Schritte dabei zulässig sind.

Hintergrund: Gesetzliche Anforderungen an Kündigungen im Internet

Seit der Einführung des § 312k BGB ist gesetzlich geregelt, dass Unternehmer bei Verbraucherverträgen im Internet zwei zentrale Elemente vorhalten müssen:

  • Eine Kündigungsschaltfläche ("Jetzt kündigen"), die unmittelbar erreichbar ist.
  • Eine Bestätigungsseite mit einer weiteren Schaltfläche zur endgültigen Abgabe der Kündigung.

Diese Vorgaben sollen verhindern, dass Verbraucher durch komplizierte Kündigungsprozesse entmutigt werden. Das Gesetz spricht hier ausdrücklich von "unmittelbarer" und "leichter Zugänglichkeit".

Der Fall: Was genau wurde vom OLG Düsseldorf entschieden?

Im vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall betrieb ein Unternehmen eine Website, auf der Verbraucher Strom- und Gasverträge abschließen konnten. Wer kündigen wollte, musste erst auf "Verträge kündigen" klicken – und dann seine Identifikationsdaten eingeben: entweder Benutzername und Passwort oder Vertragskontonummer und Postleitzahl. Erst danach wurde die Kündigungsseite mit dem eigentlichen Kündigungs-Button freigeschaltet.

Das OLG Düsseldorf urteilte:

  • Diese Gestaltung ist unzulässig.
  • Unmittelbare und leicht zugängliche Kündigungsfunktionen müssen ohne vorgeschaltete Identifizierung erreichbar sein.
  • Eine zweistufige Identifizierung (z.B. Benutzername und Passwort) stellt eine unzulässige Hürde dar.

Die Argumentation des Gerichts

Das OLG Düsseldorf begründet seine Entscheidung damit, dass jede zusätzliche Hürde – insbesondere Eingabemasken zur Identifizierung – das gesetzlich geforderte einfache Kündigungsverfahren behindert. Eine Trennung der Kündigung in mehr als zwei Stufen widerspricht dem Schutzzweck von § 312k BGB, der darauf abzielt, den Zugang zur Kündigung so niedrigschwellig wie möglich zu halten.

Kernpunkte der Entscheidung:

  • Die Kündigungsschaltfläche muss ohne weitere Eingabe von Identifikationsdaten erreichbar sein.
  • Die Pflicht zur Authentifizierung (z.B. Benutzername, Passwort) darf nicht zwischen Kündigungsschaltfläche und Bestätigungsseite geschaltet werden.
  • Unternehmen dürfen keine technischen oder organisatorischen Hürden aufbauen, die den Kündigungsprozess verlängern oder verkomplizieren.

Welche Anforderungen ergeben sich daraus konkret für Unternehmer?

  1. Direkter Zugang zur Kündigungsschaltfläche
    Die Kündigungsschaltfläche ("Jetzt kündigen") muss direkt und ohne Identifizierung erreichbar sein.
  2. Bestätigungsseite
    Nach dem Klick auf "Jetzt kündigen" darf eine Seite folgen, auf der die Kündigung noch einmal bestätigt wird. Nur hier darf eine erneute Aktion des Verbrauchers verlangt werden (z.B. ein letzter Klick).
  3. Verzicht auf vorgelagerte Logins
    Unternehmer dürfen Verbraucher nicht zwingen, sich vor der Kündigung anzumelden oder Identifikationsmerkmale einzugeben.
  4. Gestaltung von Webseiten und Apps
    Webseiten müssen so aufgebaut sein, dass der Kündigungsprozess innerhalb von zwei klaren Schritten abgeschlossen werden kann.
  5. Keine versteckten Kündigungsbuttons
    Die Kündigungsschaltfläche muss leicht auffindbar und verständlich beschriftet sein.

Auswirkungen des Urteils auf die Praxis

Für viele Unternehmen bedeutet dieses Urteil eine notwendige Anpassung ihrer Kündigungsprozesse:

  • IT-Systeme und Webseiten müssen umgebaut werden, um die direkte Kündigung ohne vorgeschaltete Identifikation zu ermöglichen.
  • Unternehmen müssen ihr Risiko für Abmahnungen minimieren, denn Verstöße können nicht nur Verbraucherschützer, sondern auch Mitbewerber oder Wettbewerbsverbände verfolgen.

Verbraucherschutz gestärkt

Für Verbraucher bedeutet das Urteil eine erhebliche Erleichterung:

  • Kündigungen sollen künftig schneller, einfacher und transparenter ablaufen.
  • Verbraucher sollen nicht mehr durch technische Hürden oder komplizierte Anmeldeprozesse entmutigt werden.

Exkurs: Warum überhaupt Identifikation?

Unternehmen argumentieren oft, dass sie aus Sicherheits- und Missbrauchsgründen eine Identifikation verlangen müssen. Dem erteilt das OLG eine klare Absage: Der Gesetzgeber habe bewusst in Kauf genommen, dass eine Kündigung auch ohne vorherige Authentifizierung erfolgen kann, um die Verbraucherinteressen zu schützen.

Wichtig: Natürlich müssen Unternehmen trotzdem sicherstellen, dass keine unberechtigten Dritten Kündigungen erklären – das darf aber nicht zulasten der Verbraucherfreundlichkeit beim Zugang zum Kündigungsbutton gehen.

Fazit: Klare Linien für die Gestaltung von Kündigungsprozessen

Das Urteil des OLG Düsseldorf stärkt den Verbraucherschutz im elektronischen Geschäftsverkehr. Unternehmer müssen die Gestaltung ihrer Kündigungsstrecken konsequent anpassen, um rechtskonform zu handeln. Dabei gilt:

  • Maximal zwei Schritte: Kündigungsschaltfläche → Bestätigungsseite → Kündigungsbestätigung.
  • Keine vorgeschaltete Identifizierung.
  • Leichte Auffindbarkeit und Verständlichkeit.

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