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Kündigung einer Unterlassungserklärung – Chancen, Grenzen und Risiken

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Die Unterlassungserklärung ist ein zentrales Instrument im sog. gewerblichen Rechtsschutz (Urheberrecht, Markenrecht, Wettbewerbsrecht etc.). Sie soll Rechtsstreitigkeiten vermeiden, Wiederholungsgefahren ausschließen und gerichtliche Auseinandersetzungen abwenden. In der Praxis taucht sie vor allem in Bereichen auf, in denen Verstöße schnell erhebliche finanzielle Folgen haben können: Urheberrechtsverletzungen durch die unberechtigte Nutzung von Fotos oder Videos, Markenrechtsverletzungen durch die Verwendung geschützter Zeichen, wettbewerbswidrige Werbeaussagen oder auch Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht – etwa durch die Veröffentlichung unzulässiger Bilder oder Äußerungen.

Für Betroffene bedeutet die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung meist einen tiefen Einschnitt. Mit der Unterschrift verpflichten Sie sich, ein bestimmtes Verhalten zukünftig strikt zu unterlassen. Dieser Schritt geschieht oft unter erheblichem Druck: Abmahnungen setzen kurze Fristen, drohen mit hohen Prozesskosten und Vertragsstrafen. Viele fühlen sich in dieser Situation genötigt, sofort zu unterschreiben, um Schlimmeres zu vermeiden. Doch kaum jemand denkt in diesem Moment daran, welche weitreichenden Folgen diese Erklärung auch Jahre oder gar Jahrzehnte später noch haben kann.

Denn eine Unterlassungserklärung wirkt nicht nur für den Augenblick. Sie entfaltet Bindungswirkung, die in der Regel unbefristet (lebenslänglich) ist. Wer also eine Unterlassungserklärung abgibt, muss sich langfristig an ihre Inhalte halten – und riskiert bei jedem Verstoß eine Vertragsstrafe, die schnell in die Tausende gehen kann. Für Unternehmen kann dies bedeuten, dass bestimmte Werbeformen oder Produktgestaltungen dauerhaft tabu sind. Für Privatpersonen kann es heißen, dass ein Verhalten, das irgendwann vielleicht gar nicht mehr rechtswidrig wäre, trotzdem teuer geahndet wird.

Genau hier setzt die entscheidende Frage an, die viele Mandanten bewegt: Ist man nach Abgabe einer Unterlassungserklärung wirklich für immer gebunden? Oder gibt es rechtliche Möglichkeiten, diese Verpflichtung zu beenden – etwa durch Kündigung, Aufhebung oder Anpassung? Die Antwort hierauf ist keineswegs einfach und hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab. Sicher ist jedoch: Die rechtliche Bewertung einer Kündigung ist komplex, und wer vorschnell handelt, setzt sich erheblichen Risiken aus.

Dieser Beitrag beleuchtet daher Schritt für Schritt, welche rechtlichen Grundlagen gelten, wann eine Kündigung einer Unterlassungserklärung denkbar sein kann, welche Risiken bestehen und welche Alternativen zur Verfügung stehen. Ziel ist es, Ihnen einen klaren Überblick zu verschaffen – und Ihnen damit die Grundlage für eine fundierte Entscheidung zu geben.

 

Übersicht:

Grundlagen: Was ist eine Unterlassungserklärung?
Bindungswirkung einer Unterlassungserklärung
Möglichkeiten der Kündigung – Überblick
Klassische Fallgruppen für eine Kündigung
Abgrenzung: Unterlassungsvertrag vs. gerichtlicher Unterlassungstitel
Risiken einer Kündigung
Alternative Möglichkeiten zur Beendigung
Handlungsempfehlungen für Betroffene
Fazit

 

 

Grundlagen: Was ist eine Unterlassungserklärung?

Um die Frage nach einer möglichen Kündigung zu verstehen, ist es wichtig, sich zunächst den rechtlichen Charakter einer Unterlassungserklärung klarzumachen. Im Kern handelt es sich um eine vertragliche Verpflichtung, die regelmäßig im Zusammenhang mit einer Abmahnung abgegeben wird.

Außergerichtliche Unterlassungserklärung

In der Praxis wird die Unterlassungserklärung am häufigsten außergerichtlich gefordert. Sie folgt meist auf eine Abmahnung, mit der ein Rechteinhaber (z. B. ein Fotograf, ein Markeninhaber, ein Unternehmen als Mitbewerber oder auch eine Privatperson) ein bestimmtes Verhalten beanstandet – etwa die unberechtigte Nutzung eines Fotos, die Verwendung einer Marke oder eine irreführende Werbung. Um eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden, verlangt der Abmahner die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Wird diese fristgerecht und wirksam abgegeben, entfällt in der Regel die Wiederholungsgefahr und damit das Bedürfnis bzw. sogar das Recht, den Anspruch (noch) gerichtlich durchzusetzen.

Gerichtliche Unterlassungsverfügung

Demgegenüber steht die gerichtliche Unterlassungsverfügung. Hier entscheidet ein Gericht auf Antrag des Gläubigers, dass ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen ist. Dieser Titel ist hoheitlich durchsetzbar und unterscheidet sich deshalb deutlich von der außergerichtlich abgegebenen Erklärung. Während bei einer außergerichtlichen Unterlassungserklärung noch Gestaltungsspielräume bestehen, gibt es bei einer gerichtlichen Verfügung keinen „Vertrag“, den man kündigen könnte – es handelt sich um einen vollstreckbaren Titel.

Vertragscharakter

Die außergerichtliche Unterlassungserklärung hat den Charakter eines zivilrechtlichen Vertrages. Schuldner und Gläubiger einigen sich darauf, dass der Schuldner ein bestimmtes Verhalten künftig unterlässt. Im Gegenzug muss der Gläubiger dann auf die gerichtliche Durchsetzung seiner Unterlassungsansprüche verzichten. Juristisch betrachtet handelt es sich um einen Unterlassungsvertrag, der beide Seiten bindet.

Ziel der Unterlassungserklärung

Zweck der Erklärung ist es, die sogenannte Wiederholungsgefahr auszuräumen. Sobald ein Verstoß begangen wurde, wird von der Rechtsprechung grundsätzlich vermutet, dass er jederzeit erneut geschehen könnte. Nur eine ernsthafte und verbindliche Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen ist in der Lage, diese Gefahr zu beseitigen. Genau deshalb wird sie in der Praxis so häufig gefordert und abgegeben.

Typische Inhalte

Eine Unterlassungserklärung besteht in der Regel aus mehreren Bausteinen:

  • Unterlassungsverpflichtung: Der Schuldner verpflichtet sich, das beanstandete Verhalten zukünftig zu unterlassen.
  • Vertragsstrafeversprechen: Für den Fall der Zuwiderhandlung wird die Zahlung einer empfindlichen Geldstrafe vereinbart, um so die Ernsthaftigkeit der Erklärung zu unterstreichen.
  • Kostenerstattung: Häufig verpflichtet sich der Schuldner zusätzlich, die Kosten der Abmahnung (z. B. Anwaltskosten) zu erstatten. Dies gehört aber streng genommen nicht in eine Unterlassungserklärung.

Damit wird deutlich: Wer eine Unterlassungserklärung abgibt, bindet sich langfristig an einen Vertrag, dessen Folgen erheblich sein können. Genau deshalb stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Verpflichtung wieder beendet werden kann.

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Bindungswirkung einer Unterlassungserklärung

Wer eine Unterlassungserklärung abgibt, bindet sich langfristig und meist unbefristet. Genau das macht sie für viele Betroffene so problematisch. Während manch anderer Vertrag nach Ablauf einer Frist oder durch ordentliche Kündigung endet, gilt dies bei einer Unterlassungserklärung nicht.

Grundsatz: Unbefristete Wirkung

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass eine einmal abgegebene Unterlassungserklärung grundsätzlich zeitlich unbegrenzt („lebenslänglich“) gilt. Sie entfaltet ihre Wirkung also nicht nur für die unmittelbare Zukunft, sondern dauerhaft – so lange man lebt oder solange bspw. eine GmbH existiert. Wer sich verpflichtet hat, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen, bleibt auch viele Jahre später daran gebunden.

Hintergrund: Wiederholungsgefahr

Der Grund für diese strikte Bindung liegt in der sogenannten Wiederholungsgefahr. Hat jemand eine Rechtsverletzung begangen, wird vermutet, dass er dies auch künftig wieder tun könnte. Diese Gefahr entfällt nicht automatisch dadurch, dass einige Jahre vergangen sind. Selbst wenn sich das Verhalten des Schuldners geändert hat, hält die Rechtsprechung grundsätzlich an der Annahme einer fortbestehenden Wiederholungsgefahr fest. Nur durch die Abgabe einer wirksamen Unterlassungserklärung kann diese Vermutung entkräftet werden – und die Erklärung wirkt deshalb dauerhaft.

Fortbestehen trotz veränderter Umstände

Besonders belastend ist für viele, dass die Bindung auch dann bestehen bleibt, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern.

  • Änderung des Marktes: Wenn bestimmte Produkte oder Dienstleistungen nicht mehr existieren, kann die Unterlassungspflicht trotzdem weitergelten.
  • Änderung der Rechtsprechung: Selbst wenn Gerichte später entscheiden, dass ein Verhalten nicht mehr rechtswidrig ist, bleibt die Verpflichtung bestehen, solange die Erklärung nicht wirksam beendet wurde.
  • Änderung der persönlichen Situation: Auch wenn der Schuldner den Geschäftszweig aufgibt oder privat keine entsprechenden Handlungen mehr vornimmt, bleibt die Erklärung wirksam.

Abgrenzung: Erklärung ohne Vertragsstrafe

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen einer bloßen Unterlassungszusage und einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Eine einfache Erklärung ohne Vertragsstrafe reicht rechtlich meist nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Sie hat daher auch keine vergleichbare Bindungswirkung. Nur die strafbewehrte Erklärung – also die, bei der für Verstöße eine Vertragsstrafe versprochen wird – entfaltet die volle rechtliche Wirkung.

Die Bindungswirkung macht deutlich, warum Betroffene die Unterlassungserklärung oft als „Falle“ empfinden: Was ursprünglich zur kurzfristigen Streitbeilegung gedacht war, kann sich langfristig zu einer erheblichen Belastung entwickeln. Genau hier stellt sich die Frage, ob eine Kündigung oder Aufhebung im Einzelfall möglich ist.

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Möglichkeiten der Kündigung – Überblick

Die Unterlassungserklärung wird häufig in großer Eile und unter erheblichem Druck abgegeben. Viele Betroffene glauben im ersten Moment, sie hätten damit eine kurzfristige Lösung gefunden. Spätestens nach einigen Jahren stellt sich jedoch die Frage: Muss man tatsächlich „auf Lebenszeit“ gebunden bleiben oder kann die Erklärung gekündigt werden?

Ordentliche Kündigung – faktisch ausgeschlossen

Im Unterschied zu klassischen Verträgen wie einem Miet- oder Arbeitsvertrag enthält der Unterlassungsvertrag keine Befristung und auch keine Kündigungsklausel. Er ist gerade darauf angelegt, dauerhaft zu wirken. Eine ordentliche Kündigung – also die Beendigung ohne besonderen Grund nach Ablauf einer Frist – ist daher so gut wie nie vorgesehen. Wer eine Unterlassungserklärung abgibt, muss grundsätzlich davon ausgehen, dass er für immer an sie gebunden bleibt.

Diese Konstruktion ist bewusst gewählt: Die Unterlassungserklärung soll die Wiederholungsgefahr endgültig beseitigen. Würde man dem Schuldner jederzeit die Möglichkeit geben, sich durch ordentliche Kündigung zu lösen, wäre die Erklärung im Kern wirkungslos. Aus diesem Grund lehnt die Rechtsprechung eine ordentliche Kündigung fast durchgängig ab.

Außerordentliche Kündigung – die seltene Ausnahme

Etwas anderes gilt, wenn besondere Umstände vorliegen, die eine weitere Bindung unzumutbar erscheinen lassen. Hier kommt die außerordentliche Kündigung nach § 314 BGB in Betracht. Ein solcher wichtiger Grund kann vorliegen, wenn sich die Umstände seit Vertragsschluss so wesentlich geändert haben, dass am Fortbestehen des Vertrages kein schützenswertes Interesse mehr besteht.

Die Hürde hierfür ist jedoch hoch. Die Gerichte betonen, dass die Unterlassungserklärung gerade auf Dauer angelegt ist. Deshalb reicht es nicht aus, dass der Schuldner sein Verhalten geändert hat oder dass er die Verpflichtung nachträglich als zu belastend empfindet. Es muss vielmehr eine gravierende Änderung eingetreten sein, die den Vertrag praktisch sinnlos oder grob unbillig macht.

Treu und Glauben (§ 242 BGB) – Schranke gegen Rechtsmissbrauch

Zusätzlich kann auch der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben eine Rolle spielen. Nach § 242 BGB ist die Durchsetzung von Rechten ausgeschlossen, wenn sie rechtsmissbräuchlich wäre. Übertragen auf Unterlassungserklärungen bedeutet das: Wenn der Gläubiger die Erklärung in einer Weise nutzt, die mit dem ursprünglichen Zweck nichts mehr zu tun hat, kann sich der Schuldner darauf berufen. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn der Gläubiger über Jahre hinweg keinerlei Interesse gezeigt hat, die Erklärung durchzusetzen, sie dann aber plötzlich in völlig anderem Kontext als Druckmittel verwendet.

Problem: Strenge Anforderungen durch die Gerichte

In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Gerichte außerordentliche Kündigungen nur in absoluten Ausnahmefällen anerkennen. Ihr Argument: Würde man Kündigungen zu leicht zulassen, würde der Zweck der Erklärung – die dauerhafte Ausschaltung der Wiederholungsgefahr – unterlaufen. Selbst wenn sich Marktbedingungen, Rechtsprechung oder persönliche Umstände ändern, wird eine Fortgeltung meist angenommen.

Für Betroffene bedeutet das: Eine Kündigung ist zwar rechtlich denkbar, aber mit erheblichen Hürden verbunden. Ohne eine präzise juristische Begründung und ohne klare, außergewöhnliche Umstände ist es nahezu unmöglich, eine Unterlassungserklärung einseitig zu beenden.

Damit wird deutlich: Wer über eine Kündigung nachdenkt, muss sich intensiv mit den anerkannten Fallgruppen auseinandersetzen, in denen eine solche Lösung tatsächlich realistisch erscheint. Genau darauf gehen wir im nächsten Abschnitt näher ein.

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Klassische Fallgruppen für eine Kündigung

Die außerordentliche Kündigung einer Unterlassungserklärung ist – wie bereits dargestellt – nur in Ausnahmefällen möglich. In der Rechtsprechung und Literatur haben sich jedoch bestimmte Fallgruppen herausgebildet, in denen ein solches Vorgehen zumindest denkbar ist. Diese Konstellationen sind zwar selten, zeigen aber, dass eine dauerhafte Bindung nicht in jedem Fall unangreifbar ist.

Wegfall der Wiederholungsgefahr

Die Unterlassungserklärung dient vor allem dazu, die sogenannte Wiederholungsgefahr auszuräumen. Diese wird grundsätzlich bereits durch einen einmaligen Verstoß vermutet. Denkbar ist aber, dass diese Gefahr nach sehr langer Zeit entfällt, etwa wenn der Schuldner den betreffenden Geschäftszweig endgültig aufgegeben hat oder die technischen Voraussetzungen für einen erneuten Verstoß gar nicht mehr gegeben sind. Ob dies jedoch eine Kündigung rechtfertigt, beurteilen die Gerichte sehr streng. Allein die Tatsache, dass über Jahre keine Verstöße mehr begangen wurden, genügt meist nicht. Es muss deutlich erkennbar sein, dass eine Wiederholung auch objektiv ausgeschlossen ist.

Änderung der Rechtslage oder Rechtsprechung

Eine weitere Fallgruppe betrifft die Veränderung des rechtlichen Rahmens. Verhalten, das zum Zeitpunkt der Abgabe der Unterlassungserklärung verboten war, kann später erlaubt sein – etwa durch eine Gesetzesänderung oder durch eine grundlegende Kehrtwende in der Rechtsprechung. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob der Schuldner wirklich dauerhaft an ein Verbot gebunden sein kann, das nach heutigem Recht gar keines mehr wäre. Einige Gerichte haben hier anerkannt, dass eine außerordentliche Kündigung möglich sein kann, wenn sich die rechtliche Bewertung so fundamental verändert, dass die Unterlassungserklärung ihren Sinn verliert.

Überlange Bindungsdauer

Ein besonders diskutierter Punkt ist die Dauer der Verpflichtung. Unterlassungserklärungen sind grundsätzlich unbefristet – sie binden also theoretisch lebenslang. In der Literatur wird deshalb die Frage gestellt, ob eine „ewige“ Bindung überhaupt zulässig ist. Argumentiert wird, dass eine überlange Vertragsbindung unzumutbar sein kann und deshalb ein Kündigungsrecht eröffnen sollte. In der Praxis sind die Gerichte jedoch sehr zurückhaltend und erkennen ein solches Kündigungsrecht nur in seltenen Ausnahmefällen an.

Rechtsmissbrauch des Gläubigers

Ein weiteres denkbares Szenario ist der Missbrauch der Unterlassungserklärung durch den Gläubiger. Wenn dieser die Erklärung nicht im Sinne des ursprünglichen Zwecks nutzt – nämlich zur Verhinderung erneuter Rechtsverletzungen –, sondern lediglich als Druckmittel, könnte dies eine Kündigung rechtfertigen. Ein Beispiel wäre, wenn der Gläubiger aus geringfügigen oder völlig sachfremden Anlässen Vertragsstrafen fordert oder den Schuldner mit unrealistischen Forderungen unter Druck setzt. Hier kann der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) greifen.

Sonstige wichtige Gründe

Schließlich sind auch sonstige außergewöhnliche Umstände denkbar, die eine Bindung unzumutbar machen. Dazu gehören unvorhersehbare Entwicklungen, die den Vertrag praktisch sinnlos werden lassen. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn das Unterlassungsversprechen auf eine Situation zugeschnitten war, die sich völlig anders entwickelt hat, oder wenn das betroffene Verhalten objektiv gar nicht mehr vorkommen kann.

Diese Fallgruppen zeigen, dass es durchaus rechtliche Ansätze für eine Kündigung gibt. Gleichwohl muss betont werden: Die Hürden sind hoch, und eine erfolgreiche Kündigung setzt stets eine sorgfältige Prüfung der Umstände und eine stichhaltige Begründung voraus.

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Abgrenzung: Unterlassungsvertrag vs. gerichtlicher Unterlassungstitel

Wenn von der „Kündigung einer Unterlassungserklärung“ die Rede ist, muss zunächst klar unterschieden werden, um welche Art von Verpflichtung es sich handelt. In der Praxis kommt es hier immer wieder zu Missverständnissen – mit teilweise gravierenden Folgen für die Betroffenen.

Unterlassungsvertrag – Kündigung zumindest theoretisch denkbar

Wird eine Unterlassungserklärung außergerichtlich nach einer Abmahnung abgegeben, spricht man von einem Unterlassungsvertrag. Dieser hat, wie bereits dargestellt, den Charakter einer zivilrechtlichen Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger. Genau hier stellt sich die Frage, ob eine Kündigung möglich ist. Nach den allgemeinen Regeln des Zivilrechts (§ 314 BGB) kann eine außerordentliche Kündigung in Ausnahmefällen zulässig sein. Zwar sind die Hürden hoch, doch die Option besteht zumindest theoretisch. Damit bewegt sich der Schuldner im Bereich des Vertragsrechts, das grundsätzlich Kündigungsmöglichkeiten kennt – wenn auch sehr eingeschränkt.

Gerichtlicher Unterlassungstitel – keine Kündigungsmöglichkeit

Anders liegt der Fall, wenn eine Unterlassung nicht auf einem Vertrag, sondern auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Gericht eine einstweilige Verfügung erlässt oder im Hauptsacheverfahren ein Unterlassungsurteil spricht. In diesen Fällen entsteht kein Vertrag, sondern ein vollstreckbarer Titel. Einen solchen Titel kann man nicht kündigen, da er auf hoheitlicher Anordnung beruht. Die einzige Möglichkeit, sich von einem gerichtlichen Titel zu lösen, besteht in der Anfechtung mit Rechtsmitteln (z. B. Berufung) oder in einer späteren Vollstreckungsabwehrklage, wenn die Voraussetzungen der Vollstreckung nicht mehr vorliegen. Eine klassische Kündigung – wie im Vertragsrecht – gibt es hier nicht.

Praxisrelevanz: Häufige Verwechslung

Viele Betroffene unterscheiden nicht zwischen einem Unterlassungsvertrag und einem gerichtlichen Unterlassungstitel. Sie gehen davon aus, dass es sich in beiden Fällen um „eine Unterlassungserklärung“ handelt und dass auch die rechtlichen Folgen identisch sind. Das ist jedoch ein gefährlicher Irrtum: Während beim Vertrag die Kündigung zumindest diskutiert werden kann, ist sie beim Titel ausgeschlossen. Wer hier den falschen Ansatz wählt, riskiert schnell hohe Vertragsstrafen oder Ordnungsgelder.

Gerade deshalb ist es entscheidend, im Einzelfall genau zu prüfen, ob überhaupt ein kündbarer Unterlassungsvertrag vorliegt oder ob man es mit einem bindenden Gerichtstitel zu tun hat.

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Risiken einer Kündigung

Wer darüber nachdenkt, eine Unterlassungserklärung zu kündigen, sollte sich bewusst machen, dass dieser Schritt mit erheblichen Risiken verbunden ist. In vielen Fällen führt eine unüberlegte Kündigung nicht zur gewünschten Befreiung, sondern verschärft die rechtliche Situation zusätzlich.

Gläubiger kann Kündigung zurückweisen

Eine Kündigung ist nur dann wirksam, wenn ein rechtlich anerkannter wichtiger Grund vorliegt. In der Praxis akzeptieren Gläubiger eine Kündigung jedoch so gut wie nie freiwillig. Sie können sich auf die fortbestehende Bindung berufen und weiterhin die Einhaltung der Unterlassungspflicht verlangen. Damit bleibt der Schuldner trotz erklärter Kündigung weiterhin verpflichtet – und läuft Gefahr, im Falle eines Verstoßes erneut belangt zu werden.

Vertragsstrafe bleibt bestehen

Selbst wenn eine Kündigung erklärt wurde, bedeutet das nicht automatisch, dass die vereinbarte Vertragsstrafe entfällt. Verstößt der Schuldner nach Ausspruch der Kündigung gegen das Unterlassungsversprechen, kann der Gläubiger trotzdem die vereinbarte Vertragsstrafe geltend machen, solange die Kündigung nicht rechtswirksam ist. Ob die seinerzeit erklärte Kündigung wirksam ist, würde dann erst (inzident) in dem Prozess geklärt werden, in dem eine Vertragsstrafe eingeklagt wird. Für Betroffene besteht also ein erhebliches finanzielles Risiko, wenn sie glauben, sich durch einseitige Erklärung von der Verpflichtung lösen zu können.

Gefahr einer neuen Abmahnung

Nimmt der Schuldner das untersagte Verhalten nach Ausspruch der Kündigung wieder auf, muss er mit einer neuen Abmahnung rechnen. In diesem Fall drohen nicht nur weitere Vertragsstrafen, sondern auch zusätzliche Abmahnkosten. Gerade Unternehmen setzen sich dadurch einer doppelten Belastung aus: Zum einen bleiben die alten Verpflichtungen bestehen, zum anderen entstehen neue Kosten durch aktuelle Verstöße.

Kostenrisiko bei gerichtlicher Klärung

Ob eine Kündigung wirksam ist, lässt sich häufig erst vor Gericht klären. Kommt es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, trägt der Schuldner ein hohes Kostenrisiko. Selbst wenn er glaubt, gute Argumente zu haben, entscheiden die Gerichte oft sehr streng und verweisen darauf, dass der Zweck der Unterlassungserklärung nur durch ihre Dauerhaftigkeit gewährleistet wird. Scheitert der Schuldner mit seiner Kündigung, hat er nicht nur weiterhin die Unterlassungspflicht, sondern zusätzlich hohe Gerichts- und Anwaltskosten zu tragen.

Fazit zu den Risiken

Eine Kündigung der Unterlassungserklärung ist rechtlich zwar denkbar, in der Praxis jedoch mit großen Unsicherheiten verbunden. Wer vorschnell handelt, riskiert nicht nur den Verlust seiner rechtlichen Position, sondern auch erhebliche finanzielle Nachteile. Deshalb sollte jeder Schritt in dieser Richtung gut überlegt und unbedingt mit professioneller anwaltlicher Beratung abgestimmt werden.

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Alternative Möglichkeiten zur Beendigung

Da die Kündigung einer Unterlassungserklärung nur in seltenen Ausnahmefällen Aussicht auf Erfolg hat, stellt sich für Betroffene die Frage, welche anderen Wege es gibt, sich von einer einmal eingegangenen Verpflichtung zu lösen oder diese zumindest abzumildern. In der Praxis haben sich verschiedene Ansätze herausgebildet, die oft erfolgversprechender sind als eine einseitige Kündigung.

Aufhebungsvertrag

Eine Möglichkeit besteht darin, mit dem Gläubiger eine einvernehmliche Aufhebung der Unterlassungserklärung zu vereinbaren. Ein solcher Aufhebungsvertrag ist rechtlich jederzeit möglich, da beide Vertragsparteien frei entscheiden können, sich von ihren Verpflichtungen zu lösen. In der Praxis ist die Bereitschaft eines Gläubigers dazu allerdings unterschiedlich ausgeprägt. Sie hängt meist davon ab, ob er noch ein Interesse an der Unterlassung hat. Ist das ursprüngliche Verhalten ohnehin nicht mehr relevant oder wirtschaftlich uninteressant, kann eine Aufhebung durchaus realistisch sein.

Anpassung des Vertrags

Neben der vollständigen Aufhebung kann auch eine Anpassung des Unterlassungsvertrages in Betracht kommen. Haben sich die Umstände seit Abgabe der Erklärung grundlegend geändert, kann es sinnvoll sein, mit dem Gläubiger eine Modifikation der Verpflichtung auszuhandeln. Dies könnte etwa bedeuten, dass die Unterlassung auf bestimmte Bereiche beschränkt wird oder dass einzelne Klauseln – etwa zur Vertragsstrafe – neu geregelt werden. Auch hier gilt: Ohne Zustimmung des Gläubigers ist dies nicht möglich, aber mit geschickten Verhandlungen lässt sich häufig ein tragfähiger Kompromiss erzielen.

Gerichtliche Feststellungsklage

Eine weitere Möglichkeit ist die gerichtliche Feststellungsklage. Hierbei beantragt der Schuldner, dass ein Gericht prüft und verbindlich feststellt, ob die Bindung an die Unterlassungserklärung noch besteht. Dies kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn sich die Rechtslage oder Rechtsprechung zwischenzeitlich verändert hat. Auch wenn diese Variante mit einem Kostenrisiko verbunden ist, verschafft sie zumindest Klarheit und Rechtssicherheit. Für Unternehmen, die langfristige Planungen vornehmen müssen, ist eine solche gerichtliche Feststellung häufig unverzichtbar.

Strategische Vorgehensweisen zur Risikominimierung

Neben den formalen rechtlichen Wegen spielt die strategische Vorgehensweise eine große Rolle. Hierzu gehören:

  • Vermeidung unnötiger Kündigungserklärungen: Statt vorschnell zu kündigen, sollte zunächst geprüft werden, ob eine andere Lösung möglich ist.
  • Verhandlungsstrategie: Häufig kann durch diplomatisches Vorgehen und anwaltliche Unterstützung ein Entgegenkommen des Gläubigers erreicht werden.
  • Risikoprüfung: Bevor ein Verhalten wieder aufgenommen wird, das Gegenstand einer Unterlassungserklärung war, sollte unbedingt eine rechtliche Risikoanalyse erfolgen.
  • Dokumentation von Veränderungen: Wenn sich Umstände erheblich geändert haben (z. B. Geschäftsaufgabe, technische Entwicklungen), sollten diese dokumentiert werden, um im Streitfall belastbare Nachweise zu haben.

Fazit

Die Kündigung einer Unterlassungserklärung ist selten ein realistischer Weg. In vielen Fällen bieten sich andere Lösungen an, die weniger riskant sind und im Ergebnis zu mehr Rechtssicherheit führen. Einvernehmliche Lösungen, gerichtliche Feststellungen oder gezielte Anpassungen sind meist die erfolgversprechenderen Alternativen.

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Handlungsempfehlungen für Betroffene

Die Frage nach der Kündigung einer Unterlassungserklärung ist rechtlich komplex und mit erheblichen Risiken verbunden. Wer diesen Schritt in Betracht zieht, sollte deshalb systematisch und umsichtig vorgehen.

Sorgfältige Prüfung der Erfolgsaussichten

Bevor überhaupt an eine Kündigung gedacht wird, sollte genau geprüft werden, ob im konkreten Fall realistische Erfolgsaussichten bestehen. Dazu gehört eine detaillierte Analyse der Umstände: Liegt tatsächlich ein wichtiger Grund vor? Haben sich die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse wesentlich verändert? Ist die Bindung nach so langer Zeit noch zumutbar? Ohne eine gründliche Prüfung riskieren Sie, mit einer vorschnellen Kündigung rechtlich ins Leere zu laufen.

Einschätzung durch einen spezialisierten Anwalt

Die Bewertung, ob eine Kündigung möglich ist, erfordert juristisches Fachwissen und Erfahrung mit vergleichbaren Fällen. Ein Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz bzw. ein spezialisierter Anwalt kann einschätzen, ob die Gerichte im konkreten Fall eine außerordentliche Kündigung anerkennen würden, oder ob andere Wege – wie etwa eine gerichtliche Feststellungsklage oder Verhandlungen über eine Vertragsaufhebung – erfolgversprechender sind. Zudem kann ein Anwalt helfen, die Risiken einer falschen Vorgehensweise realistisch einzuschätzen.

Abwägen zwischen Kündigung und Aufhebungsvertrag

Oftmals ist es sinnvoller, nicht einseitig zu kündigen, sondern mit dem Gläubiger über eine einvernehmliche Lösung zu verhandeln. Ein Aufhebungsvertrag oder eine Anpassung der Erklärung kann eine deutlich risikoärmere Alternative sein. Gerade dann, wenn der Gläubiger kein ernsthaftes Interesse mehr an der Aufrechterhaltung der Erklärung hat, bestehen Chancen auf eine gütliche Lösung. Diese Variante vermeidet meist teure Gerichtsverfahren und bietet mehr Planungssicherheit.

Keine eigenmächtige Kündigung

Von einer eigenmächtigen Kündigung ohne rechtliche Beratung ist dringend abzuraten. Wer einfach erklärt, sich nicht mehr an die Unterlassung gebunden zu fühlen, riskiert hohe Vertragsstrafen und neue Abmahnungen. Auch ein Gerichtsverfahren kann dann schnell folgen – mit entsprechenden Kosten. Deshalb sollte jeder Schritt in dieser Richtung wohlüberlegt sein und immer auf einer fundierten rechtlichen Grundlage beruhen.

Fazit zu den Handlungsempfehlungen

Die Kündigung einer Unterlassungserklärung ist kein Routinevorgang, sondern ein rechtlich heikles Unterfangen. Betroffene sollten daher nie allein handeln, sondern sich frühzeitig professionell beraten lassen. Nur so lassen sich Risiken minimieren und Lösungswege finden, die sowohl rechtlich tragfähig als auch wirtschaftlich sinnvoll sind.

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Fazit

Unterlassungserklärungen sind ein scharfes Schwert des Zivilrechts. Wer eine solche Erklärung einmal abgegeben hat, ist in aller Regel dauerhaft an sie gebunden. Sie entfaltet ihre Wirkung zeitlich unbefristet und bleibt wirksam, selbst wenn sich Marktbedingungen, persönliche Lebensumstände oder die Rechtslage ändern. Genau das macht sie für Betroffene oft zu einer erheblichen Belastung.

Eine Kündigung ist zwar rechtlich denkbar, kommt aber nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Die Hürden, die Gerichte an eine außerordentliche Kündigung stellen, sind hoch. Weder ein bloßer Zeitablauf noch eine persönliche Veränderung genügt. Nur gravierende Umstände – wie eine grundlegende Änderung der Rechtslage oder ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Gläubigers – können im Einzelfall eine Kündigung rechtfertigen.

Für Betroffene bedeutet das: Es gibt keinen einfachen oder schnellen Weg, sich aus der Bindung einer Unterlassungserklärung zu lösen. Umso wichtiger ist es, frühzeitig fachkundigen Rat einzuholen und die eigene Situation genau prüfen zu lassen. Ein spezialisierter Anwalt kann nicht nur die Erfolgsaussichten einer Kündigung realistisch einschätzen, sondern auch Alternativen wie einen Aufhebungsvertrag oder eine gerichtliche Feststellungsklage prüfen.

Ohne juristische Begleitung kann eine Kündigung schnell mehr Probleme schaffen, als sie löst. Wer eigenmächtig handelt, setzt sich dem Risiko von Vertragsstrafen, neuen Abmahnungen und hohen Prozesskosten aus. Mit einer durchdachten Strategie hingegen lässt sich oft ein Weg finden, die rechtliche und wirtschaftliche Belastung zu reduzieren.

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