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Kosmetikprodukt als Präsentationsarzneimittel

OLG Hamburg, Urteil vom 16.07.2015, Az. 3 U 215/14
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Das Oberlandesgericht (OLG) in Hamburg hat mit seinem Urteil vom 16.07.2015 unter dem Az. 3 U 215/14 entschieden, dass ein kosmetisches Hautpflegemittel
kein Präsentationsarzneimittel darstellt, auch wenn es in Fachkreisen bekanntermaßen begleitend bei einer Hauterkrankung verwendet wird. Die Einordnung solcher Produkte bestimme sich nach der vorrangigen Zweckbestimmung. Diese wiederum bestimme sich nach objektiven Merkmalen, welche maßgeblich für die Verkehrsanschauung seien. Im vorliegenden Fall sehe man das Produkt nicht in erster Linie als Mittel gegen Neurodermitis, sondern es werde als ein ergänzendes Pflegeprodukt betrachtet.

Damit hat das OLG Hamburg die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Vorinstanz zurückgewiesen.
Der Kläger nimmt die Beklagte noch im Hinblick auf ihre Produktbezeichnung “AtopiControl” wegen Unterlassung in Anspruch.

Der Kläger hält eine Selbstkontrollfunktion der pharmazeutischen Industrie inne. Unter anderem befasst er sich mit der Kontrolle öffentlicher Werbung für Medikamente und ähnliche Produkte. Die Beklagte ist ein Kosmetikunternehmen, das auch Mittel zur Körperpflege herstellt und verkauft.
Unter der Marke X bringt sie auch medizinisch-kosmetische Hautpflegeprodukte heraus.
Der Begriff “Atopie” bezeichne eine genetische Prädisposition für diverse Manifestationen von Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut und der Schleimhaut, die sich als atopisches Ekzem darstellen und manifestieren könne. In Industriestaaten seien bis zu 20 % aller Kinder und 3 % aller Erwachsenen von Neurodermitis betroffen. Diese verlaufe meist schubweise mit akuten und latenten Phasen. Bei einer akuten Phase komme es zu Entzündungen der Haut mit starkem Juckreiz. Das werde mit kortisonhaltigen Cremes behandelt.

Die Beklagte verkauft sechs Produkte zur “Pflege mit medizinischem Anspruch” unter der Bezeichnung “AtopiControl”. Das seien im Einzelnen die Mittel “AtopiControl Creme”, “AtopiControl Gesichtscreme”, “AtopiControl Lotion”, “AtopiControl Dusch- und Badeöl”, “AtopiControl Akut Creme” sowie “AtopiControl Anti-Juckreiz Spray”.

Der Kläger mahnte die Beklagte deswegen ab und führte aus, dass die Bezeichnung “AtopiControl” in Verbindung mit werblichen Auskünften den falschen Eindruck erwecken würde, es handele sich um Produkte, mit denen eine Neurodermitis behandelt werden würde.

Die Beklagte ließ eine Schutzschrift hinterlegen. Sie führte gegenüber dem Kläger aus, dass ihre Produkte nicht als Arzneimittel ausgegeben werden. Das ergebe sich auch nicht aus der Benennung der Produkte. Hinsichtlich einzelner werblicher Angaben hat die Beklagte Unterlassungsverpflichtungserklärungen abgegeben, zum Teil mit sofortiger Wirksamkeit.

Mit seinem Verfügungsantrag vor Gericht hat der Kläger weitergehende Unterlassungsansprüche geltend gemacht. Der Verfügungsgrund liege vor und die Dringlichkeitsvermutung sei auch nicht widerlegt. Der Unterlassungsanspruch sei aus dem Wettbewerbsrecht begründet. Die AtopiControl-Produkte würden als Präsentations-Arzneimittel in den Umlauf gebracht, ohne dass sie als Arzneimittel zugelassen seien. Bezeichnung, Produktaufmachung und Bewerbung der Produkte seien zumindest irreführend.

Doch dieser Ansicht vermochte sich das OLG Hamburg nicht anzuschließen. Der
Verfügungsgrund liege zwar vor, denn die Dringlichkeitsvermutung sei tatsächlich nicht widerlegt worden.
Jedoch bestehe kein Verfügungsanspruch, denn die Beklagte biete weder Präsentationsarzneimittel an noch vertreibe sie solche Mittel. Einer Zulassung als Arzneimittel bedürfe es daher nicht. Es könne der Beklagten daher nicht verboten werden, die Mittel in der beanstandeten Form in den Verkehr zu bringen. Der Verbraucher erwarte auch nicht, dass es sich bei den Produkten um Arzneimittel handeln würde. Daran ändere auch die Bezeichnung
“Medizinische Hautpflege” nichts. Diese sei nicht irreführend, denn sie führe nicht dazu, dass Verbraucher davon ausgingen, es handele sich um ein Medikament.

OLG Hamburg, Urteil vom 16.07.2015, Az. 3 U 215/14

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