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Kontoinhaber haftet für Instagram-Post – auch wenn es die Tochter war

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Instagram gehört längst zum Alltag. Kosmetikerinnen, Freelancer, Gastronomen – sie alle nutzen Social Media, um ihre Arbeit zu zeigen, Vertrauen zu schaffen und Kunden zu gewinnen. Doch dabei wird häufig ein wichtiger Punkt übersehen: Die rechtliche Verantwortung für veröffentlichte Inhalte.

Ein aktueller Beschluss des Landgerichts Berlin (Az. 15 O 464/23 vom 27.09.2023) zeigt eindrucksvoll, wie riskant es sein kann, wenn man seinen Account oder sensible Inhalte unbedacht weitergibt – selbst innerhalb der Familie.

Der Fall: Urkunde auf Instagram – gepostet von der Tochter?

Im Zentrum des Falls stand der Instagram-Account einer zertifizierten Wimpernstylistin. Auf dem Profil wurde eine professionelle Urkunde sowie ein Qualitätssiegel gepostet:

  • „Top Kosmetikstudio 2023 – Sie gehören zu Deutschlands TOP-Kosmetikstudios“
  • „Global-Trust Deutschlands großer Firmen-Index“

Beide grafischen Elemente waren urheberrechtlich geschützt. Die Rechteinhaberin, die Antragstellerin im Verfahren, mahnte die Inhaberin des Instagram-Accounts ab – mit der Begründung, dass sie unberechtigt urheberrechtlich geschützte Werke veröffentlicht habe.

Die betroffene Stylistin versuchte, sich zu verteidigen – mit einem Argument, das auf den ersten Blick nachvollziehbar klingt: Der Beitrag stamme nicht von ihr, sondern von ihrer Tochter. Doch das LG Berlin ließ diese Ausrede nicht gelten.

Die rechtliche Frage: Wer haftet bei Urheberrechtsverstößen in Social Media?

Im Kern ging es um die sogenannte Störerhaftung im Urheberrecht: Wer kann verantwortlich gemacht werden, wenn jemand anderes – z.B. ein Familienmitglied über den eigenen Account rechtswidrig Inhalte veröffentlicht?

Das Gericht stützte sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 18.10.2001 – I ZR 22/99). Danach haftet als Störer, wer „willentlich und adäquat kausal“ zur Verletzung eines geschützten Rechts beiträgt – auch ohne selbst rechtswidrig gehandelt zu haben.

Im Klartext: Wer einem Dritten aktiv die Mittel bereitstellt, eine Rechtsverletzung zu begehen (z.B. durch Herausgabe von Zugangsdaten oder urheberrechtlich geschützten Materialien), haftet.

Die Argumentation des LG Berlin im Detail

Das Gericht stellte fest:

  1. Urkunde und Siegel sind urheberrechtlich geschützt
    Beide Gestaltungselemente seien persönliche geistige Schöpfungen im Sinne von § 2 UrhG und genössen damit Urheberrechtsschutz. Auch nach neuerer Rechtsprechung des BGH sei keine „gesteigerte Gestaltungshöhe“ mehr erforderlich, um Schutz zu genießen – eine Klarstellung, die insbesondere in der Designbranche große Bedeutung hat.
  2. Die Stylistin handelte willentlich – auch wenn sie nicht selbst gepostet hat
    Selbst wenn tatsächlich die Tochter den Beitrag gepostet habe, entlaste das die Stylistin nicht. Denn:
    • Die Tochter konnte den Post nur veröffentlichen, wenn ihr Zugang zu Account und Bildmaterial gewährt wurde.
    • Die Antragsgegnerin habe willentlich die nötigen Voraussetzungen geschaffen, damit der Beitrag online geht.
    • Diese Handlung reiche aus, um eine adäquat kausale Mitverursachung der Urheberrechtsverletzung anzunehmen.
  3. Unterlassungsanspruch unabhängig vom Verschulden
    Besonders relevant für Rechteinhaber: Das LG Berlin stellte klar, dass ein Unterlassungsanspruch (§ 97 Abs. 1 UrhG) kein Verschulden voraussetzt. Es spielt also keine Rolle, ob die Stylistin wusste, dass eine Urheberrechtsverletzung vorliegt – entscheidend ist die objektive Rechtsverletzung.

Wiederholungsgefahr, Eilbedürftigkeit und Unterlassung

Das Gericht erkannte in der Veröffentlichung eine Wiederholungsgefahr:

Was bedeutet dieses Urteil in der Praxis?

1. Weitergabe von Zugangsdaten ist rechtlich heikel

Wer seine Zugangsdaten zu Social-Media-Accounts an andere weitergibt – sei es Partner, Freunde oder Kinder – trägt das rechtliche Risiko für alles, was diese Personen posten.

2. Urheberrecht gilt auch im Alltag

Viele Nutzer sind sich nicht bewusst, dass Urkunden, Logos, Grafiken oder Siegel urheberrechtlich geschützt sein können. Diese dürfen nicht ohne Erlaubnis verwendet werden – auch nicht zur „Eigenwerbung“ oder um die eigene Professionalität zu unterstreichen.

3. Keine Schuld erforderlich – schon die Mitwirkung genügt

Auch wer nicht selbst postet, kann haftbar sein – etwa durch Zurverfügungstellung von Materialien oder technischem Zugang. Das gilt auch im Familienkreis.

Fazit: Rechtliche Verantwortung endet nicht beim „Post-Klick“

Der Fall vor dem LG Berlin ist ein Musterbeispiel dafür, wie aus scheinbar harmlosen Alltagsentscheidungen echte rechtliche Risiken werden können. Es ist keine Seltenheit, dass Eltern ihren Kindern Instagram-Zugänge überlassen oder ihnen Bilder zur Bearbeitung geben – doch das kann teuer werden.

Für Unternehmen, Selbstständige und Privatpersonen gilt daher:

  • Verwenden Sie nur Inhalte, an denen Sie Rechte haben.
  • Geben Sie Zugangsdaten nie leichtfertig weiter.
  • Sorgen Sie für klare Verantwortlichkeiten im Team oder in der Familie.

Und im Zweifel: Lassen Sie sich frühzeitig rechtlich beraten, bevor ein Instagram-Post rechtliche Folgen hat.

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