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Kommanditist hat keinen Anspruch auf Löschung seines Geburtsdatums und Wohnorts aus dem Handelsregister

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Im digitalen Zeitalter gewinnt der Datenschutz zunehmend an Bedeutung. Doch was passiert, wenn das Interesse an Schutz personenbezogener Daten mit dem Bedürfnis der Öffentlichkeit nach rechtlicher Transparenz kollidiert? Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Beschluss vom 23.01.2024 (Az. II ZB 8/23) klargestellt, dass ein Kommanditist keinen Anspruch auf Löschung seines Geburtsdatums und Wohnorts aus dem Handelsregister hat – selbst wenn er sich auf die DSGVO beruft.

Sachverhalt: Wer klagte und warum?

Der Antragsteller war Kommanditist einer GmbH & Co. KG. Als solcher wurde er – wie gesetzlich vorgeschrieben – im Handelsregister eingetragen. Die Eintragung umfasste neben seinem Namen auch sein Geburtsdatum und seinen Wohnort.

Was ungewöhnlich war: Der Antragsteller wies auf eine besondere Gefährdungslage hin. Aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit im Umgang mit Sprengstoff fürchtete er um seine persönliche Sicherheit. Aus diesem Grund verlangte er die Löschung bzw. die Einschränkung der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten aus dem öffentlich einsehbaren Handelsregister. Der Antrag basierte im Wesentlichen auf den datenschutzrechtlichen Regelungen der DSGVO, insbesondere auf Artikel 17 (Recht auf Löschung – „Recht auf Vergessenwerden“) und Artikel 18 (Recht auf Einschränkung der Verarbeitung).

Das Amtsgericht und später auch das Oberlandesgericht lehnten den Antrag ab. Daraufhin wandte sich der Antragsteller im Wege der Rechtsbeschwerde an den BGH.

Die Entscheidung des BGH: Kein Anspruch auf Löschung oder Einschränkung der Datenverarbeitung

Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Dabei stützte sich das Gericht auf eine umfassende rechtliche Würdigung, die sich auf mehrere Normen des Handelsgesetzbuches (HGB) und der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bezog.

Leitsätze der Entscheidung:

  1. Kein Löschungsanspruch: Ein Kommanditist hat keinen Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO auf Löschung seines Geburtsdatums und Wohnorts aus dem Handelsregister.
  2. Keine Einschränkung der Verarbeitung: Ebenso besteht kein Anspruch auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 lit. d und Art. 21 Abs. 1 DSGVO.

Die rechtlichen Erwägungen im Detail

1. Gesetzliche Pflicht zur Eintragung im Handelsregister

Nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a HGB ist bei der Anmeldung einer Kommanditgesellschaft zwingend das Geburtsdatum und der Wohnort des Kommanditisten anzugeben. Diese Informationen sind keine bloße Formalität, sondern dienen dem Zweck, die Person eindeutig zu identifizieren und von anderen gleichnamigen Personen zu unterscheiden.

Die Eintragung hat konstitutive Wirkung und ist öffentlich einsehbar (§ 9 HGB). Diese „Publizität des Handelsregisters“ ist eine tragende Säule der Rechtssicherheit im kaufmännischen Verkehr.

2. Keine Anwendung des Art. 17 Abs. 1 DSGVO (Recht auf Löschung)

Art. 17 DSGVO regelt das „Recht auf Vergessenwerden“, d.h., betroffene Personen können unter bestimmten Voraussetzungen verlangen, dass ihre personenbezogenen Daten gelöscht werden.

Doch Art. 17 Abs. 3 DSGVO enthält Ausnahmen: Eine Löschung ist nicht erforderlich, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt (Art. 17 Abs. 3 lit. b DSGVO).

Der BGH betont, dass das Registergericht aufgrund des HGB gesetzlich verpflichtet ist, die Daten zu verarbeiten. Es handelt sich hierbei um eine rechtsstaatlich legitimierte Verarbeitung im öffentlichen Interesse.

3. Keine Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 DSGVO

Der Antragsteller hatte alternativ verlangt, die Verarbeitung seiner Daten zumindest einzuschränken – beispielsweise durch eine eingeschränkte Sichtbarkeit im Register.

Doch auch dies lehnte der BGH ab. Art. 18 Abs. 1 lit. d DSGVO sieht eine Einschränkung nur dann vor, wenn die betroffene Person Widerspruch nach Art. 21 DSGVO eingelegt hat und noch nicht feststeht, ob die berechtigten Gründe des Verantwortlichen überwiegen. Der BGH stellte jedoch klar, dass auch ein Widerspruch nach Art. 21 DSGVO hier nicht greift, da der Registerführer – das Handelsregister – nicht auf einer Interessenabwägung beruht, sondern auf einer klaren gesetzlichen Pflicht.

4. Öffentliches Interesse an Registertransparenz

Besonderes Gewicht legte der BGH auf den Zweck des Handelsregisters: Dieses solle dem „Schutz der Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs im kaufmännischen Bereich“ dienen. Hierzu sei es zwingend notwendig, dass Dritte – Geschäftspartner, Behörden, Investoren – sich zuverlässig über die wirtschaftlich Beteiligten an Gesellschaften informieren können.

Ein vollständiger und transparenter Handelsregistereintrag stärkt das Vertrauen in die Wirtschaft und vermeidet Missbrauch.

Auswirkungen der Entscheidung

Für Unternehmen:

Die Entscheidung bedeutet Rechtssicherheit. Kommanditisten (und auch andere Beteiligte wie Geschäftsführer, Gesellschafter oder Prokuristen) müssen damit rechnen, dass ihre Daten öffentlich einsehbar bleiben.

Für Datenschutz:

Das Urteil zeigt exemplarisch, dass der Datenschutz im Konflikt mit anderen höherrangigen öffentlichen Interessen – wie der Rechtssicherheit im Wirtschaftsverkehr – zurücktreten kann.

Für die Praxis:

Berufliche Gefährdungen oder Sicherheitsinteressen reichen allein nicht aus, um Eintragungen zu unterbinden. Wer sich an einer Personengesellschaft beteiligt, muss mit der Veröffentlichung seiner Identifikationsdaten rechnen.

Fazit

Mit seinem Beschluss vom 23.01.2024 hat der BGH klargestellt: Die Pflichten zur Eintragung und Veröffentlichung personenbezogener Daten im Handelsregister überwiegen gegenüber individuellen Löschungs- und Widerspruchsrechten aus der DSGVO.

Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr und unterstreicht den hohen Stellenwert eines transparenten Handelsregisters in einer funktionierenden Marktwirtschaft. Auch wenn Datenschutz ein hohes Gut ist – er endet dort, wo gesetzliche Transparenzpflichten im öffentlichen Interesse eingreifen.

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