Kiss-Cam unzulässig? Rechtliche Einordnung nach deutschem Recht
Was ursprünglich als humorvoller Showeffekt gedacht war, steht plötzlich im Mittelpunkt einer ernsten rechtlichen Debatte: die sogenannte Kiss Cam. Dabei wird während eines Konzerts oder Sportevents ein Kamerabild auf die Videoleinwand übertragen – häufig von einem zufällig ausgewählten Pärchen im Publikum –, verbunden mit der unausgesprochenen Aufforderung, sich nun zu küssen. Der Effekt soll witzig, romantisch oder zumindest unterhaltsam sein. Doch nicht jeder empfindet das so.
Beim Coldplay-Konzert kam es zu genau einem solchen Fall – und dieser sorgte für Aufsehen. Eine Frau wurde während der Show gemeinsam mit einem männlichen Begleiter per Kiss Cam auf der Leinwand eingeblendet.
Dieser Vorfall wirft eine zentrale Frage auf: Darf man Menschen einfach ohne ihre Einwilligung auf einer Großleinwand in einer intimen Situation zeigen – und damit unter öffentlichen Druck setzen?
Der vorliegende Beitrag beleuchtet den Fall rechtlich und ordnet ihn in die geltende deutsche Rechtslage ein. Im Fokus stehen dabei das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Recht am eigenen Bild, datenschutzrechtliche Bestimmungen nach der DSGVO sowie mögliche strafrechtliche Implikationen. Gleichzeitig geht es um die Verantwortung von Veranstaltern – und darum, wie solche Aktionen künftig rechtssicher gestaltet werden können.
Was ist passiert? Der Fall beim Coldplay-Konzert in Boston
Kiss Cams zwischen Entertainment und Übergriff
Rechtliche Bewertung nach deutschem Recht
Besonderheiten bei Konzerten – der Coldplay-Fall im Fokus
Praktische Konsequenzen für Veranstalter
Fazit
Was Sie als Betroffener oder Veranstalter jetzt tun sollten
Was ist passiert? Der Fall beim Coldplay-Konzert in Boston
Am 16. Juli 2025 spielte die britische Band Coldplay ein ausverkauftes Konzert im Gillette Stadium bei Boston. Was als unvergesslicher Konzertabend begann, wurde für zwei Zuschauer zu einem öffentlichen Debakel – und weltweit zum viralen Skandal.
Im Laufe der Show blendeten die Veranstalter eine sogenannte Kiss Cam auf den Großbildschirm ein, ein in den USA gängiges Showelement. Die Kamera zeigte ein scheinbar vertrautes Paar in der Menge – der Mann versuchte sich verlegen wegzudrehen, während die Frau die unerwünschte Aufmerksamkeit mit versteinerter Miene ertrug. Der Moment wurde auf den riesigen Leinwänden übertragen.
Öffentliche Bloßstellung im Rahmen der Show
Was aus Sicht der Produktion wohl als heitere Einlage gedacht war, wirkte auf viele Zuschauer und besonders auf die Betroffenen wie eine öffentliche Vorführung. Das gezeigte Paar wurde unfreiwillig Teil der Show – mit eindeutiger Erwartungshaltung des Publikums und weltweit sichtbarer Reaktion. Die Körpersprache der Frau deutete klar darauf hin, dass sie mit der Situation nicht einverstanden war. Dennoch wurde das Bild großflächig ausgestrahlt – und später millionenfach geteilt.
Persönliche und berufliche Konsequenzen
Kurz nach dem Vorfall identifizierten Nutzer in sozialen Netzwerken die Personen auf dem Video als leitende Angestellte eines US-Softwareunternehmens. Der Mann war CEO, die Frau Personalchefin. Beide sahen sich massiver öffentlicher Aufmerksamkeit ausgesetzt, es kam zu einem regelrechten Shitstorm.
Viralität und gesellschaftliche Debatte
Die Szene verbreitete sich in Windeseile über TikTok, Instagram und X (ehemals Twitter). Innerhalb von 48 Stunden wurde der Clip mehr als 90 Millionen Mal angesehen. Die öffentliche Diskussion drehte sich schnell nicht mehr nur um das gezeigte Paar, sondern um eine grundsätzliche Frage: Darf man Menschen in einem solchen Moment ohne deren Einverständnis ins Zentrum der Show rücken – und sie damit unter sozialen Druck setzen?
Der Fall zeigt mit aller Deutlichkeit, wie schnell eine vermeintlich harmlose Inszenierung zur rechtlichen und menschlichen Belastung werden kann – und dass auch bei großen Veranstaltungen wie Konzerten das Persönlichkeitsrecht nicht an der Stadiontür endet.
Kiss Cams zwischen Entertainment und Übergriff
Ursprung, Funktionsweise und Entwicklung
Die sogenannte Kiss Cam stammt aus den USA und ist seit Jahrzehnten fester Bestandteil vieler Live-Veranstaltungen – insbesondere bei Sportevents. Dabei wird während einer Spielpause eine Kamera auf Zuschauerinnen und Zuschauer im Publikum gerichtet. Sobald ein vermeintliches Paar ins Bild kommt, wird dieses auf der Stadionleinwand eingeblendet – in der Regel mit einem dekorativen Rahmen und einem Herzsymbol. Die „Botschaft“ ist dabei unausgesprochen, aber eindeutig: Jetzt wird geküsst.
Das Konzept soll unterhalten, Emotionen schaffen, das Publikum einbinden. Und oft funktioniert das auch: Viele Besucher spielen mit, küssen sich lachend und winken in die Kamera. Doch die Realität ist komplexer. Denn nicht immer sind die gezeigten Personen ein Paar – oder überhaupt bereit, sich in einem solchen Moment auf der Großleinwand zu exponieren. Und genau hier beginnt das rechtliche und moralische Problem.
Unterschiede zwischen den USA und Deutschland
Während Kiss Cams in den USA weit verbreitet und von vielen als spaßige Showeinlage akzeptiert sind, ist das in Deutschland keineswegs selbstverständlich. Hierzulande ist die rechtliche Sensibilität für Persönlichkeitsrechte, Datenschutz und die Freiwilligkeit medialer Darstellung deutlich ausgeprägter.
In den Vereinigten Staaten gilt ein anderer rechtlicher Rahmen: Der Schutz der Privatsphäre ist dort – besonders im öffentlichen Raum – weit weniger stark ausgeprägt als im deutschen oder europäischen Recht. Die Einblendung eines Stadionbesuchers ohne dessen Einwilligung ist in den USA daher meist unproblematisch. In Deutschland dagegen gilt: Wer gefilmt, abgebildet oder öffentlich gezeigt wird, muss dem grundsätzlich zustimmen. Das gilt auch – oder gerade – bei emotional oder intimen Momenten wie einem Kuss.
Warum der kulturelle Kontext eine Rolle spielt
Neben den juristischen Unterschieden ist auch der gesellschaftliche und kulturelle Kontext nicht zu unterschätzen. In den USA gehört es für viele Besucherinnen und Besucher einfach „dazu“, bei einer Kiss Cam mitzumachen – sogar in der Erwartung, vielleicht selbst einmal eingeblendet zu werden. In Deutschland hingegen reagieren viele Menschen zurückhaltender, wenn es um öffentliche Nähe, romantische Gesten oder gar intime Berührungen geht. Was in amerikanischen Stadien als heiter gilt, kann hierzulande als unangenehm oder gar übergriffig empfunden werden.
Hinzu kommt: In einer Zeit, in der Themen wie Consent, Selbstbestimmung und Grenzüberschreitung gesellschaftlich immer mehr Beachtung finden, wirkt das Konzept der Kiss Cam zunehmend aus der Zeit gefallen. Wer heute ein solches Format unreflektiert einsetzt, riskiert nicht nur einen Imageschaden, sondern auch eine ernsthafte rechtliche Auseinandersetzung.
Rechtliche Bewertung nach deutschem Recht
Der Einsatz von Kiss Cams mag in amerikanischen Stadien zur Unterhaltungsroutine gehören – im deutschen Rechtsrahmen bewegen sich Veranstalter dagegen auf dünnem Eis. Denn wer Personen ungefragt ins Rampenlicht stellt, riskiert gleich mehrere Rechtsverletzungen. Die entscheidenden Vorschriften finden sich im Grundgesetz, im Kunsturhebergesetz (KUG), in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und teilweise sogar im Strafgesetzbuch (StGB).
Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG)
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Freiheit und Würde jedes Einzelnen – insbesondere das Recht, selbst zu bestimmen, wann und wie man in der Öffentlichkeit erscheint. Eine Kiss Cam greift genau in dieses Recht ein, wenn sie Menschen ohne deren Wissen oder Zustimmung auf eine riesige Leinwand überträgt – und dabei zusätzlich eine intime oder romantische Geste erwartet.
Das Bundesverfassungsgericht betont regelmäßig, dass gerade bei Situationen mit emotionalem oder privatem Charakter ein besonders sensibler Umgang geboten ist. Wird jemand auf einer Großbildleinwand mit der impliziten Erwartung vorgeführt, sich zu küssen, kann das eine Verletzung der Intimsphäre darstellen – vor allem, wenn die Person sich sichtbar unwohl fühlt oder sich sogar abwendet.
Recht am eigenen Bild (§§ 22, 23 KUG)
Neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist auch das Recht am eigenen Bild einschlägig. Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse von Personen nur mit deren Einwilligung veröffentlicht oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Eine Live-Übertragung auf eine Stadionleinwand fällt darunter.
Zwar kennt § 23 KUG Ausnahmen – etwa für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte oder für Menschen als „Beiwerk“ bei Versammlungen – doch diese greifen bei einer gezielten Kameraeinblendung mit Showeffekt gerade nicht. Die Kiss Cam zeigt einzelne Personen in Großaufnahme – mit klarer Fokussierung auf ihre Reaktion. Das ist kein „Beiwerk“, sondern der Kern des Geschehens.
Fehlt die vorherige, freiwillige und informierte Einwilligung, liegt somit eine rechtswidrige Veröffentlichung vor – auch dann, wenn das Bild nicht gespeichert, sondern nur kurzzeitig live gezeigt wird.
Datenschutzrechtliche Aspekte (DSGVO)
Wird die Kiss-Cam-Szene aufgezeichnet, gestreamt oder gespeichert – etwa für Social-Media-Zwecke – kommt zusätzlich das Datenschutzrecht ins Spiel. Denn Bildaufnahmen einer identifizierbaren Person sind personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO.
Sowohl die Erhebung (Kameraaufnahme) als auch die Verarbeitung (Live-Übertragung, ggf. Weiterverbreitung) bedürfen einer Rechtsgrundlage – und in den meisten Fällen ist das nur die Einwilligung der betroffenen Person (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO).
Ein bloßer Hinweis in den AGB oder am Eingang zur Veranstaltung reicht dafür nicht aus. Die betroffene Person muss aktiv zustimmen, und sie muss wissen, worin genau sie einwilligt. Bei einer zufälligen Kiss-Cam-Einblendung ist das faktisch nicht gegeben.
Veranstalter oder Produktionsfirmen, die gegen diese Vorgaben verstoßen, riskieren Bußgelder nach Art. 83 DSGVO und ggf. Schadensersatzforderungen der Betroffenen.
Strafrechtliche Aspekte
Auch wenn eine Kiss Cam primär zivilrechtlich und datenschutzrechtlich relevant ist, kann im Einzelfall auch das Strafrecht berührt sein. Denkbar sind insbesondere folgende Delikte:
- Beleidigung (§ 185 StGB): Wenn durch die öffentliche Darstellung eine entwürdigende Wirkung erzielt wird – etwa durch lächerlich Machen oder Bloßstellung.
- Nötigung (§ 240 StGB): Falls der öffentliche Druck so stark ist, dass eine Person sich genötigt fühlt, etwas gegen ihren Willen zu tun – etwa einen Kuss zu erwidern.
- Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB): In besonders sensiblen Fällen kann bereits die Aufnahme an sich strafbar sein – etwa bei deutlich erkennbarem Widerwillen.
Auch wenn diese Strafnormen in der Praxis nicht leicht zu erfüllen sind, zeigt sich doch: Wer Menschen öffentlich vorführt, überschreitet schnell eine rechtliche Grenze.
Besonderheiten bei Konzerten – der Coldplay-Fall im Fokus
Der Kiss-Cam-Vorfall beim Coldplay-Konzert hat deutlich gemacht, dass nicht nur Sportveranstaltungen rechtlich heikel sein können. Auch bei Konzerten sind die rechtlichen Spielregeln nicht außer Kraft gesetzt. Doch gelten dort dieselben Maßstäbe? Und wer trägt eigentlich die Verantwortung – der Künstler, der Veranstalter oder das Technikteam? Zeit, genauer hinzusehen.
Ist ein Popkonzert mit „Kiss Cam“ gleichzusetzen mit Sportevents?
Auf den ersten Blick mag es keinen Unterschied machen, ob eine Kiss Cam bei einem Basketballspiel oder bei einem Konzert zum Einsatz kommt – in beiden Fällen geht es um eine Liveveranstaltung mit großem Publikum. Juristisch jedoch lohnt sich die Differenzierung.
Bei Sportevents hat sich die Kiss Cam über Jahre hinweg als fester Bestandteil der Show etabliert. Viele Besucher wissen, dass sie theoretisch eingeblendet werden könnten. Bei Konzerten hingegen ist die Erwartungshaltung der Gäste meist eine andere: Sie kommen, um Musik zu genießen – nicht, um selbst Teil der Inszenierung zu werden. Die Einblendung auf eine Leinwand mit impliziter Kussaufforderung trifft das Publikum hier oft völlig unvorbereitet.
Zudem kommt bei Konzerten häufig ein zusätzlicher Emotionalisierungsfaktor hinzu: Das Licht, die Musik, die Inszenierung – all das verstärkt die Wirkung einer solchen Einblendung und macht die Situation noch unangenehmer, wenn die gezeigte Person sich unwohl fühlt. Die Grenzüberschreitung wird dadurch intensiver wahrgenommen.
Rolle von Produktionsfirmen und Veranstaltern
In der rechtlichen Verantwortung stehen bei solchen Vorfällen in erster Linie die Veranstalter sowie ggf. beauftragte Produktionsfirmen. Sie entscheiden über die inhaltliche Gestaltung der Show, stellen das technische Equipment bereit und beauftragen Personal für die Bildregie. Wer für die Durchführung der Kiss Cam verantwortlich ist, muss daher auch dafür sorgen, dass rechtliche Standards eingehalten werden.
Dass der betroffene Künstler – in diesem Fall Coldplay – nicht unmittelbar haftet, entbindet ihn nicht von einer gewissen Mitverantwortung. Denn die Show wird im Namen und unter dem Label der Band produziert. Wo genau die Grenze zwischen organisatorischer Verantwortung und inhaltlicher Kontrolle verläuft, hängt vom Einzelfall ab, spielt aber spätestens dann eine Rolle, wenn es um Fragen der Haftung, des Unterlassungsanspruchs oder um mögliche DSGVO-Verstöße geht.
Kulturelle Inszenierung vs. Schutz der Intimsphäre
Ein Konzert ist immer auch ein Gesamtkunstwerk – mit Licht, Ton, Effekten und Interaktionen. Doch selbst wenn solche Elemente zur Inszenierung gehören, dürfen sie nicht auf Kosten der persönlichen Integrität Einzelner umgesetzt werden. Der Wunsch nach einem besonderen Showmoment darf nicht dazu führen, dass Menschen ohne Einwilligung emotional oder sozial bloßgestellt werden.
Gerade in einer Zeit, in der das Bewusstsein für Privatsphäre, Konsens und psychische Belastungen wächst, ist es riskant, auf Formate zu setzen, die auf Überraschung und sozialen Druck beruhen. Eine Kiss Cam, die das Verhalten von Einzelpersonen öffentlich sichtbar beeinflusst oder gar erzwingen will, steht im klaren Spannungsverhältnis zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung und zur Achtung der Menschenwürde.
Der Coldplay-Fall zeigt eindrücklich, dass auch international gefeierte Künstler und ihre Produktionsfirmen nicht von diesen Grundsätzen entbunden sind – und dass Unterhaltung dort ihre Grenzen findet, wo sie in fremde Lebensbereiche eindringt.
Praktische Konsequenzen für Veranstalter
Der Fall Coldplay hat gezeigt, dass der Einsatz von Kiss Cams kein harmloser Showgag ist, sondern ein rechtlich hochsensibles Format. Für Veranstalter – egal ob Konzert, Sportevent oder Volksfest – bedeutet das: Wer eine Kiss Cam einsetzen möchte, muss sehr genau wissen, wo die rechtlichen Grenzen verlaufen. Im Zweifel ist weniger Show manchmal mehr Rechtssicherheit.
Anforderungen an Einwilligung (ausdrücklich und freiwillig)
Kernpunkt aller rechtlichen Überlegungen ist die Einwilligung der betroffenen Person. Sowohl nach dem Kunsturhebergesetz (§ 22 KUG) als auch nach der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO) darf eine Person nur dann gefilmt und öffentlich gezeigt werden, wenn sie dem vorher ausdrücklich zugestimmt hat.
Diese Einwilligung muss:
- informiert erfolgen – die Person muss genau wissen, worin sie einwilligt (z. B. Kiss Cam, Liveübertragung, mögliche Speicherung),
- freiwillig erfolgen – also ohne sozialen oder organisatorischen Druck,
- und jederzeit widerrufbar sein.
Ein bloßer Hinweis auf Videoaufnahmen am Eingang („Mit dem Betreten stimmen Sie zu…“) genügt nicht. Auch eine allgemeine AGB-Klausel reicht nicht aus. Besonders heikel ist es, wenn das Kamera-Team gezielt Personen auswählt, die gar nicht wissen, dass sie gerade Teil eines Showsegments werden.
Transparenzpflichten vor und während der Veranstaltung
Wer eine Kiss Cam rechtssicher einsetzen will, muss das Publikum vorab transparent informieren. Möglich sind beispielsweise:
- Hinweisschilder am Eingang („Bei dieser Veranstaltung kann eine Kiss Cam eingesetzt werden“),
- Einspieler oder Ansagen vor Beginn,
- Live-Erklärungen durch Moderatoren („Wer nicht gefilmt werden möchte, kann sich mit einer Geste abwenden – wir respektieren das“).
Zudem sollte das Kamerateam angewiesen werden, nur auf Personen zu fokussieren, die sich bewusst in Szene setzen – etwa durch vorherige Anmeldung oder erkennbare Zustimmung. Wer sich beispielsweise aktiv meldet oder sichtbar lacht und winkt, kann eher als einwilligend angesehen werden – aber auch das ersetzt keine formale Einwilligung, wenn Zweifel bestehen.
Risikoanalyse: Wann wird aus Spaß ein Rechtsverstoß?
Nicht jede Kiss Cam ist automatisch rechtswidrig. Entscheidend ist die Art und Weise der Durchführung. Typische Risikofaktoren sind:
- Überraschungseffekt: Wird jemand ohne Vorwarnung und ohne Chance zur Ablehnung gezeigt?
- Intimität: Geht es um romantische oder körperliche Gesten – etwa Küsse oder Umarmungen?
- Publikumsreaktion: Wird durch die Einblendung soziale Erwartung aufgebaut? Kommt es zu Spott oder Lachen?
- Kontext: Handelt es sich um ein anonymes Großevent oder um eine Veranstaltung mit eher privatem Charakter?
Je mehr dieser Punkte zutreffen, desto höher ist das Risiko, dass aus einem geplanten Showmoment ein rechtlich problematischer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht wird. Veranstalter sind deshalb gut beraten, solche Formate entweder gänzlich zu überdenken – oder mit klaren Schutzmechanismen zu versehen.
Fazit
Kiss Cams mögen in der internationalen Eventkultur ein beliebtes Unterhaltungselement sein – doch im deutschen Rechtssystem bewegen sie sich auf einem schmalen Grat zwischen Spaß und Persönlichkeitsverletzung. Was auf der Leinwand für Sekunden zur Belustigung beiträgt, kann für die Betroffenen ein Eingriff in ihre Intimsphäre, ein Verstoß gegen Datenschutzvorgaben oder sogar eine Demütigung sein.
Der Fall Coldplay hat eindrücklich gezeigt, wie schnell sich ein solcher Moment verselbstständigt – mit persönlichen, beruflichen und rechtlichen Folgen. Zwangsromantik gehört nicht in die Öffentlichkeit. Niemand sollte sich gedrängt fühlen, auf Zuruf der Kamera eine private Geste zu zeigen – erst recht nicht unter dem Druck tausender Zuschauer und viraler Netzwerke.
Für Veranstalter ergibt sich daraus ein klarer Auftrag: Verantwortung übernehmen, klare Regeln schaffen und die Grenzen des Erlaubten kennen. Wer auf rechtlich problematische Formate wie die Kiss Cam nicht verzichten möchte, muss sich zwingend mit Fragen der Einwilligung, Transparenz und Datensicherheit auseinandersetzen. Und zwar nicht als nachträgliche Schadensbegrenzung – sondern als vorausschauende Veranstaltungsplanung.
Denn auch im Eventbereich gilt: Routine schützt nicht vor Rechtsverstößen. Erst das Recht schafft Klarheit – für Veranstalter, für Künstler und vor allem für die betroffenen Menschen im Publikum.
Was Sie als Betroffener oder Veranstalter jetzt tun sollten
Für betroffene Zuschauerinnen und Zuschauer
Wenn Sie bei einer Veranstaltung unfreiwillig per Kiss Cam eingeblendet wurden, stehen Sie nicht schutzlos da. Das deutsche Recht schützt Ihre Persönlichkeit, Ihre Privatsphäre und Ihr Bildnis – auch inmitten eines großen Publikums.
Folgende Rechte können Ihnen zustehen:
- Unterlassung: Sie können verlangen, dass die Veranstalter derartige Eingriffe künftig unterlassen.
- Löschung von Aufnahmen: Wurde die Szene aufgezeichnet oder in sozialen Netzwerken veröffentlicht, haben Sie ein Recht auf Entfernung der Inhalte.
- Schadensersatz nach DSGVO: Haben Sie unter dem Vorfall gelitten oder wurden Ihre Daten unzulässig verarbeitet, kann auch ein Anspruch auf Geldentschädigung bestehen.
- Geldentschädigung nach dem Kunsturhebergesetz: Bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist auch eine Entschädigung möglich – unabhängig von einem wirtschaftlichen Schaden.
Diese Ansprüche durchzusetzen ist oft mit Unsicherheiten verbunden – gerade wenn es gegen große Veranstalter, Agenturen oder Konzerne geht. Hier ist professionelle Hilfe gefragt.
Für Veranstalter, Agenturen und Produktionsfirmen
Wenn Sie als Veranstalter planen, eine Kiss Cam oder ähnliche Formate einzusetzen, sollten Sie sich frühzeitig rechtlich absichern. Eine kreative Showidee darf nicht zur juristischen Stolperfalle werden.
Wir beraten Sie unter anderem zu:
- Zulässigkeit und Grenzen der Live-Übertragung
- Einwilligungslösungen in der Praxis
- Hinweispflichten und DSGVO-konformer Umsetzung
- Risikominimierung durch technische und organisatorische Maßnahmen
Warum anwaltliche Unterstützung entscheidend ist
Ob Betroffener oder Veranstalter – die rechtliche Bewertung von Kiss-Cam-Vorfällen ist komplex und immer einzelfallabhängig. Gerade bei emotionalen und öffentlichkeitswirksamen Vorfällen zählt nicht nur der juristische Buchstabe, sondern auch der richtige Ton im Vorgehen.
Unsere Kanzlei ist auf Persönlichkeitsrechte, Datenschutz und Medienrecht spezialisiert. Wir helfen Ihnen:
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