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Keine starren Fristen für die Dringlichkeit

OLG Hamburg, Urteil vom 10.11.2014, Az. 5 U 159/13
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Das Oberlandesgericht Hamburg hat bestätigt, dass bei Dringlichkeitsvermutungen in Eilverfahren keine festen Fristen zur Anwendung kommen. Vielmehr ist grundlegend, ob längeres Zuwarten der Antragstellerin nötig ist.

Im vorliegenden Fall war die Beklagte Inhaberin einer Internet-Domain. Aufgrund von Wettbewerbsverstößen hatte die Klägerin eine Abmahnung beantragt. Die entsprechenden Internetseiten, die Gegenstand dieses Verfahrens waren, hatte die Klägerin am 22.04.2013 als Ausdrucke beim Gericht eingereicht. Die eigentliche Abmahnung erfolgte jedoch erst am 28.05.2013. Den Verfügungsantrag hat die Klägerin sogar erst am 07.08.2013 bei Gericht eingereicht. Somit hat die Klägerin sechs Wochen und vier Tage verstreichen lassen, bis das Gericht handlungsbefugt war.

Die Abmahnung wollte die Klägerin nun in einem Eilverfahren durchsetzen lassen. Dafür hätte sie allerdings Gründe vorbringen müssen, weshalb sie mehr als sechs Wochen hat verstreichen lassen, um ihre Ansprüche geltend zu machen. Die Klägerin gab nun an, dass sie an anderer Stelle weitere Nachforschungen habe anstellen müssen. Worum es sich dabei konkret gehandelt hat, ließ sie dabei allerdings offen. Die dem Oberlandesgericht Hamburg tatsächlich bekannten Recherchemaßnahmen der Klägerin bestanden demnach lediglich aus der Ermittlung des Inhabers der Domain.

Entsprechend urteilte das Oberlandesgericht Hamburg folgendermaßen: Es rät der Antragstellerin dringend, den Verfügungsantrag zurückzunehmen. Die Ermittlung eines Domain-Inhabers ließe sich innerhalb weniger Minuten ermitteln. Weitere Recherchemaßnahmen habe die Klägerin nicht vorbringen können. Damit sei das verhältnismäßig lange Zuwarten der Klägerin unter keinen Umständen gerechtfertigt. Und – so mutmaßte das Oberlandesgericht Hamburg – der Klägerin sei es mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche tatsächlich nicht eilig gewesen. Entsprechend sei der Bewilligung eines Eilverfahrens in diesem Fall nicht stattzugeben.

Interessant ist dieses Urteil dahingehend, dass das Oberlandesgericht Hamburg hier nicht die sonst übliche Dringlichkeitsfrist von zwei Monaten gewährt hat. Tatsächlich wird der Gerichtsstand Hamburg sonst üblicherweise als letzte Bastion für derartige Fälle gesehen. Auch Tatbestände, die einen geringen Rechercheaufwand bedürfen, wären demnach innerhalb einer Frist von zwei Monaten als Eilverfahren zu verhandeln. Davon ist das Oberlandesgericht Hamburg hier nun abgewichen, indem es auch die genauen Umstände des Falles berücksichtigt hat. Die längere Untätigkeit der Antragstellerin war demnach dringlichkeitsschädlich.

Bemerkenswerterweise ähnelt dieses Urteil dem Fall OLG Hamburg, Urteil vom 07.02.2007, Az. 5 U 140/07, wo es um den Erwerb von gebrauchten Softwarelizenzen ging. Auch hier hatte die Antragstellerin einen längeren Zeitraum verstreichen lassen, bis sie ihre Ansprüche geltend machen wollte. Und auch hier urteilte das Oberlandesgericht Hamburg zu Gunsten der Antragsgegnerin, indem es feststellte, dass es der Antragstellerin mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche nicht eilig gewesen sei.

Es ist demnach festzustellen, dass derartige Eilverfahren auch in Zukunft stets als Einzelfallentscheidung behandelt werden. Die jeweilige Antragstellerin muss also den Willen erkennen lassen, dass es ihr mit dem Verfügungsantrag ernst ist. Etwaige Recherchemaßnahmen haben zeitnah zu erfolgen. Auf eine Pauschalfrist von zwei Monaten kann sich die jeweilige Antragstellerin nicht verlassen.

OLG Hamburg, Urteil vom 10.11.2014, Az. 5 U 159/13

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