Keine Schwärzung von Unterschriften im Handelsregister: DSGVO findet keine Anwendung

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat seit ihrem Inkrafttreten 2018 für tiefgreifende Veränderungen im Umgang mit personenbezogenen Daten gesorgt. Doch nicht überall hat sie Geltung – wie das OLG Naumburg jüngst klargestellt hat. Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage: Darf eine einmal im Handelsregister veröffentlichte Unterschrift später geschwärzt oder entfernt werden? Die Antwort: Nein.
Im Beschluss vom 11.01.2024 (Az.: 5 Wx 14/22) hat das OLG Naumburg entschieden, dass es keinen Anspruch auf Schwärzung der Unterschriften in Gesellschafterlisten gibt, die beim Handelsregister eingereicht wurden – auch nicht unter Berufung auf die DSGVO. Die Entscheidung ist ein wichtiges Signal für Rechtssicherheit, Registerklarheit und die Reichweite der DSGVO.
I. Sachverhalt des Verfahrens
Im konkreten Fall ging es um mehrere Gesellschafter einer GmbH, die nachträglich die Schwärzung ihrer Unterschriften auf den von ihnen unterzeichneten Gesellschafterlisten verlangten. Diese Listen wurden – wie gesetzlich vorgesehen – im Zuge der Handelsregistereintragung der GmbH eingereicht und dort veröffentlicht.
Die Gesellschafter argumentierten, dass die Veröffentlichung ihrer handschriftlichen Signaturen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoße, insbesondere gegen die DSGVO. Sie stützten sich auf:
- Art. 17 DSGVO („Recht auf Löschung“)
- Art. 16 DSGVO („Recht auf Berichtigung“)
- Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)
- sowie die Grundrechte aus der EU-Grundrechtecharta, insbesondere Art. 7 und 8 GRCh (Privatleben & Datenschutz)
Die Antragsteller wollten weder das gesamte Dokument löschen noch austauschen lassen – sie verlangten ausschließlich die Unkenntlichmachung (Schwärzung) ihrer Unterschriften, die sie selbst in der Vergangenheit geleistet hatten.
II. Entscheidung des OLG Naumburg (Beschl. v. 11.01.2024 – Az.: 5 Wx 14/22)
Das OLG Naumburg wies die Beschwerde in vollem Umfang zurück. Seine Begründung ist differenziert und vielschichtig. Es stellte klar, dass die DSGVO im Bereich des Handelsregisters nicht uneingeschränkt anwendbar ist, insbesondere nicht hinsichtlich der Löschung oder Schwärzung eingereichter Dokumente.
III. Die drei zentralen Prüfungsaspekte des Gerichts
1. Kein Anspruch aus Art. 17 DSGVO – Das „Recht auf Vergessenwerden“ greift nicht
Die Kläger beriefen sich vorrangig auf Art. 17 Abs. 1 DSGVO, der betroffenen Personen grundsätzlich ein Recht auf Löschung ihrer personenbezogenen Daten einräumt („Recht auf Vergessenwerden“). Doch das Gericht verneinte diesen Anspruch unter Berufung auf Art. 17 Abs. 3 lit. b DSGVO.
„Das von den Beteiligten reklamierte Recht auf Löschung gem. Art. 17 Abs. 1 DSGVO findet aufgrund der Ausnahmevorschrift des Art. 17 Abs. 3 lit. b DSGVO im Registerwesen keine Anwendung.“
Diese Vorschrift sieht vor, dass das Recht auf Löschung nicht gilt, wenn:
- die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, oder
- zur Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse, bzw.
- in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt.
Genau das sei im Fall des Handelsregisters gegeben, so das Gericht. Die Führung eines öffentlich zugänglichen Handelsregisters ist eine hoheitliche Aufgabe, die der Wahrung der Rechtssicherheit und Transparenz im Wirtschaftsverkehr dient. Diese Aufgabe rechtfertigt die Speicherung und Veröffentlichung personenbezogener Daten – einschließlich Unterschriften.
Das Gericht verwies zudem auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache „Salvatore Manni“ (EuGH, Urt. v. 9.3.2017 – C-398/15), wo bereits entschieden wurde, dass die Publizität des Handelsregisters Vorrang vor dem Datenschutz hat – es sei denn, es liegt ein besonders schutzbedürftiger Ausnahmefall vor. Ein solcher sei im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
2. Kein Anspruch aus Art. 16 DSGVO – Keine Unrichtigkeit der Daten
Ein weiteres Argument der Kläger war der Berichtigungsanspruch nach Art. 16 DSGVO. Sie führten an, dass durch die Offenlegung ihrer Unterschrift ein unrichtiger Eindruck entstehen könnte oder ein Missbrauchsrisiko bestehe.
Doch das OLG machte deutlich:
„Auch auf Art. 16 Abs. 1 DSGVO können sich die Beteiligten nicht berufen. Denn der dort geregelte Berichtigungsanspruch setzt eine – hier nicht gegebene – unrichtige Angabe in Bezug auf personenbezogene Daten voraus.“
Die Unterschriften waren faktisch korrekt. Ein Berichtigungsanspruch kommt nur bei objektiv falschen Angaben in Betracht – etwa falschen Namen oder Geburtsdaten. Eine wahrheitsgemäß geleistete Signatur ist davon nicht erfasst.
3. Kein Anspruch aus nationalen oder europäischen Grundrechten
Die Antragsteller verwiesen zusätzlich auf ihre Grundrechte:
- Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)
- Recht auf Achtung des Privatlebens und Datenschutz (Art. 7 und 8 GRCh)
Interessanterweise räumt das Gericht ein, dass die ursprüngliche Einwilligung zur Veröffentlichung durch die Unterschrift bei Einreichung der Unterlagen nicht dauerhaft fortwirkt – insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Handelsregister durch die Umsetzung der EU-Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) nun kostenfrei digital und öffentlich zugänglich ist.
Trotzdem verweist das OLG auf eine wichtige Schranke:
„Ein grundrechtlicher (Folgen-)Beseitigungsanspruch ist insoweit begrenzt, als die in der Rechtsfolge begehrte Handlung rechtlich und tatsächlich möglich sein muss.“
Im Klartext: Auch ein grundrechtlich begründeter Anspruch darf nicht dazu führen, dass Registerdokumente nachträglich verändert werden – dies würde gegen das Prinzip der Registerwahrheit und Registerbeständigkeit verstoßen.
IV. Keine Hilfe durch § 9 Abs. 7 HRV
Die Antragsteller versuchten sich außerdem auf die 2022 eingeführte Vorschrift des § 9 Abs. 7 Handelsregisterverordnung (HRV) zu stützen. Diese erlaubt in bestimmten Fällen den Austausch von Dokumenten im Register.
Doch das OLG stellte klar:
- § 9 Abs. 7 HRV erlaubt nur den Austausch eines Dokuments durch ein neues.
- Nicht erlaubt ist hingegen die Veränderung eines bereits eingereichten Dokuments.
- Zudem muss der Austausch durch den zuständigen Notar erfolgen, nicht durch die Beteiligten selbst (§ 12 Abs. 2 HGB).
Auch dieser Versuch der Antragsteller war damit erfolglos.
V. Bedeutung und Auswirkungen der Entscheidung
Die Entscheidung hat erhebliche praktische Relevanz:
- Dauerhafte Einsehbarkeit:
Unterschriften auf eingereichten Registerdokumenten bleiben dauerhaft öffentlich einsehbar – auch online. - DSGVO im Registerwesen nur eingeschränkt anwendbar:
Die DSGVO findet im hoheitlich geführten Registerwesen nur unter Beachtung ihrer Ausnahmevorschriften Anwendung. - Veränderung veröffentlichter Dokumente ausgeschlossen:
Zum Schutz der Registerwahrheit ist eine nachträgliche Schwärzung oder Bearbeitung ausgeschlossen. - Sorgfalt bei Einreichung erforderlich:
Beteiligte sollten sich vor Einreichung bewusst sein, dass die eingereichten Unterlagen (inkl. Signaturen) öffentlich und dauerhaft einsehbar sind.
VI. Fazit: Kein Löschungs- oder Schwärzungsanspruch im Handelsregister
Das OLG Naumburg hat in seinem Beschluss vom 11.01.2024 (Az.: 5 Wx 14/22) einen klaren Vorrang der Registerpublizität vor datenschutzrechtlichen Interessen festgestellt. Eine nachträgliche Schwärzung von Unterschriften ist ausgeschlossen.
Die Entscheidung ist dogmatisch überzeugend, europarechtskonform und schafft Rechtssicherheit. Sie mahnt aber auch zur größeren Sensibilität im Umgang mit personenbezogenen Daten bei der Registereinreichung. Wer nicht möchte, dass seine Unterschrift dauerhaft öffentlich wird, sollte sich frühzeitig beraten lassen – oder prüfen, ob z. B. elektronische Signaturen oder Vertretungslösungen rechtlich zulässig sind.
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