Keine Kostenauferlegung bei unpräziser Abmahnung

Einleitung: Abmahnungen und die Sache mit der Genauigkeit
Abmahnungen sind im Wettbewerbs-, Marken- oder Urheberrecht ein alltägliches Mittel, um Ansprüche außergerichtlich durchzusetzen. Doch was passiert, wenn die Abmahnung so vage ist, dass der Empfänger nicht weiß, was genau ihm eigentlich vorgeworfen wird? Muss er trotzdem zahlen – und wenn ja, wofür eigentlich?
Genau darum ging es in einem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 25. Februar 2025 (Az.: 6 W 12/24). Die Entscheidung zeigt auf eindrucksvolle Weise, warum eine sorgfältige und präzise Abmahnung unerlässlich ist – und wann der Abgemahnte sich erfolgreich gegen die Kostenbelastung wehren kann.
Der Sachverhalt: Swiss Fragrance GmbH vs. Unternehmer
Im Mittelpunkt des Verfahrens stand eine Abmahnung, die von der Swiss Fragrance GmbH ausgesprochen wurde. Dem abgemahnten Unternehmer wurde vorgeworfen, Markenrechte verletzt zu haben. Doch die Abmahnung war derart ungenau, dass sie dem Betroffenen keine konkrete Möglichkeit bot, sein Verhalten zu prüfen oder gar zu ändern.
Die Mängel im Detail:
- Keine Angabe konkreter Produkte
- Kein Hinweis auf einen bestimmten Verstoß
- Keine Angabe von Zeit, Ort oder näheren Umständen
- Keine Screenshots oder sonstige Belege
Kurzum: Der Unternehmer konnte beim besten Willen nicht erkennen, worin genau der behauptete Markenrechtsverstoß liegen sollte.
Dennoch ging die Swiss Fragrance GmbH nach der erfolglosen Abmahnung weiter und beantragte eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Kiel – mit Erfolg. Der Unternehmer erkannte die einstweilige Verfügung sofort an, ohne sich zu verteidigen. Dennoch legte das Landgericht ihm die Kosten auf.
Daraufhin wehrte sich der Unternehmer mit einer sofortigen Beschwerde – und hatte damit beim OLG Schleswig Erfolg.
Die Entscheidung des OLG Schleswig: Az.: 6 W 12/24
Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht stellte klar:
Eine unpräzise Abmahnung gibt dem Gegner keinen Anlass, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten.
Deshalb sei es unbillig, dem Abgemahnten die Kosten aufzuerlegen.
Die Kernargumente des Gerichts:
- Die Abmahnung muss eine Prüfungs- und Reaktionsmöglichkeit eröffnen
- Der Empfänger muss in der Lage sein, selbst zu prüfen, ob der Vorwurf berechtigt ist.
- Das bedeutet: Der Vorwurf muss konkret genug sein, um zu erkennen, was genau abgestellt werden soll.
- Im konkreten Fall war dies nicht gegeben.
- Keine "Selbstverurteilungspflicht"
- Das Gericht betont ausdrücklich: Der Abgemahnte ist nicht verpflichtet, ohne konkreten Hinweis alle potenziellen Markenverstöße in seinem Unternehmen zu durchforsten.
- Eine solche "Generalinspektion" sei nicht zumutbar und rechtlich nicht erforderlich.
- Anerkenntnis trotz unklarer Abmahnung ändert nichts an der Kostenfrage
- Auch wenn der Unternehmer die Verfügung sofort anerkannt hat, bedeutet das nicht automatisch, dass er die Kosten tragen muss.
- Entscheidend ist, ob er durch die Abmahnung zu einem gerichtlichen Verfahren "veranlasst" wurde. Und das war hier nicht der Fall.
Rechtlicher Hintergrund: §§ 91 ff. ZPO & Abmahnpraxis
Im Zivilprozessrecht (§ 93 ZPO) gilt: Erkennt der Beklagte einen Anspruch sofort an und gab keinen Anlass zur Klage, darf er nicht mit den Kosten belastet werden.
Das OLG Schleswig hat diese Vorschrift nun auf den Bereich der einstweiligen Verfügung trotz vorheriger Abmahnung angewendet – weil diese eben unzureichend war. Ein bemerkenswerter Schritt, der die Rechte Abgemahnter stärkt.
Praxistipps für Unternehmen und Rechtsanwälte
Für Abmahner:
- Achten Sie auf Präzision! Eine Abmahnung sollte möglichst konkret sein:
- Nennung des konkreten Verstoßes
- Screenshot oder sonstige Beweise
- Genaue Benennung der betroffenen Produkte/Dienstleistungen
- Fehlende Sorgfalt kann teuer werden, denn bei unklarer Abmahnung riskieren Sie die Kosten eines Verfahrens – selbst wenn Sie gewinnen.
Für Abgemahnte:
- Unklare Abmahnung? Nicht vorschnell handeln!
- Prüfen Sie genau, ob der Vorwurf nachvollziehbar ist.
- Lassen Sie die Abmahnung ggf. rechtlich prüfen – besonders wenn sie diffus formuliert ist.
- Sofortiges Anerkenntnis mit Kostenvorbehalt
- Wenn Sie sich entscheiden, eine einstweilige Verfügung anzuerkennen, tun Sie das ausdrücklich mit dem Hinweis, dass Sie keine Veranlassung zur Klage gegeben haben.
Bewertung und Einordnung der Entscheidung
Diese Entscheidung des OLG Schleswig ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam:
- Stärkung des Rechts auf rechtliches Gehör und Fairness: Niemand soll sich gegen unklare Vorwürfe wehren müssen, ohne überhaupt zu wissen, was ihm genau vorgeworfen wird.
- Klarstellung der Anforderungen an eine rechtssichere Abmahnung
- Verbraucherschutz und Unternehmerschutz zugleich: Denn auch kleine Unternehmen oder Einzelunternehmer können sich nun besser gegen "vorgezogene" gerichtliche Verfahren wehren, wenn die Abmahnung nicht hinreichend konkret war.
Das Gericht setzt damit ein wichtiges Signal gegen das vorschnelle „Durchreichen“ in den Verfügungsweg.
Fazit: Präzision schützt – auf beiden Seiten
Die Entscheidung des OLG Schleswig zeigt: Wer abmahnt, muss es richtig tun. Unpräzise Vorwürfe reichen nicht – und können am Ende sogar teuer werden.
Für abgemahnte Unternehmen ist das eine gute Nachricht: Sie können sich künftig besser gegen nebulöse Abmahnungen wehren und ggf. die Kostenlast vermeiden. Für Rechtsanwälte ist es ein klarer Reminder: Qualität geht vor Schnelligkeit – und das beginnt schon beim Formulieren der Abmahnung.
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