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Keine wettbewerbswidrige Herkunftstäuschung bei Modeschmuck

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Design ist im Bereich Modeschmuck alles – doch wie viel Schutz genießt ein Design, das auf geometrischen Grundformen basiert? Das OLG Hamburg hat in einem Urteil vom 06.02.2025 (Az. 15 U 43/24) eine klare Grenze gezogen. Der zentrale Satz der Entscheidung lautet:

„Eine durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart reicht nicht aus, um ein Verbot wegen Herkunftstäuschung durchzusetzen.“

Der Fall bietet spannende Einblicke in die Grenzen des wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes, insbesondere bei Produkten des täglichen Gebrauchs mit eher schlichter Gestaltung wie Modeschmuck.

Der Fall: Streit um geometrische Halsketten

Die Klägerin – ein bekannter Modeschmuckhersteller – begehrte Unterlassung und Schadensersatz, weil ein Wettbewerber angeblich eine ihrer typischen Halsketten-Designs kopierte.
Im Mittelpunkt stand dabei die Schmucklinie „Geo-Cube“, deren Charakteristikum darin besteht, geometrische Formen wie Würfel, Zylinder und Strasssteine in sich wiederholender Abfolge auf eine Kette zu ziehen.

Die Beklagte hatte ähnlich gestaltete Halsketten vertrieben, die – aus Sicht der Klägerin – beim Verbraucher den Eindruck erweckten, sie stammten vom Originalhersteller.

Die rechtliche Frage: Wettbewerbsrechtlicher Schutz durch „wettbewerbliche Eigenart“?

Im Wettbewerbsrecht kann ein Produkt vor Nachahmung geschützt sein, wenn es eine sog. wettbewerbliche Eigenart besitzt (§ 4 Nr. 3 UWG).
Dafür muss das Produkt bestimmte Merkmale aufweisen, die es von der Masse abheben – z.B. durch ein originelles Design, eine ungewöhnliche Form oder eine besondere Farbkombination.

Doch: Nicht jede Eigenart reicht aus. Das Gericht prüft stets:

  1. Liegt eine wettbewerbliche Eigenart vor?
  2. Wie stark ist diese Eigenart ausgeprägt?
  3. Besteht Verwechslungsgefahr / Herkunftstäuschung?

Die Entscheidung des OLG Hamburg: Keine Herkunftstäuschung bei durchschnittlicher Eigenart

Das OLG Hamburg wies die Klage ab. Seine Begründung ist deutlich:

1. Gestaltungsidee nicht schutzfähig

Die Schmuckkette basiere auf einer einfachen Idee: Geometrische Formen in sich wiederholender Weise aufreihen – das sei nicht ungewöhnlich, sondern naheliegend im Schmuckdesign.

„Die gestalterische Grundidee (…) kann demnach nicht geschützt werden; andernfalls würde der Schutzbereich (…) unzulässig erweitert.“

2. Wettbewerbliche Eigenart nur durchschnittlich

Zwar erkenne man eine gewisse Eigenart – die Wiederholung geometrischer Elemente sei ein Designmerkmal – aber diese sei nur durchschnittlich ausgeprägt.

„Weil es sich bei dem Klagemuster um ein Erzeugnis handelt, das lediglich eine gestalterische Grundidee umsetzt, kommt ihm von Haus aus nur geringe wettbewerbliche Eigenart zu.“

3. Keine Herkunftstäuschung

Entscheidend: Die Verbraucher würden die Ketten der Beklagten nicht für ein Produkt der Klägerin halten. Warum?

  • deutlich geringere Qualität
  • niedrigerer Preis
  • anderer Markenname

„Auch eine Herkunftstäuschung sei zu verneinen. Verbraucher würden (…) nicht davon ausgehen, dass es sich um Produkte der Klägerin handele.“

Schutzbereich darf nicht überdehnt werden

Besonders hervorzuheben ist die Klarstellung des Gerichts, dass ein Nachahmungsschutz nicht die gestalterische Grundidee an sich erfassen darf.

Würde man hier schon Schutz gewähren, könnten Unternehmen sich Grundmuster oder Designprinzipien „monopolisieren“ – was dem Wettbewerb zuwiderliefe.

Das Gericht macht damit deutlich: Der Nachahmungsschutz im Wettbewerbsrecht ist kein Designschutz light. Es kommt immer auf die konkrete Ausgestaltung an – nicht auf Ideen oder Konzeptansätze.

Was bedeutet dieses Urteil für die Praxis?

Für Designer und Hersteller:

  • Nur wer ein besonders eigenständiges Design schafft, kann auf wettbewerbsrechtlichen Schutz hoffen.
  • Serielle Gestaltung mit bekannten Formen reicht oft nicht aus.
  • Wer Schutz will, sollte über eine Design- oder Geschmacksmusteranmeldung nachdenken.

Für Mitbewerber:

  • Wer sich bei seinen Produkten an Marktstandards orientiert und offenkundig eigene Gestaltung einbringt, riskiert keinen Verstoß.
  • Wichtig: Eigenständigkeit wahren und durch Qualität, Preisgestaltung und Markenauftritt klar machen, dass es sich nicht um das Original handelt.

Rechtlicher Kontext: § 4 Nr. 3 UWG

Das Urteil basiert auf § 4 Nr. 3 UWG, der unlauteres Verhalten durch Nachahmung unter bestimmten Voraussetzungen untersagt. Der Schutz setzt voraus:

  • eine gewisse wettbewerbliche Eigenart,
  • Verwechslungsgefahr oder Rufausbeutung,
  • und ggf. besondere Umstände wie Vermeidbarkeit der Nachahmung.

Hier fehlte es laut Gericht schon an einer ausreichend ausgeprägten Eigenart, sodass eine tiefergehende Prüfung nicht notwendig war.

Fazit: Keine Herkunftstäuschung – keine Nachahmung – kein Verstoß

Das OLG Hamburg hat mit seiner Entscheidung deutlich gemacht:

Nicht jede Ähnlichkeit ist gleich unlauter – der Wettbewerb lebt von Anlehnung, solange keine Verwechslung oder Ausbeutung stattfindet.

Im Bereich Modeschmuck, wo viele Designs auf einfachen Mustern beruhen, wird es damit für Unternehmen schwieriger, sich gegen Konkurrenzprodukte zu wehren, wenn sie kein klares Alleinstellungsmerkmal aufweisen.

Die Entscheidung ist ein Plädoyer für fairen Wettbewerb, ohne vorschnelle Verbote und mit einem klaren Blick auf die Rechte der Verbraucher.

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