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Keine Haftung für Filesharing-Verstöße bei alleiniger Vermittlung des Internetzugangs

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Die Frage der Haftung bei Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing ist ein juristisches Dauerthema. Besonders betroffen: Betreiber von Hotels, Pensionen oder Ferienwohnungen, die ihren Gästen WLAN zur Verfügung stellen. Mit Urteil vom 21. Mai 2024 hat das Amtsgericht Augsburg eine richtungsweisende Entscheidung getroffen: Wer lediglich den Zugang zum Internet vermittelt, haftet nicht automatisch für Rechtsverstöße Dritter. Das Gericht weist damit die Klage einer Rechteinhaberin gegen einen Hotelbetreiber ab, der für das Filesharing seiner Gäste zur Rechenschaft gezogen werden sollte.

Der Sachverhalt im Detail

Die Klägerin ist Rechteinhaberin des Films "Midway". Sie beauftragte ein Unternehmen mit der Überwachung von Tauschbörsen. Dieses stellte am 10.10.2020 um 05:13 Uhr fest, dass der Film über eine bestimmte IP-Adresse zum Download angeboten wurde. Ein Gestattungsbeschluss des LG Köln ermöglichte es der Klägerin, beim Internetprovider Auskunft über den Anschlussinhaber zu erhalten. Der Anschluss war auf die ... GmbH registriert, deren Geschäftsführer der Beklagte ist.

Die ... GmbH betreibt ein Beherbergungsgewerbe mit bis zu 16 Übernachtungsmöglichkeiten. Hotelgästen wird kostenlos ein gesichertes WLAN zur Verfügung gestellt. Die Zugangsdaten erhalten die Gäste bei Einzug.

Nach der Abmahnung durch die Klägerin gab der Beklagte keine Unterlassungserklärung ab. Die Klägerin forderte daraufhin gerichtlich:

  • mindestens 1.000 € Schadensersatz,
  • 107,50 € Hauptforderung für Abmahnkosten,
  • weitere 107,50 € Nebenforderung,
  • jeweils zuzüglich Zinsen.

Der Beklagte verteidigte sich mit dem Hinweis, dass er nur den Zugang zum Internet bereitstellt. Er hatte weder Kenntnis von der Rechtsverletzung noch sei es ihm möglich, einzelne Gäste namentlich zu benennen. Zum einen, weil eine datenschutzkonforme Speicherung nicht erfolgt, zum anderen, weil es sich um wechselnde Handwerker handelte, deren Arbeitgeber die Zimmer angemietet hatten.

Die Entscheidungsgründe im Einzelnen

1. Keine Haftung als Täter oder Teilnehmer

Das Amtsgericht Augsburg stellte zunächst fest, dass dem Beklagten keine Täterschaft oder Teilnahme an der Urheberrechtsverletzung nachgewiesen werden konnte. Er hatte den konkreten Download nicht veranlasst, nicht daran mitgewirkt und auch nicht gewusst, dass dieser über seinen Anschluss erfolgte.

2. Anwendbarkeit von § 8 TMG

Zentral für die Entscheidung war die Anwendung von § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG. Danach haften Diensteanbieter nicht für fremde Informationen, die sie lediglich durchleiten. Das Gericht sah den Beklagten als Access Provider im Sinne dieser Vorschrift, da er seinen Gästen den Zugang zum Internet bereitstellt, ohne auf die Inhalte Einfluss zu nehmen.

Voraussetzungen für die Haftungsprivilegierung waren erfüllt:

  • Der Beklagte hatte die Übermittlung der rechtswidrigen Information nicht veranlasst,
  • Er hatte den Nutzer nicht ausgewählt,
  • Er hatte die übermittelten Informationen nicht verändert,
  • Es bestand kein kollusives Zusammenwirken mit dem tätigen Nutzer.

Das Gericht stellte klar, dass der Anschluss ausschließlich Hotelgästen zur Verfügung stand und der Beklagte selbst nicht vor Ort war.

3. Erfüllung der sekundären Darlegungslast

Obwohl das Gericht betonte, dass bei öffentlichen WLAN-Zugängen keine höheren Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast zu stellen sind, stellte es fest, dass der Beklagte dieser Pflicht auch nach dem strengen Maßstab gerecht wurde:

  • Der Beklagte konnte belegen, welche Firmen die Unterkünfte zum fraglichen Zeitpunkt angemietet hatten.
  • Die Namen der konkreten Handwerker konnte er mangels gesetzlicher Erfassungspflicht und aus Datenschutzgründen nicht angeben.
  • Der Beklagte hatte keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Nutzung vor dem Vorfall.

Ein plausibler alternativer Geschehensablauf (Nutzung durch einen Hotelgast) wurde damit glaubhaft dargelegt.

4. Keine Störerhaftung

Eine Haftung als Störer lehnte das Gericht ebenfalls ab. Es fehlte an der Verletzung von zumutbaren Prüf- und Überwachungspflichten:

  • Das WLAN war WPA2-verschlüsselt.
  • Es gab keine vergleichbaren Vorfälle zuvor.
  • Hinweise oder Belehrungspflichten bestehen grundsätzlich nicht.
  • Ein Hotelbetreiber ist nicht verpflichtet, Gäste aktiv zu überwachen.

Ein wirtschaftliches Risiko durch Internetnutzung ist Teil des heutigen Hotelbetriebs. Ein vollständiger Verzicht auf WLAN, wie von der Klägerin angeregt, sei dem Betreiber nicht zumutbar.

Fazit: Klare Abgrenzung der Haftungsgrenzen

Das AG Augsburg hat mit seinem Urteil eine deutliche Grenze gezogen: Wer seinen Internetanschluss gewerblich bereitstellt, haftet nicht automatisch für das Fehlverhalten Dritter. Das Urteil stärkt die Rechtssicherheit von Beherbergungsbetrieben und anderen Access Providern. Voraussetzung ist, dass keine Kenntnis von Rechtsverletzungen vorliegt und angemessene technische Schutzmaßnahmen bestehen.

Rechtliche Einordnung und Relevanz

Die Entscheidung reiht sich ein in die fortschreitende Entwicklung des Haftungsprivilegs für Anbieter offener WLAN-Zugänge. Sie folgt der Linie des BGH zur Einschränkung der Störerhaftung und berücksichtigt zugleich datenschutzrechtliche Realitäten.

Hinweis für die Praxis

Wer WLAN-Zugänge anbietet, sollte:

  • den Zugang verschlüsseln,
  • klare Nutzungsbedingungen formulieren,
  • keine personenbezogene Datenspeicherung vornehmen (es sei denn, rechtlich erlaubt und erforderlich),
  • sich gegen Vorwürfe rechtlich beraten lassen und auf die Rechtsprechung berufen.

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