Keine automatische Erstattung von Patentanwaltskosten in Markensachen

Viele Markenrechtsstreitigkeiten verlaufen nach einem klaren Muster: Der Kläger lässt sich von einem Rechtsanwalt und einem Patentanwalt vertreten – sicher ist sicher. Die Kosten dafür wurden bislang vom Gegner getragen, sofern der Kläger obsiegte. Doch damit ist jetzt Schluss.
Mit dem Beschluss vom 21.08.2023 (Az. 6 W 4/20) hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main eine grundlegende Kehrtwende in der markenrechtlichen Kostenrechtsprechung eingeleitet. Die bislang geltende automatische Erstattungsfähigkeit der Patentanwaltskosten existiert in dieser Form nicht mehr. Künftig ist eine konkrete Notwendigkeitsprüfung erforderlich. Das stellt Unternehmen und Prozessparteien vor neue Herausforderungen – und verlangt ein genaues Hinschauen.
Hintergrund: Was bisher galt
Die bisherige Praxis beruhte auf einer Auslegung von § 140 Abs. 3 MarkenG (alte Fassung). Danach galten die Kosten eines Patentanwalts in Markenstreitsachen – also etwa in Fällen von Markenverletzungen oder Löschungsverfahren – automatisch als erstattungsfähig, wenn ein solcher hinzugezogen wurde.
Diese Rechtsprechung war gefestigt und wurde unter anderem vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt (z. B. in „EPA-Vertreter“, GRUR 2020, 781). Der Gedanke dahinter: Markenrecht ist komplex, Patentanwälte verfügen über besondere Sachkunde – ihre Mitwirkung sei deshalb per se sachdienlich.
Doch diese Sichtweise ist mit dem Europarecht nicht mehr vereinbar, wie sich jetzt zeigt.
Der Fall: Was das OLG Frankfurt entschieden hat
Im zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerseite in einem markenrechtlichen Verfahren nicht nur einen Rechtsanwalt, sondern zusätzlich einen Patentanwalt eingeschaltet. Die Beklagte war unterlegen und sollte daher auch die Patentanwaltskosten tragen.
Doch das OLG Frankfurt lehnte dies ab.
Der zentrale Leitsatz:
Die Hinzuziehung eines Patentanwalts in Markensachen ist nicht mehr automatisch erstattungsfähig. Es bedarf einer Einzelfallprüfung zur Notwendigkeit der Mitwirkung.
Das Gericht stellte klar: Aus Art. 3 und Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG über die Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte ergibt sich, dass eine richtlinienkonforme Auslegung von § 140 Abs. 3 MarkenG notwendig ist. Und diese verlangt eine Einzelfallprüfung der Erforderlichkeit – keine automatische Kostenübernahme mehr.
Warum die Entscheidung so bedeutend ist
Die Entscheidung bricht mit jahrzehntelanger Praxis. Das bedeutet nicht nur einen Mehraufwand für Kläger, die Patentanwälte einbinden, sondern vor allem auch ein finanzielles Risiko. Denn: Ist die Mitwirkung des Patentanwalts nicht nachweislich notwendig, bleiben Kläger auf den Kosten sitzen.
Die neue Rechtslage: Was nun gilt
1. Keine unwiderlegliche Vermutung mehr
Die frühere Sichtweise, wonach § 140 Abs. 3 MarkenG eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung darstellt, ist überholt. Vielmehr gilt jetzt: Keine Erstattung ohne Einzelfallprüfung.
2. Richtlinienkonforme Auslegung durch den EuGH und BGH
Maßgeblich für die Abkehr von der alten Praxis waren:
- EuGH, Beschluss vom 28.04.2022 – C-531/20
- BGH, Beschluss vom 13.10.2022 – I ZB 12/20 (Kosten des Patentanwalts VII)
Beide Gerichte betonen die Notwendigkeit, Kosten nur dann zu erstatten, wenn die Mitwirkung tatsächlich erforderlich ist.
3. Was gilt nun konkret?
Erstattet werden nur noch die Kosten, wenn die Beauftragung des Patentanwalts aus ex ante Sicht objektiv notwendig war. Dabei ist zu beachten:
- Die Sache muss besondere Komplexität aufweisen.
- Es dürfen besondere technische oder registerrechtliche Fragen zu klären sein.
- Reine Rechtsfragen im Kennzeichenrecht reichen nicht aus.
- Die Tätigkeit muss über das hinausgehen, was ein Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz leisten kann.
Konkrete Folgen für die Praxis
Für Kläger:
- Sorgfältige Prüfung vor Beauftragung eines Patentanwalts.
- Dokumentation der Gründe für die Notwendigkeit.
- Im Zweifel: besser zunächst nur den Rechtsanwalt mandatieren.
Für Beklagte:
- Angriffsfläche gegen überhöhte Kostennoten.
- Möglichkeit zur Kostenreduktion, wenn kein konkreter Bedarf für einen Patentanwalt vorlag.
Für Gerichte:
- Zusätzlicher Prüfungsaufwand.
- Einzelfallbetrachtung erfordert detaillierte Parteivorträge zur Notwendigkeit.
Beispiel aus dem Urteil: Warum die Hinzuziehung nicht notwendig war
Im konkreten Fall hatte die Klägerin argumentiert, der Beklagte habe unter anderem die Benutzung der Marke bestritten und absolute Schutzhindernisse vorgebracht. Das OLG hielt dem entgegen:
„Dies vermag die Erforderlichkeit der Beauftragung eines Patentanwaltes nicht zu begründen.“
Denn: Diese Fragen hätten auch vom Rechtsanwalt – insbesondere bei fachanwaltlicher Spezialisierung – bearbeitet werden können.
Fazit: Kein Automatismus mehr – mehr Sorgfalt erforderlich
Die Entscheidung des OLG Frankfurt bedeutet einen Paradigmenwechsel im Kostenrecht markenrechtlicher Streitigkeiten. Wer einen Patentanwalt beauftragt, trägt das Kostenrisiko, wenn die Mitwirkung nicht objektiv erforderlich war. Der bisherige Automatismus ist passé.
Für die anwaltliche Praxis heißt das:
Strategisches Denken bei der Mandatsvergabe ist gefragter denn je. Die Dokumentation der Gründe für die Einbindung eines Patentanwalts wird zur neuen Pflicht.
Ansprechpartner
Frank Weiß
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