Kein Verstoß gegen Wettbewerbsurteil bei mangelhafter Anleitung

Das LG Frankfurt (LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 11.04.2025 – Az.: 2-06 O 11/25) am Main hatte im Frühjahr 2025 über einen interessanten Fall im Spannungsfeld zwischen dem Wettbewerbsrecht und dem Produktsicherheitsrecht zu entscheiden.
Die Parteien:
- Klägerin (Gläubigerin): Wettbewerberin der Beklagten, die den deutschen Markt ebenfalls mit Küchenmaschinen bedient.
- Beklagte (Schuldnerin): Vertreibt Küchenmaschinen an deutsche Verbraucher.
Frühere Entscheidung:
Die Beklagte wurde im einstweiligen Verfügungsverfahren durch Beschluss des LG Frankfurt am Main vom 15.01.2025 verpflichtet, ihre Produkte nicht ohne deutsche Bedienungsanleitung in Verkehr zu bringen. Grundlage war ein Verstoß gegen § 3 Abs. 4 ProdSG in Verbindung mit §§ 3, 3a UWG.
Ziel dieser Vorschrift ist es, dass der Endverbraucher in Deutschland sicherheitsrelevante Produkte nur mit einer verständlichen Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache nutzen kann – dies dient der Produktsicherheit und dem Verbraucherschutz.
Der aktuelle Streit: Ist „irgendeine“ deutsche Anleitung wirklich genug?
Nach Erlass der Verfügung lieferte die Beklagte den Produkten zwar eine deutschsprachige Anleitung, jedoch war deren Inhalt aus Sicht der Klägerin mangelhaft, insbesondere:
- unklar strukturiert,
- sprachlich schwer verständlich,
- sicherheitsrelevante Hinweise unzureichend oder falsch übersetzt,
- Teile der Anleitung offenbar automatisch oder maschinell übersetzt.
Die Klägerin war der Ansicht, dies stelle einen Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung dar. Sie beantragte daher die Verhängung eines Ordnungsmittels (§ 890 Abs. 1 ZPO).
Doch das LG Frankfurt a.M. wies diesen Antrag zurück.
Die Entscheidung des LG Frankfurt a.M.
Kernaussage des Gerichts:
„Charakteristisch für die verbotene Handlung war der Vertrieb ohne Bedienungsanleitung in deutscher Sprache.“
Das Gericht unterscheidet klar zwischen dem formalen Vorhandensein einer Anleitung und deren inhaltlicher Qualität.
Das Gericht betonte:
- Die ursprüngliche Verfügung vom 15.01.2025 untersagte allein den Vertrieb ohne Bedienungsanleitung in deutscher Sprache.
- Es wurde nicht geprüft, ob die Anleitung inhaltlich den Anforderungen des § 3 Abs. 4 ProdSG genügte.
- Eine solche inhaltliche Prüfung war weder Bestandteil des Verfügungsantrags noch des Beschlusses.
- Die Schuldnerin hat daher formal nicht gegen den Verbotstenor verstoßen, auch wenn die Anleitung fehlerhaft war.
Wichtiger Leitsatz der Kammer:
„Ob eine solche [Anleitung] auch inhaltlich den Anforderungen von § 3 Abs. 4 ProdSG genügte, hat die Kammer hingegen nicht – auch nicht gedanklich – geprüft und auch nicht prüfen können.“
Detaillierte rechtliche Würdigung
a) § 3 Abs. 4 Produktsicherheitsgesetz (ProdSG)
Diese Vorschrift verlangt, dass Produkte mit „sicherheitsrelevanten Informationen“ in deutscher Sprache ausgestattet sein müssen. Das Ziel: Schutz der Endnutzer durch korrekte, verständliche und vollständige Informationen.
Verstoß gegen § 3 Abs. 4 ProdSG → zugleich Verstoß gegen § 3a UWG (Marktverhaltensregel)
b) § 890 Abs. 1 ZPO (Ordnungsmittelverfahren)
Voraussetzung für ein Ordnungsgeld ist:
- ein vollstreckbarer Titel,
- ein Verstoß gegen genau die im Tenor benannte Verpflichtung.
Entscheidend: Nur solche Handlungen können sanktioniert werden, die dem verbotenen Verhalten kerngleich sind.
Hier: Das Verbot richtete sich nicht gegen inhaltliche Mängel, sondern nur gegen das Fehlen einer deutschen Anleitung.
→ Eine inhaltlich mangelhafte, aber deutschsprachige Anleitung ist nicht kerngleich mit einer fehlenden Anleitung.
Fazit des Gerichts
- Das bloße Vorhandensein einer Anleitung in deutscher Sprache genügt, um dem Titel zu entsprechen.
- Inhaltliche Unzulänglichkeiten können nicht im Ordnungsmittelverfahren geltend gemacht werden, wenn sie nicht Bestandteil des Unterlassungstitels sind.
- Der Antrag war daher unbegründet.
Bewertung der Entscheidung
Die Entscheidung ist dogmatisch zutreffend und rechtsstaatlich geboten:
- Ein Ordnungsmittel darf nur verhängt werden, wenn eindeutig gegen den Inhalt des Titels verstoßen wurde.
- Es wäre rechtswidrig, den Inhalt des Tenors nachträglich zu erweitern, um eine Sanktion zu ermöglichen.
Aber:
- Sie zeigt auch die Grenzen des einstweiligen Rechtsschutzes.
- Wer nur das Fehlen einer Anleitung rügt, darf sich später nicht über deren inhaltliche Mängel beschweren.
Handlungsempfehlung für Unternehmen
✅ Stellen Sie nicht nur formale, sondern rechtssichere, vollständige und verständliche Anleitungen zur Verfügung.
✅ Verwenden Sie keine maschinellen Übersetzungen ohne fachliche Kontrolle.
✅ Dokumentieren Sie den Inhalt und die Qualität Ihrer Anleitungen – insbesondere bei sicherheitsrelevanten Produkten.
✅ Reagieren Sie frühzeitig auf Abmahnungen – und prüfen Sie den exakten Wortlaut jedes gerichtlichen Verbots.
Abschließendes Fazit
Der Beschluss des LG Frankfurt a.M. (Az. 2-06 O 11/25) hat Klarheit geschaffen:
Form ist nicht gleich Inhalt.
Ein Unternehmen erfüllt ein gerichtliches Verbot, das sich nur auf die Sprache bezieht, bereits durch die Beilage irgendeiner deutschen Anleitung – auch wenn diese objektiv unzureichend ist.
Aber Vorsicht: Wer sich darauf verlässt, begeht möglicherweise einen neuen Wettbewerbsverstoß – und riskiert neue Verfahren, Bußgelder und Reputationsverlust.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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