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Kein Schadensersatz bei E-Mail-Werbung

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Die digitale Kommunikation ist heute ein zentraler Bestandteil des Geschäftslebens. E-Mail-Marketing gehört zu den effektivsten Werbemaßnahmen, birgt jedoch auch erhebliche Risiken. Insbesondere unberechtigte Werbe-E-Mails ohne vorherige Einwilligung des Empfängers stellen einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dar.

Art. 82 Abs. 1 DSGVO sieht vor, dass jeder, der durch eine Verletzung der DSGVO einen materiellen oder immateriellen Schaden erleidet, Anspruch auf Schadenersatz hat. Doch was genau gilt als immaterieller Schaden? Muss jede unerlaubte Werbe-E-Mail automatisch zu einem Entschädigungsanspruch führen? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 28.01.2025 (VI ZR 109/23) entschieden, dass dies nicht zwingend der Fall ist.

Sachverhalt des BGH-Urteils

Der Fall: Unberechtigte Werbe-E-Mail ohne Einwilligung

Der Kläger hatte ohne seine vorherige Einwilligung eine Werbe-E-Mail eines Unternehmens erhalten. Er sah darin eine Verletzung seiner Datenschutzrechte und forderte Schadensersatz gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Die Klage wurde zunächst vom Landgericht abgewiesen, das Oberlandesgericht sah jedoch einen ersatzfähigen immateriellen Schaden. Die Sache wurde schließlich vor den BGH gebracht.

Verfahrensverlauf

Die erste Instanz entschied, dass die Klage abzuweisen sei, da kein nachweisbarer Schaden ersichtlich war. In der Berufung kam das Oberlandesgericht jedoch zu einem anderen Ergebnis und urteilte, dass bereits der Erhalt einer unerlaubten E-Mail als immaterieller Schaden anzusehen sei. In der Revision überprüfte der BGH die rechtlichen Voraussetzungen und entschied abschließend über die Frage des immateriellen Schadens.

Rechtliche Würdigung

DSGVO-Verstoß durch unerlaubte Werbe-E-Mails

Art. 6 Abs. 1 DSGVO setzt eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten voraus. Ohne vorherige Einwilligung des Empfängers oder eine andere rechtmäßige Grundlage liegt ein Verstoß gegen die DSGVO vor. Das Versenden unerwünschter Werbe-E-Mails fällt stellt einen solchen Verstoß gegen die DSGVO dar.

Voraussetzungen für immateriellen Schadensersatz

Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO muss für einen Schadensersatzanspruch Folgendes gegeben sein:

  1. Verstoß gegen die DSGVO – Im vorliegenden Fall gegeben.
  2. Eintritt eines Schadens – Fraglich, ob eine Werbe-E-Mail ausreicht.
  3. Kausalität zwischen Verstoß und Schaden – Der Schaden muss auf den DSGVO-Verstoß zurückzuführen sein.

Der zentrale Streitpunkt war hier der zweite Punkt: Ist allein der Erhalt einer unerlaubten Werbe-E-Mail bereits ein immaterieller Schaden?

Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof entschied, dass nicht jede unerlaubte Werbe-E-Mail automatisch einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO begründet. Maßgeblich für diese Entscheidung war die Frage, ob durch den Erhalt einer solchen E-Mail tatsächlich eine spürbare Beeinträchtigung des Betroffenen vorliegt oder ob es sich lediglich um eine unerhebliche Belästigung handelt.

Nach Ansicht des Gerichts kann nicht jede unerwünschte Werbenachricht als ausreichende Grundlage für einen Schadensersatzanspruch dienen. Vielmehr sei ein erheblicher Nachteil erforderlich, der über eine bloße Unannehmlichkeit hinausgeht. Das Gericht stellte klar, dass die bloße Tatsache, dass ein Empfänger eine Werbe-E-Mail ohne Einwilligung erhält, nicht automatisch dazu führt, dass er einen Schaden erlitten hat, der eine finanzielle Kompensation rechtfertigt.

In seiner Begründung führte der BGH weiter aus, dass der immaterielle Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zwar weit auszulegen sei, aber dennoch an die Voraussetzung eines tatsächlichen und nachweisbaren Schadens gebunden bleibe. Eine rein subjektive Empfindung von Ärger oder Unmut reiche nicht aus. Vielmehr müsse der Kläger nachweisen, dass durch den Erhalt der E-Mail eine ernsthafte Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit oder seiner Datenschutzrechte eingetreten sei.

Das Gericht betonte außerdem, dass eine pauschale Entschädigung für jede einzelne DSGVO-Verletzung nicht im Sinne der europäischen Gesetzgebung sei. Eine solche Praxis würde dazu führen, dass selbst geringfügige Verstöße mit unverhältnismäßig hohen finanziellen Forderungen verbunden wären, was den ursprünglichen Zweck des Schadensersatzes im Datenschutzrecht verzerren würde. Daher müsse stets eine individuelle Betrachtung erfolgen, die den konkreten Umfang der Beeinträchtigung des Betroffenen berücksichtigt.

Zudem wies der BGH darauf hin, dass es anderen rechtlichen Mechanismen gebe, um gegen unerlaubte Werbe-E-Mails vorzugehen. Neben zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen könnten Betroffene weiterhin bei Datenschutzbehörden Beschwerde einlegen oder sich auf andere Rechtsmittel berufen, um sich gegen Verstöße zur Wehr zu setzen. Der immaterielle Schadensersatz solle jedoch nur dann gewährt werden, wenn eine tatsächliche und über das normale Maß hinausgehende Beeinträchtigung nachgewiesen werden könne.

Diese Entscheidung stellt eine bedeutende Weichenstellung für künftige Verfahren dar, da sie klarstellt, dass nicht jede Verletzung der DSGVO automatisch eine finanzielle Kompensation nach sich zieht. Sie stärkt die Position von Unternehmen, indem sie verhindert, dass sie für minimale Verstöße mit Schadensersatzforderungen überhäuft werden, und fordert von Betroffenen, eine konkrete und messbare Beeinträchtigung nachzuweisen.

Praktische Auswirkungen für Betroffene und Unternehmen

Für Verbraucher

Betroffene müssen konkret nachweisen, wie genau sie durch die unerlaubte E-Mail beeinträchtigt wurden. Der bloße Erhalt einer Werbe-E-Mail reicht nicht aus, um einen Anspruch auf Schadensersatz geltend zu machen. Dennoch bleibt die Möglichkeit, sich an Datenschutzbehörden zu wenden und Beschwerde einzulegen.

Für Unternehmen

Unternehmen müssen weiterhin sicherstellen, dass ihr E-Mail-Marketing DSGVO-konform ist. Zwar reduziert das Urteil das Risiko hoher Schadensersatzzahlungen, doch Verstöße können nach wie vor durch Bußgelder geahndet werden. Unternehmen sollten daher sorgfältig darauf achten, nur mit ausdrücklicher Einwilligung Werbung per E-Mail zu versenden.

Fazit

Die Entscheidung des BGH bringt Klarheit für den immateriellen Schadensersatz im Datenschutzrecht. Ein bloßer Verstoß gegen die DSGVO führt nicht automatisch zu einer Entschädigung. Dies schützt Unternehmen vor unverhältnismäßigen Schadensersatzforderungen, erfordert jedoch weiterhin DSGVO-konformes Marketing.

Betroffene, die sich durch unerlaubte Werbung gestört fühlen, sollten gut überlegen, ob und wie sie einen konkreten Schaden nachweisen können.

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