Kein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten bei formellen Fehlern

Die Abmahnung ist im Wettbewerbsrecht ein scharfes Schwert – aber nur, wenn sie korrekt geführt wird. Was viele Unternehmen und Kanzleien unterschätzen: Selbst eine inhaltlich berechtigte Abmahnung kann ihre Wirksamkeit verlieren, wenn sie formale Mindestanforderungen nicht erfüllt. Genau das hat das OLG Hamm in seinem Urteil vom 03.04.2025 (4 U 29/24) bestätigt.
Ein Fall aus dem Bereich des E-Zigaretten-Versandhandels verdeutlicht, wie formale Fehler in der Abmahnung weitreichende Konsequenzen haben können – und welche Anforderungen heute an eine rechtskonforme Abmahnung nach § 13 Abs. 2 UWG zu stellen sind.
Der Fall: Abmahnung wegen Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz (JuSchG)
Die Klägerin, ein großer Online- und stationärer Händler für E-Zigaretten und Zubehör, mahnte eine Mitbewerberin ab, weil diese Ersatz-Pods für E-Zigaretten ohne jegliche Altersverifikation über eine Verkaufsplattform versandte. Dabei handelt es sich um einen klaren Verstoß gegen § 10 Abs. 3, 4 JuSchG, der eine Altersprüfung vorschreibt – auch für leere Ersatztanks, wie das OLG Hamm bekräftigte.
Die Abmahnung forderte Unterlassung, Auskunft sowie die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 2.000,42 €. Doch Letzteres wies das OLG Hamm ab – wegen formaler Mängel der Abmahnung.
Zentrale Rechtsfrage: Reichen die Angaben zur Anspruchsberechtigung aus?
Herzstück der Entscheidung ist die Frage, ob die Abmahnung den Anforderungen des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG genügte – also, ob sie ausreichende Angaben zur Aktivlegitimation enthielt. Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs schreibt nämlich seit dem 01.12.2021 ausdrücklich vor, dass Mitbewerber nur dann abmahnberechtigt sind, wenn sie in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG).
Das OLG Hamm sagt: Nein.
Was fehlte der Abmahnung?
In der Abmahnung wurde die Geschäftstätigkeit der Klägerin pauschal mit Verweis auf ihre Plattformpräsenz und einen Jahresüberschuss beschrieben. Konkrete Angaben zum Vertriebserfolg im relevanten Produktsegment – E-Zigaretten – fehlten jedoch. Auch die Angabe eines allgemeinen Jahresüberschusses genügte nicht, da dieser sich auf ein breites Sortiment beziehen konnte.
Zur Begründung der Aktivlegitimation enthielt die Abmahnung folgende Passage:
„Unsere Mandantin vertreibt wie Sie e-Zigaretten und Teile von e-Zigaretten vornehmlich über F..de. Unsere Mandantin ist seit dem Jahr 2016 tätig. Im Jahr 2021 hat sie entsprechend der Veröffentlichung im Unternehmensregister einen Jahresüberschuss in Höhe von 788.685,25 EUR erzielt und vertreibt somit diese Waren in nicht nur unerheblichem Maße im Sinne des § 8 Abs. 3 UWG.“
Die Abmahnung enthielt keine ausreichenden:
- Angaben zur konkreten Marktteilnahme im betroffenen Produktsegment,
- Verkaufszahlen oder Umsatzzahlen bezogen auf E-Zigaretten,
- klare Erläuterung, warum gerade ein Wettbewerbsverhältnis zur Beklagten besteht.
"Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nach § 13 Abs. 3 UWG nicht zu. Die Abmahnung entspricht nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG. Sie enthält entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG keine ausreichenden Angaben zur Anspruchsberechtigung (Aktivlegitimation) der Klägerin.
Seit der Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG mit Wirkung ab dem 01.12.2021 durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ können Mitbewerber lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche nur noch dann geltend machen, wenn sie „Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreiben oder nachfragen“. Nach der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des vorgenannten Gesetzes soll hiermit der Anspruchsgeltendmachung durch Unternehmer entgegengewirkt werden, deren geschäftliche Tätigkeit ihrem Umfang nach die Zubilligung der Anspruchsberechtigung nicht rechtfertigt, etwa weil die Unternehmer nur einige wenige Waren zu überteuerten Preisen auf einem Portal anbieten, kurz nach Anmeldung des Gewerbes bereits eine hohe Anzahl von Abmahnungen ausgesprochen haben oder sich im Insolvenzverfahren befinden; daher muss ein Mitbewerber, der Ansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG geltend macht, nachweisen, dass er tatsächlich in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen vertreibt oder nachfragt wie derjenige, der die unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen hat (vgl. BT-Drucksache 19/12084, S. 26). Bereits hieraus folgt, dass bei der Beurteilung der Erheblichkeit und Frequenz der Geschäftstätigkeit nicht auf den Gesamtumfang der unternehmerischen Tätigkeit abzustellen ist, sondern auf den Vertrieb und die Nachfrage gerade derjenigen Waren oder Dienstleistungen, die das Wettbewerbsverhältnis zum Anspruchsgegner begründen sollen. Dies steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach durch das Erfordernis der qualifizierten Mitbewerberstellung Missbrauchsmöglichkeiten vorgebeugt werden soll, die sich aus einer nur pro forma, aber nicht ernsthaft und nachhaltig betriebenen Geschäftstätigkeit ergeben und die sich durch ein Missverhältnis der Abmahntätigkeit zur sonstigen Geschäftstätigkeit auszeichnen können (BGH, Urteil vom 24.02.2022 – I ZR 128/21 – [Zweitmarkt für Lebensversicherungen II], juris, Rdnr. 14 m.w.N.). Hieraus ergibt sich, dass die ernsthaft und nachhaltig betriebene Geschäftstätigkeit nicht nur allgemein, sondern konkret im Bereich der vom Abgemahnten vertriebenen oder nachgefragten Waren oder Dienstleistungen bestehen muss. Andernfalls wäre dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, weil dann für einen Abmahner, der hinsichtlich der von ihm nachhaltig vertriebenen oder nachgefragten Waren oder Dienstleistungen nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zum Verletzer steht, die Möglichkeit bestünde, durch das gelegentliche oder gar einmalige Vertreiben einer die Mitbewerbereigenschaft begründenden Ware oder Dienstleistung die Aktivlegitimation gegenüber dem Verletzer zu generieren, was ersichtlich vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass in dem in dem dortigen Verfahren nach der Zurückverweisung wiedereröffneten Berufungsverfahren anlässlich der Prüfung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG (nur) diejenigen Geschäftstätigkeiten der dortigen Klägerin in den Blick zu nehmen seien, die sich als gleichartig zu den von der dortigen Beklagten angebotenen Dienstleistungen darstellten (BGH, a.a.O., Rdnr. 26).
Weil das Gesetz von „Vertrieb“ und „Nachfrage“ spricht, reicht darüber hinaus das bloße Anbieten von Waren oder Dienstleistungen nicht aus (BT-Drucksache 19/12084, S. 26; Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl. [2025], § 8 Rdnr. 3.29c m.w.N.)."
Fazit des Gerichts: Die Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG sind nicht erfüllt – die Abmahnung ist zwar inhaltlich berechtigt, aber formell unwirksam.
Die Folge: Kein Anspruch auf Erstattung – im Gegenteil!
Besonders brisant: Selbst wenn die Abmahnung berechtigt ist, führt ein Formfehler zum Verlust des Erstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 3 UWG.
Mehr noch: Der Abgemahnte kann seinerseits die Kosten seiner Rechtsverteidigung vom Abmahner ersetzt verlangen, § 13 Abs. 5 UWG.
Ein klassischer Fall von „Gut gemeint, aber schlecht gemacht“ – und teuer dazu.
Altersverifikation bei E-Zigaretten – auch bei leeren Tanks verpflichtend
Das Urteil des OLG Hamm enthält eine weitere Klarstellung, die besonders für Händler relevant ist: Die Vorschriften des JuSchG zur Altersverifikation gelten auch für leere Ersatztanks von E-Zigaretten.
▸ Warum?
Nach § 10 Abs. 3, 4 JuSchG dürfen sowohl nikotinhaltige als auch nikotinfreie E-Produkte nur dann im Versandhandel abgegeben werden, wenn eine effektive Altersprüfung erfolgt. Auch „Behältnisse“ wie Nachfüll-Tanks fallen unter diese Vorschrift, wie das OLG Hamm unter Bezug auf das Tabakerzeugnisgesetz und die EU-Richtlinie 2014/40/EU klarstellte.
Gesetzlicher Rahmen: § 13 UWG – Das sollten Abmahner jetzt wissen
✅ § 13 Abs. 2 UWG – Inhaltliche Anforderungen an Abmahnungen
Eine wirksame Abmahnung muss unter anderem enthalten:
- Name/Firma des Abmahnenden und ggf. seines Vertreters
- Angaben zur Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG
- Genaue Angaben zum Verstoß und den Umständen
- Geltend gemachte Kosten mit Berechnungsgrundlage
❌ Fehlen diese Angaben, dann:
- entfällt der Aufwendungsersatz (§ 13 Abs. 3 UWG)
- entsteht ein Anspruch auf Kostenerstattung des Abgemahnten (§ 13 Abs. 5 UWG)
Bedeutung für die Praxis: Worauf Sie bei einer Abmahnung jetzt achten müssen
Für Abmahner:
- Dokumentieren Sie Ihre Marktteilnahme im relevanten Segment – mit Zahlen!
- Stellen Sie sicher, dass alle Pflichtangaben nach § 13 Abs. 2 UWG enthalten sind.
- Vermeiden Sie Formulierungslücken, die auf pauschale Angaben hinauslaufen.
- Beziehen Sie sich konkret auf den Mitbewerber und das gemeinsame Produktsegment.
Für Abgemahnte:
- Prüfen Sie jede Abmahnung sorgfältig auf Formfehler.
- Wenn Angaben zur Anspruchsberechtigung fehlen: Gegenanspruch auf Kostenerstattung prüfen!
- Ziehen Sie bei Zweifeln einen spezialisierten Rechtsanwalt hinzu.
Urteil mit Signalwirkung: OLG Hamm setzt klare Standards
Mit dem Urteil vom 03.04.2025 zeigt das OLG Hamm deutlich: Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen dürfen keine leeren Drohkulissen sein. Wer sie ausspricht, muss sich an die Regeln halten – sonst drohen finanzielle Rückschläge.
Wer im Glashaus abmahnt, sollte gut dokumentiert haben!
Fazit: Formfehler können teuer werden
Das Urteil des OLG Hamm ist ein wichtiges Signal für Abmahner und Abgemahnte gleichermaßen. Die formale Qualität einer Abmahnung entscheidet über Erfolg oder Misserfolg – auch finanziell. Selbst bei eindeutigem Wettbewerbsverstoß nützt es nichts, wenn die Abmahnung nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG genügt.
Tipp der Kanzlei: Lassen Sie jede wettbewerbsrechtliche Abmahnung von einem spezialisierten Anwalt prüfen – ob als Abmahner oder Abgemahnter. Fehler können schnell teuer werden.
Wenn Sie Unterstützung bei der rechtssicheren Gestaltung oder Abwehr von Abmahnungen benötigen, kontaktieren Sie gerne unsere Kanzlei – wir helfen mit Erfahrung und Augenmaß.
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