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Warnhinweise bei Jameda & Trustpilot – rechtlich zulässig oder rufschädigend?

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Online-Bewertungsplattformen wie Jameda und Trustpilot haben erheblichen Einfluss auf die Außenwahrnehmung von Dienstleistern, Ärzten und Unternehmen. In den letzten Jahren begannen diese Portale damit, auffällige Profile mit sogenannten „Warnhinweisen“ zu versehen – etwa bei Hinweisen auf Bewertungsmanipulation. Der Hinweis soll Nutzer „schützen“ und Transparenz bieten.

Doch die rechtliche Zulässigkeit solcher Hinweise ist umstritten: Handelt es sich um eine sachliche Information, gedeckt von der Meinungsfreiheit, oder um eine verbotene Rufschädigung? Die gerichtlichen Auseinandersetzungen haben inzwischen wichtige Maßstäbe gesetzt – insbesondere die Urteile des LG Kassel (Az. 10 O 703/20) und des OLG Frankfurt (Az. 16 W 37/20).

 

 

1. Der Sachverhalt – was war passiert?

Fall 1: LG Kassel, Urteil vom 12.01.2021, Az. 10 O 703/20

Ein Arzt aus Nordhessen wandte sich gegen die Plattform Jameda, nachdem auf seinem Profil ein Warnhinweis eingeblendet wurde. Der Hinweis lautete sinngemäß:

„Auffälligkeiten bei den Bewertungen auf diesem Profil. Es besteht der Verdacht, dass gegen unsere Richtlinien verstoßen wurde.“

Dieser Warnhinweis erschien sichtbar über dem Profilbild und verlinkte auf eine weitere Erklärung von Jameda. Der Arzt hatte nach eigenen Angaben von der Vorabprüfung der Bewertungen gar nichts mitbekommen und wurde nicht über konkrete Vorwürfe informiert. Zwar hatte Jameda einige Bewertungen wegen Verstoßes gegen die Plattformrichtlinien gelöscht – der Warnhinweis jedoch verblieb über Wochen hinweg sichtbar, obwohl keine auffälligen Inhalte mehr abrufbar waren.

Der Kläger sah darin eine rufschädigende, geschäftsschädigende Maßnahme, gegen die er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorging.

2. Die Entscheidung des LG Kassel – ein deutliches Urteil

Das Landgericht Kassel gab dem Arzt Recht.

a) Der Warnhinweis wirkt wie eine Tatsachenbehauptung

Das Gericht stellte fest, dass ein durchschnittlicher Plattformnutzer den Warnhinweis so versteht, als seien auf dem Profil nachgewiesene Manipulationen erfolgt. Die Formulierung („Auffälligkeiten“), die Platzierung über dem Profilbild und die Verlinkung auf weitere Texte hätten eine tatsachenbehauptende Wirkung, obwohl Jameda selbst nur von einem „Verdacht“ sprach.

Zitat LG Kassel: „Für den unbefangenen Durchschnittsleser erweckt der Hinweis den Eindruck, dass der Arzt versucht habe, Bewertungen zu manipulieren.“

b) Keine hinreichende Tatsachengrundlage

Das Gericht erkannte an, dass Plattformen bei Verdacht auf gefälschte Bewertungen handeln dürfen – jedoch nur bei konkreten, nachweisbaren Umständen. Im vorliegenden Fall gab es keinen objektiv belegten Manipulationsnachweis. Der Hinweis sei daher nicht durch ein berechtigtes Interesse gedeckt.

c) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Die Veröffentlichung des Warnhinweises beeinträchtige das berufliche Ansehen des Arztes und sei daher ein rechtswidriger Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 GG.

d) Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht

Zudem stelle der Warnhinweis eine unzulässige geschäftliche Herabsetzung gemäß § 4 Nr. 1 UWG dar, da die Aussage über die Plattform eine negative Wirkung auf potenzielle Patienten habe, ohne dass diese hinreichend belegt sei.

Ergebnis: Der Warnhinweis musste umgehend entfernt werden. Die einstweilige Verfügung wurde erlassen.

3. Das OLG Frankfurt zur Zulässigkeit (Az. 16 W 37/20)

Anders urteilte das OLG Frankfurt am Main in einem ähnlich gelagerten Fall. Auch hier hatte Jameda einen Arzt mit einem Warnhinweis versehen, nachdem auffällige Bewertungen festgestellt wurden. Doch in diesem Fall war der Arzt zuvor kontaktiert worden, und es lagen detaillierte Auffälligkeiten vor.

a) Zulässige Verdachtsberichterstattung

Das OLG stellte fest, dass die Plattform bei konkreten, nachvollziehbaren Auffälligkeiten das Recht habe, den Nutzer über mögliche Verstöße zu informieren – insbesondere dann, wenn die Information sachlich und ohne Vorverurteilung formuliert sei.

Zitat OLG Frankfurt: „Der Plattformbetreiber darf im Rahmen seiner Meinungsfreiheit auf Unregelmäßigkeiten hinweisen, sofern der Betroffene hierzu vorher angehört wurde.“

b) Transparenzpflichten der Plattform

Das OLG betonte, dass Bewertungsplattformen eine vermittlerähnliche Stellung einnehmen. In dieser Rolle seien sie berechtigt – teils sogar verpflichtet – auffällige Bewertungsmuster transparent zu machen, um die Integrität des Bewertungssystems zu schützen.

c) Kein unzulässiger Eingriff

Da in dem Fall eine ausgewogene, nicht vorverurteilende Darstellung vorlag, sah das Gericht keine unzulässige Herabwürdigung und somit auch keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts.

Ergebnis: Der Warnhinweis durfte bestehen bleiben.

4. Abwägung: Was ergibt sich aus beiden Entscheidungen?

Die beiden Urteile zeigen: Warnhinweise sind nicht per se unzulässig – sie müssen aber hohen rechtlichen Anforderungen genügen. Entscheidend ist:

Kriterium

Rechtlich zulässig

Rechtlich unzulässig

Nachweisbare Auffälligkeiten?

Vorherige Anhörung des Betroffenen?

Sachliche, neutrale Formulierung?

Konkreter Anlass aktuell noch vorhanden?

Pauschale Vorverurteilung?

5. Auswirkungen für Ärzte, Unternehmen und Portale

Für Betroffene:

  • Ein Warnhinweis darf nicht ohne Anhörung und nicht ohne konkreten Anlass erfolgen.
  • Betroffene können sich effektiv mit einstweiliger Verfügung gegen rufschädigende Hinweise wehren.
  • Die Entscheidung des LG Kassel zeigt: Gerichte nehmen die Interessen der Bewerteten sehr ernst.

Für Plattformbetreiber:

  • Plattformen dürfen Warnhinweise einsetzen – müssen aber auf Neutralität, Transparenz und Substanz achten.
  • Der Nutzer darf nicht in die Irre geführt werden.
  • Hinweise, die wie „Urteile“ wirken, sind rechtlich riskant.

Fazit: Rechtlich möglich – aber mit engen Grenzen

Warnhinweise auf Plattformen wie Jameda oder Trustpilot sind kein rechtsfreier Raum. Sie dürfen nicht zum Instrument der Rufschädigung werden. Die Rechtsprechung stellt klar:

  • Plattformen sind zur Transparenz verpflichtet, dürfen aber nicht vorverurteilen.
  • Betroffene müssen angehört werden – ohne Ausnahme.
  • Der Hinweis muss in sachlicher Formulierung und mit belegbaren Tatsachen begründet sein.

Unser Tipp: Betroffene Unternehmen oder Ärzte sollten Warnhinweise nicht hinnehmen, sondern juristisch prüfen lassen. Die Chancen, erfolgreich gegen unzulässige Hinweise vorzugehen, stehen gut – wie das Urteil des LG Kassel eindrucksvoll zeigt.

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