Irreführende Preisangaben im Online-Handel

Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied am 24.11.2022, dass eine irreführende Preisangabe auch dann vorliege, wenn dies auf einem Irrtum beruht und der Händler nach der Bestellung nur zu einem höheren Preis liefern könne. Denn der Preis stelle ein entscheidendes Kriterium für die Kaufentscheidung dar.
Ab wann liegt eine irreführende Preisangabe vor?
Die Beklagte vertrieb Elektro- und Unterhaltungsgeräte über einen Onlineshop. Sie bewarb im Rahmen einer Rabattaktion ein Produkt zu einem Preis von 114,90 € brutto. Ein Kunde bestellte das Produkt, woraufhin die Beklagte die Bestellung wieder stornierte. Stattdessen bot sie dem Kunden das Produkt zu einem höheren Preis, nämlich 175,00 €, an. Der ursprünglich angezeigte falsche Preis habe auf einer fehlerhaften Übermittlung durch den Lieferanten beruht. Dieser Preis sei aber im höchstem Maße unwirtschaftlich, weswegen die Beklagte die Ware nur zum höheren Preis verkaufen könne. Der Kläger, ein Verein zum Schutz des Wettbewerbs, mahnte die Beklagte daher ab. Diese gab jedoch keine Unterlassungserklärung ab. Der Kläger zog daraufhin vor Gericht. Die Klage wurde von der Vorinstanz jedoch abgelehnt, weswegen der Kläger in Berufung ging.
Kunden erwarten korrekte Preisangabe
Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied zu Gunsten des Klägers, da die Beklagte im Rahmen ihrer Rabattaktion eine zur Täuschung geeignete Angabe gemacht habe. Bei den Preisangaben in einem Online-Shop erwarte die Kundschaft, dass die angebotenen Artikel auch tatsächlich zum angegebenen Preis gekauft werden können. Dabei sei zwar einkalkulieren, dass es ggf. durch begrenzte Vorräte im Einzelfall zu einer Verzögerung der Lieferung oder ggf. sogar zu einer fehlenden Lieferbarkeit komme. Dies sei die Kundschaft aber gewöhnt. Allerdings gebe es keine Veranlassung, bei einer Preisangabe davon auszugehen, dass die Lieferung zu diesem Preis nicht erfolgt. Das gelte erst recht, wenn der Kaufvertrag tatsächlich nur zu einem um 50 % höheren Preis zustande kommen könne.
Keine Täuschungsabsicht erforderlich
Die Preisangabe der Beklagten sei unwahr, so das Gericht. Die Beklagte habe auf Nachfrage des Kunden eine Lieferung zum Angebotspreis zweifach verweigert. Auch ein möglicher Irrtum eines Mitarbeiters führe zu keinem anderen Ergebnis. Anknüpfungspunkt für den Unlauterkeitsvorwurf sei die (relevante) Unwahrheit bzw. Täuschungseignung der Angaben. Eine Täuschungsabsicht sei dafür nicht erforderlich. Auch andere Motive spielten im Rahmen des § 5 UWG keine Rolle.
Falscher Preis veranlasst Kaufentscheidung
Das OLG befand, die Preisangabe sei geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Es liege auf der Hand, dass der Preis ein entscheidendes Element für die Kaufentscheidung darstellt. Dass bei einem Produkt im Wert von ca. 150 € ein Preisnachlass von 50 € ein ganz erheblicher kaufentscheidender Faktor sei, bedürfe keiner ausführlichen Begründung. Auch die Tatsache, dass es sich lediglich um einen Einzelfall handelt, stelle die Geeignetheit nicht in Frage. Denn diese stelle auf die konkrete Handlung ab und veranlasse damit in der konkreten Situation den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung.
Weite Auslegung des Begriffs „geschäftliche Entscheidung“
Die geschäftliche Entscheidung werde auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass dem Kunden noch vor Abschluss des Kaufvertrages der richtige Preis genannt wurde, so das Gericht weiter. Denn dann habe sich der Kunde bereits zur Bestellung entschlossen, unabhängig davon, ob der Kauf zustande kommt. In der Rechtsprechung des EuGH werde der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ weit definiert. Erfasst werde nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende, aber vorgelagerte Entscheidungen wie insbesondere das Betreten eines Geschäfts oder das Aufsuchen eines Verkaufsportals im Internet. Damit könne eine Irreführung auch relevant sein, die lediglich einen „Anlockeffekt“ bewirkt, selbst wenn es nicht zum endgültigen Kauf der Ware komme.
Weite Auslegung dient mittelbar auch Mitbewerberschutz
Das OLG entschied, dass auch die Veranlassung einer vorgelagerten geschäftlichen Entscheidung für Mitbewerber potentiell schädlich sei. So könne sich der in das Geschäft gelockte Kunde zwar gegen den Kauf der irreführend beworbenen Ware, aber für den Kauf einer anderen Ware entscheiden. In dem Fall entgehe den Mitbewerbern dieses Geschäft. Somit bewirke das weite Verständnis der „geschäftlichen Entscheidung“ nicht nur den vorrangig bezweckten Verbraucherschutz, sondern diene mittelbar auch dem Mitbewerberschutz. Zwar sei nicht zu bestreiten, dass die Gefahren bei einer Irreführung mit bloßem Anlockeffekt in der Regel geringer seien als bei einer Irreführung, die unmittelbar durch Täuschung und mangelnde Aufklärung in eine (Kauf-)Entscheidung münde. Dies müsse ggf. im Rahmen einer Interessenabwägung berücksichtigt werden.
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 24.11.2022, Az. 6 U 276/21
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