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Irreführung auch durch Meinungsäußerung möglich

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.04.2019, Az. I ZR 93/17
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Der Bundesgerichtshof entschied mit Urteil vom 25.04.2019, dass nicht nur Tatsachen sondern auch Meinungsäußerungen zur Irreführung geeignet seien. Hierfür sei entscheidend, wie der Verbraucher die Äußerung auffasse. Werde keine Rechtsansicht geäußert, sondern eine eindeutige Rechtslage festgestellt, könne darin eine Täuschung liegen.

Kann ein Kündigungsschreiben eine Irreführung beinhalten?
Klägerin war der Bundesverband Verbraucherzentrale, Beklagte eine Kreisparkasse. Deren Rechtsvorgängerin hatte zahlreiche Prämiensparverträge mit Kunden abgeschlossen. Der Sparer konnte einen bestimmten monatlichen Betrag auf das Sparkonto einzahlen, welcher variabel mit dem jeweils gültigen Zinssatz verzinst wurde und am Jahresende mit einer Prämie vergütet wurde. Im Jahr 2015 kündigte die Beklagte zahlreiche dieser Sparverträge. Dabei verwendete sie folgende Formulierung: "Bei den bestehenden Verträgen handelt es sich um Einlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Eine Vertragslaufzeit ist nicht vereinbart." Die Klägerin hielt die Kündigungsschreiben für irreführend, weil bis zum Ablauf der jeweils vereinbarten Prämienstaffel kein Kündigungsrecht der Beklagten bestand. Die fehlerhafte Information veranlasse den Verbraucher, auf die Durchsetzung ihm zustehender Rechte, insbesondere auf die Zahlung von Prämien, zu verzichten. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, weshalb die Klägerin in Revision ging.

Kündigung stellt geschäftliche Handlung dar
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass die Kündigung eine geschäftliche Handlung sei, wenn sie Angaben über die Rechte der Verbraucher enthalte. Dies sei vorliegend der Fall. Denn die Kündigungsschreiben enthalten Aussagen zur Kündigungsfrist sowie der darauf gestützten Kündigung. Die Kündigung betreffe somit das Recht der Kunden auf Fortsetzung und Erfüllung des jeweiligen Sparvertrages.

Auch wahre Angaben können zu Irreführung führen
Das oberste Gericht urteilte weiterhin, dass nicht nur Tatsachenbehauptungen zur Täuschung geeignet seien, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch Meinungsäußerungen. Voraussetzung sei, dass der Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werde, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Dies könne durch unwahre Angaben erfolgen, aber auch durch gewisse Geschäftspraktiken, die zur Täuschung geeignet seien. Dabei könne selbst durch wahre Angaben wie Meinungsäußerungen eine Irreführung erreicht werden.

Unterscheidung zwischen Rechtsansicht und Feststellung einer Rechtslage
Der BGH befand, dass bei rechtlichen Aussagen entscheidend sei, wie die Äußerung aufgefasst werde. Sei erkennbar, dass es sich um eine Rechtsansicht handele, fehle es an der erforderlichen Täuschungseignung. Eine solche Rechtsansicht stelle eine Meinungsäußerung dar, welche selbst dann nicht wettbewerbswidrig sei, wenn sie sich als unrichtig erweise. Werde jedoch eine eindeutige Rechtslage behauptet, könne dies durchaus zu einer Täuschung führen. Hierzu müsse die Äußerung aber als Feststellung verstanden werden. Gleiches gelte für eine objektiv falsche rechtliche Auskunft, die auf ausdrückliche Nachfrage erteilt werde. Denn sie hindere den Verbraucher, eine Entscheidung in voller Kenntnis der Sachlage zu treffen.

Kündigungsschreiben als Rechtsauffassung
Im vorliegenden Kündigungsschreiben erkannte der BGH eine Rechtsansicht, bei der es an der Täuschungseignung fehle. Denn es werde nicht behauptet, die Auffassung der Beklagten entspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung oder sei einhellige Meinung. Ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Bankkunde könne der Formulierung nur entnehmen, dass die Beklagte den Vertrag für kündbar halte. Hierfür sei nicht erforderlich, dass in die Formulierung zusätzlich eine Einschränkung wie "nach unserer Rechtsauffassung" aufgenommen werde.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.04.2019, Az. I ZR 93/17

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