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Irreführende Werbung: „This is not Gin/Whiskey“ bei alkoholfreien Getränken

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Alkoholfreie Alternativen zu Spirituosen liegen im Trend. Wacholdernoten ohne Umdrehungen, Eichenfass-Aromen ohne Kater – das klingt attraktiv. Werbung und Produktaufmachung geraten jedoch schnell in die rechtliche Schieflage, wenn geschützte Bezeichnungen wie „Gin“, „Whiskey“ oder „Rum“ ins Spiel kommen. Jüngst hat das Landgericht Hamburg klare Leitplanken gesetzt: Die Bewerbung alkoholfreier Getränke mit „This is not Gin“, „This is not Whiskey“ oder „This is not Rum“ ist irreführend (LG Hamburg, Urt. v. 24.07.2025 – 416 HKO 51/23). Was bedeutet das für Ihre Praxis?

Rechtlicher Rahmen: Warum „Gin“, „Whiskey“ und „Rum“ nicht beliebig nutzbar sind

Geschützte Spirituosen-Bezeichnungen

Bezeichnungen wie „Gin“, „Whiskey/Whisky“ oder „Rum“ sind nicht nur Marketingbegriffe, sondern rechtlich geschützte Bezeichnungen. Der europäische Gesetzgeber schützt die Verkehrsbezeichnungen von Spirituosen streng. Der Schutz knüpft insbesondere an die produktspezifischen Anforderungen an, unter anderem an Mindestalkoholgehalte und Herstellungsverfahren.

Mindestalkoholgehalte als Zündschnur des Problems

Für die gängigen Spirituosenkategorien gilt in der EU ein Mindestalkoholgehalt. Bei Gin und Rum beträgt er mindestens 37,5 % vol, bei Whiskey/Whisky mindestens 40 % vol. Alkoholfreie Alternativen, die typischerweise bis zu 0,5 % vol enthalten, erfüllen diese Anforderungen naturgemäß nicht. Genau hier liegt die rechtliche Relevanz von Bezeichnungen und Anspielungen.

„Alkoholfrei“ ist kein Freibrief

Selbst wenn ein Produkt „alkoholfrei“ beworben wird, hebt dies den Schutz der Spirituosenbezeichnungen nicht auf. Entscheidend bleibt, ob der Verbraucher eine gedankliche Verbindung zu einer geschützten Kategorie herstellt und ob die Aufmachung die strengen Vorgaben für Spirituosenbezeichnungen umgeht.

Die Entscheidung des LG Hamburg vom 24.07.2025 – 416 HKO 51/23

Der Fall in Kürze

Ein Hersteller alkoholfreier Getränke bewarb seine Varianten mit den Aussagen „This is not Gin“, „This is not Whiskey“ und „This is not Rum“. Die Produkte basierten auf entalkoholisierten Essenzen der jeweiligen Spirituosen und enthielten nur bis zu 0,5 % vol Alkohol. Die Aussage sollte vermitteln: „Es schmeckt so – ist es aber nicht.“ Das LG Hamburg wertete die Aufmachung als Verstoß gegen Art. 10 Abs. 7 der Spirituosenverordnung und damit als unlauteren Rechtsbruch nach § 3a UWG.

Kernaussagen des Gerichts

Das LG Hamburg knüpft an den strengen Bezeichnungsschutz der Spirituosenkategorien an. Geschützte Begriffe dürfen nicht zur Produktbezeichnung oder Werbung verwendet werden, wenn das Produkt die produktspezifischen Anforderungen gerade nicht erfüllt. Das gilt auch dann, wenn die Bezeichnung vermeintlich relativiert wird.

Wichtig: Das Gericht macht deutlich, dass nicht nur die direkte Verwendung, sondern auch begriffliche Annäherungen rechtlich problematisch sind. Eine negative Formulierung wie „This is not Gin“ nutzt den geschützten Begriff dennoch werblich aus und transportiert die gedankliche Zuordnung des Produkts zu „Gin“. Die Irreführungsgefahr bleibt bestehen.

Warum „This is not …“ nicht rettet

Die Negation („not“) ändert nach der Wertung des Gerichts nichts Wesentliches: Der Begriff „Gin“ wird gleichwohl prominent verwendet und prägt die Produktvorstellung. Aus Verbrauchersicht entsteht der Eindruck, man habe es mit einer Art „Gin, nur eben alkoholfrei“ zu tun. Gerade dieses „Mitmeinen“ der Kategorie macht die Werbung unzulässig.

Verbrauchererwartung im Mittelpunkt

Maßgeblich ist der in Art. 10 Abs. 7 VO (EU) 2019/787 verankerte absolute Bezeichnungsschutz. Der Kontext der Verwendung spielt keine Rolle; auch die Negation („This is not …“) ändert nichts, weil die geschützte Bezeichnung gleichwohl verwendet wird. Wer „Gin/Whiskey/Rum“ liest, ordnet das Produkt gedanklich dieser Kategorie zu – und erwartet deren wesentliche Merkmale, allen voran den üblichen Alkoholgehalt. Fehlt dieses Kernelement, liegt aus Sicht des Wettbewerbsrechts eine relevante Täuschungsgefahr nahe.

Was bedeutet das für Ihre Werbung und Produktaufmachung?

Produktnamen und Claims mit Augenmaß wählen

Vermeiden Sie prominente Nennungen geschützter Spirituosenkategorien im Produktnamen, in Slogans, Taglines oder Key Visuals. Auch indirekte Anspielungen können kritisch sein. Sicherer ist eine neutrale, eigenständige Bezeichnung Ihres Produkts.

Besser: „Alkoholfreies Wacholder-Getränk“ oder „Aromatisches Getränk mit Wacholdernoten“.
Riskant: „This is not Gin“, „Gin-Style Zero“, „0.0 Gin Experience“.

Geschmacksbeschreibung statt Kategoriebenennung

Sie können Aromen beschreiben, ohne eine geschützte Kategorie als Referenzbegriff zu verwenden. Zulässig sind regelmäßig sachliche, sensorische Angaben, etwa „mit Wacholder-, Zitrus- und Kräuternoten“, „mit Fass- und Vanillearomen“ oder „rauchige, malzige Anmutung“ – sofern zutreffend und nicht übertrieben.

Verpackung, Online-Shop und Social Media konsistent gestalten

Rechtliche Risiken entstehen häufig durch die Gesamterscheinung: Produktname, Front-of-Pack, Detailseite, Meta-Titel, Produkt-URL, Hashtags, Alt-Texte, Influencer-Posts. Achten Sie auf Konsistenz und vermeiden Sie „Gin/Whiskey/Rum“ als Blickfang oder SEO-Hook.

Keyword-Advertising und SEO

Auch Keywords können eine Irreführungsgefahr begründen, wenn sie gezielt den Eindruck erwecken, das Produkt sei eine Spirituose oder gehörte zu einer geschützten Kategorie. Vermeiden Sie produktprägende Verwendungen der Begriffe in Titles, H1/H2, Slugs. Vergleichende Hinweise sollten sparsam und klarstellend erfolgen, ohne die geschützte Bezeichnung zum Kernelement der Kommunikation zu machen.

Praxisbeispiele: So geht es rechtssicherer

Vorher

This is not Gin – die alkoholfreie Gin-Alternative mit 0.0 %.“

Nachher

Alkoholfreies Wacholder-Getränk mit Zitrus- und Kräuternoten – inspiriert von klassischen Botanical-Kompositionen.“

Vorher

This is not Whiskey – Fasscharakter ganz ohne Promille.“

Nachher

Aromatisches Getränk mit Fass- und Vanilleanklängen, geeignet für Mocktails und pur auf Eis.“

Tipp: Setzen Sie auf sensorische Sprache, nicht auf Spirituosen-Bezeichnungen. So kommunizieren Sie Geschmack, ohne die Schutzbereiche zu berühren.

Risiken bei Verstößen

Abmahnung und Unterlassung

Wettbewerber und Verbände können abmahnen und Unterlassung verlangen. Kosten für Abmahnung und ggf. Gerichtsverfahren kommen hinzu. Wird eine Unterlassungserklärung abgegeben, drohen bei Verstößen Vertragsstrafen.

Rückruf- und Anpassungsdruck

Eine gerichtliche Untersagung kann schnelle Packaging- und Shop-Anpassungen erforderlich machen. Altbestände, POS-Materialien und Werbemittel müssen ggf. kurzfristig überarbeitet werden. Planen Sie Puffer für Relaunches ein.

Reputations- und Plattformrisiken

Listungssperren im Handel, Beanstandungen durch Marktplätze und Plattformrichtlinien sind möglich. Einmal veröffentlichte Claims verbreiten sich schnell – Klarstellungen kosten Zeit und Vertrauen.

Checkliste für rechtssichere Kommunikation

  • Produktkern definieren: Wofür steht das Getränk geschmacklich – ohne Spirituosenbezeichnung?
  • Benennungen prüfen: Kein „Gin/Whiskey/Rum“ im Namen, Slogan, Logo, Hashtag.
  • Sensorik statt Kategorie: Aromen, Botanicals, Anmutungen präzise und wahrheitsgemäß beschreiben.
  • Design feinjustieren: Bildsprache und Typography so wählen, dass keine Spirituosen-Kategorie suggeriert wird.
  • Shop & SEO abstimmen: Title, Meta, H1/H2, URL, Alt-Texte konsistent gestalten.
  • Kooperationen briefen: Influencer und Agenturen klar anleiten, kritische Begriffe zu vermeiden.
  • Dokumentation pflegen: Prüfvermerke und Freigaben intern ablegen.

Häufige Fragen kurz erklärt

Darf ich „Gin-Alternative“ schreiben?

Diese Formulierung ist nach der Entscheidung des LG Hamburg unzulässig, wenn das Produkt die Kategorieanforderungen nicht erfüllt. Das Gericht hat u.a. „alkoholfreie Alternative zu Gin/Rum/Whiskey“ als unzulässig untersagt.

Darf ich geschützte Begriffe in Fließtexten erwähnen?

Eine rein beschreibende Einordnung kann in engen Grenzen möglich sein, wenn sie nicht blickfangartig ist und nicht produktprägend wirkt. Vermeiden Sie Überschriften oder Slogans mit der geschützten Bezeichnung.

Ist „alkoholfrei“ neben „Gin“ ausreichend?

Nein. „Alkoholfrei“ neutralisiert nicht den Bezeichnungsschutz. Gerade die Kombination führt zur problematischen Assoziation.

Was ist mit 0,0 % vs. 0,5 % vol?

Die Angabe des Alkoholgehalts ist wichtig, ändert aber nichts am Bezeichnungsschutz der Kategorie. Konzentrieren Sie sich auf eine eigenständige Produktidentität.

Fazit

Die Hamburger Entscheidung setzt ein deutliches Signal: Wer alkoholfreie Getränke mit geschützten Spirituosenbegriffen verknüpft, bewegt sich rechtlich auf dünnem Eis. Sicherer und zugleich markenstrategisch sinnvoll ist eine eigene, aromenbasierte Sprache. So vermitteln Sie Genuss und Qualität, ohne juristische Fallstricke auszulösen. Gern prüfen wir Ihre Produktaufmachung, Claims und Kampagnen und entwickeln mit Ihnen rechtssichere Alternativen, die verkaufen und bestehen.

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