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Irreführende Werbung mit "neuester Innovation"

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden und Patienten greifen Unternehmen gerne zu Superlativen: "modernste Technik", "bahnbrechende Innovation", "neueste Entwicklung". Doch Werbung ist kein rechtsfreier Raum. Gerade Aussagen, die eine Spitzenstellung suggerieren, stehen unter besonderer Beobachtung des Lauterkeitsrechts. Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 29.08.2023 (Az.: I-4 U 222/22) einen Fall entschieden, in dem ein Arzt mit genau einer solchen Aussage warb – und damit eine Grenze überschritt.

Der Sachverhalt: Werbung in der ärztlichen Praxis

Der Beklagte ist Arzt und betreibt eine Praxis für Haartransplantationen. Er bewarb sein Behandlungsangebot unter anderem mit folgenden Aussagen:

  • "Die XY-Methode ist die neueste technische Innovation..."
  • "... behandeln wir in unserer Klinik ab sofort mit der neuen Generation der XY..."

Diese Formulierungen richteten sich an Patienten, die eine Haartransplantation in Erwägung ziehen und sich im Internet über unterschiedliche Methoden informieren. Durch die Verwendung von Begriffen wie "neueste technische Innovation" und "neue Generation" wurde suggeriert, dass die vom Beklagten angebotene Methode auf dem aktuellsten Stand der Technik sei.

Tatsächlich war dies nicht der Fall: Es existierte zum Zeitpunkt der Werbung bereits eine weitere Entwicklung der XY-Methode, die technisch fortgeschrittener und jünger war. Diese wurde vom Beklagten jedoch nicht angeboten.

Ein Mitbewerber sah in dieser Werbung eine Irreführung der Verbraucher und klagte auf Unterlassung – mit Erfolg.

Die rechtliche Ausgangslage: § 5 UWG

Das zentrale gesetzliche Fundament für die Beurteilung der Werbeaussagen ist § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Danach ist eine geschäftliche Handlung unlauter, wenn sie irreführend ist und geeignet, die Entscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen.

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG liegt eine Irreführung insbesondere vor, wenn unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale einer Ware oder Dienstleistung gemacht werden. Dazu gehören unter anderem:

  • die Art,
  • die Beschaffenheit,
  • die Zusammensetzung,
  • die Verfahren zur Herstellung oder Erbringung,
  • die Verwendungsmöglichkeiten,
  • die Ergebnisse und wesentlichen Merkmale von Tests oder Prüfungen.

Das OLG Hamm musste somit prüfen, ob die Aussage "neueste technische Innovation" im konkreten Fall objektiv falsch bzw. irreführend war und ob dies die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher beeinflussen konnte.

Die Entscheidungsgründe des OLG Hamm im Detail

1. Verkehrsauffassung: Was versteht der durchschnittliche Verbraucher unter "neuester Innovation"?

Das Gericht legte den Maßstab des sogenannten "durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers" an. Nach Auffassung des Senats versteht dieser eine Aussage wie "neueste technische Innovation" dahin, dass es sich bei dem angebotenen Verfahren um die zeitlich jüngste und technisch fortschrittlichste Version handelt, die derzeit auf dem Markt verfügbar ist.

Diese Erwartung sei bei medizinischen Leistungen besonders hoch, da Patienten ihre Gesundheit einem Arzt anvertrauen und davon ausgehen, dass ihnen der aktuellste Stand der Wissenschaft angeboten wird.

"Die streitgegenständlichen Werbeaussagen versteht der angesprochene Verkehr dahin, dass es sich bei dem vom Beklagten eingesetzten Haartransplantationsverfahren um die neueste Version der XY-Methode handelt."

2. Objektive Unrichtigkeit der Aussage

Entscheidend war, dass zum Zeitpunkt der Werbung eine weiterentwickelte Methode existierte, die zeitlich jünger war und technisch fortgeschrittenere Eigenschaften aufwies. Dies war unstreitig. Der Beklagte hatte im Verfahren nicht einmal bestritten, dass eine jüngere Methode existierte und von ihm nicht angeboten wurde.

Damit war die Werbeaussage objektiv falsch und geeignet, beim Verbraucher eine falsche Vorstellung hervorzurufen.

3. Relevanz der Irreführung für die geschäftliche Entscheidung

Das OLG betonte, dass die Aussage nicht nur theoretisch irreführend sei, sondern auch eine konkrete geschäftliche Relevanz besitze. Denn ein Verbraucher könnte sich gerade wegen des Versprechens der "neuesten Methode" für die Praxis des Beklagten entscheiden.

"Diese Irreführung ist auch geschäftlich relevant. Sie ist geeignet, Verbraucher, die sich in dem – irrigen – Glauben befinden, der Beklagte setze die neueste Version der Methode ein, zu einer Kontaktaufnahme mit der Praxis zu veranlassen."

Bedeutung für die Praxis

1. Werbeaussagen mit Superlativen sind risikobehaftet

Begriffe wie "neueste", "modernste", "bahnbrechend", "revolutionär" und ähnliche Superlative sind im Marketing zwar beliebt, sie bergen aber rechtlich erhebliche Risiken. Wer solche Begriffe verwendet, muss sicherstellen, dass diese Aussagen auch objektiv zutreffen.

Gerade im medizinischen und gesundheitsnahen Bereich gelten strenge Anforderungen an die Lauterkeit der Werbung, da Verbraucher hier besonders schutzbedürftig sind.

2. Objektivität vor Werbung: Technischer Vorsprung muss belegbar sein

Ein Anbieter muss jederzeit nachweisen können, dass er zum Zeitpunkt der Werbung tatsächlich die neueste Version eines Verfahrens oder einer Methode anbietet. Ist dies nicht der Fall, kann bereits die Verwendung des Begriffs "neu" oder "neueste" eine unlautere geschäftliche Handlung darstellen.

3. Abgrenzung zulässiger Aussagen

Zulässig sind z.B. folgende Alternativen:

  • "bewährte Methode mit modernem Ansatz"
  • "etablierte Technologie, vielfach erfolgreich eingesetzt"
  • "erprobte Behandlungsform basierend auf der XY-Methode"

Diese Formulierungen sind wertend, aber nicht objektiv tatsachenbehauptend im Sinne einer Spitzenstellung.

Fazit: Wer "neueste Innovation" verspricht, muss liefern können

Das Urteil des OLG Hamm ist ein deutliches Signal an Werbende, insbesondere im sensiblen Bereich medizinischer Dienstleistungen:

Wer mit Superlativen wirbt, setzt sich hohen Beweisanforderungen aus. Wird eine weiterentwickelte Methode verschwiegen oder ignoriert, kann dies nicht nur zur Abmahnung und Unterlassungsklage, sondern auch zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust bei Patienten und Kunden führen.

Die Entscheidung führt vor Augen, dass sich Werbung immer an der objektiven Wahrheit messen lassen muss. In einem von Informationsasymmetrien geprägten Markt wie dem Gesundheitswesen ist dies nicht nur ein Gebot der Fairness, sondern auch ein gesetzlicher Anspruch.

Unsere Empfehlung für Ihre Praxis oder Ihr Unternehmen: Lassen Sie Ihre Werbung regelmäßig juristisch prüfen. Gerade bei gesundheitsbezogenen Dienstleistungen hilft eine rechtliche Begleitung dabei, Risiken zu vermeiden und langfristig ein vertrauenswürdiges Image aufzubauen.

Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung. Wir beraten Sie kompetent im Wettbewerbsrecht und ärztlichen Werberecht.

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