Irreführende Werbung mit „komplett kostenlos“

Online-Werbung mit „komplett kostenlos“ – wann wird’s rechtlich problematisch?
Kostenlos ist nicht gleich kostenlos
Kostenlos. Gratis. Umsonst. Solche Worte ziehen im Online-Marketing. Wer klickt nicht gerne auf ein Produkt, das angeblich „komplett kostenlos“ ist? Doch was, wenn am Ende doch Kosten anfallen – etwa für den Versand? Genau dieser Frage widmet sich das Kammergericht Berlin in seinem Beschluss vom 11.02.2025 (Az.: 5 U 1/22) – mit einer klaren Antwort: Das ist irreführend und damit wettbewerbswidrig.
In diesem Beitrag zeigen wir, warum das so ist, was Händler beachten müssen – und welche Konsequenzen drohen, wenn sie es nicht tun. Und das in klarer Sprache, praxisnah und mit rechtlicher Tiefe.
Der Fall: „Komplett kostenlos“ – aber 6,90 Euro bitte trotzdem!
Ein Unternehmen bewarb in einem Online-Börsenbrief ein Buch mit den Worten:
- „komplett kostenlos“
- „gratis“
Bei genauerem Hinsehen stellte sich aber heraus: Wer das Buch bestellte, sollte 6,90 Euro für „Produktion und Versand“ zahlen – ausgewiesen als „Sonderpreis“.
Warum das problematisch ist?
Weil hier Werbung und Realität auseinanderklaffen. Die zentrale Frage lautet: Was versteht ein durchschnittlicher Verbraucher unter „komplett kostenlos“? Die Antwort des Gerichts: „Gar keine Kosten“.
Das sagt das Kammergericht Berlin (Beschl. v. 11.02.2025 – Az.: 5 U 1/22)
Das KG Berlin bewertet diese Art der Werbung als klar irreführend im Sinne des Wettbewerbsrechts (§ 5 Abs. 1 UWG).
Wörtlich heißt es:
„[…] versteht ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher eine Werbung über die Zusendung eines Buches als ‚komplett kostenlos‘ […] dahin, dass ihm keinerlei Kosten entstehen werden.“
Die Entscheidung beruht auf einem Hinweisbeschluss, mit dem das Gericht deutlich macht:
Kostenfreiheit bedeutet auch: Keine Versand- oder Verpackungskosten. Selbst dann nicht, wenn diese nachvollziehbar oder gering erscheinen.
Wichtige Aussagen des Gerichts im Überblick:
- „Gratis“ oder „komplett kostenlos“ meint: absolut kostenfrei.
- Versandkosten – selbst in angemessener Höhe – sind mit dieser Werbeaussage nicht vereinbar.
- Ein späterer Hinweis auf Zusatzkosten auf der Website reicht nicht aus.
- Der Blickfang („komplett kostenlos“) muss selbst schon vollständig wahrheitsgemäß sein.
Warum reicht ein späterer Hinweis auf Zusatzkosten nicht?
Ein besonders interessanter Aspekt des Urteils betrifft die Blickfangwerbung. Das Gericht betont:
Ein nachträglicher Hinweis auf der Website reicht nicht aus, wenn dieser nicht am eigentlichen Blickfang teilnimmt.
Das bedeutet:
- Wer im sichtbaren Bereich mit „kostenlos“ wirbt, muss dort auch klarstellen, wenn trotzdem Kosten entstehen.
- Kleingedruckte Hinweise oder erst im Warenkorb eingeblendete Zusatzkosten können die Irreführung nicht heilen.
Das sagt das Gesetz: Irreführung nach § 5 UWG
Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG liegt eine Irreführung über den Preis oder das Vorhandensein eines Preisvorteils vor, wenn eine Leistung als „kostenlos“ bezeichnet wird, obwohl tatsächlich Kosten anfallen.
Voraussetzungen für eine Irreführung:
- Die Werbung erweckt einen falschen Eindruck.
- Der angesprochene Verbraucher wird dadurch in seiner Entscheidung beeinflusst.
- Das Verhalten ist wettbewerbsrechtlich relevant, also geeignet, Mitbewerber zu benachteiligen.
Im vorliegenden Fall: Alle Punkte sind erfüllt.
Argumentation: Warum ist das irreführend?
1. Wortwahl „komplett kostenlos“ suggeriert absolute Kostenfreiheit.
Nicht „nur kostenlos“, sondern „komplett“ – also auch ohne versteckte Nebenkosten.
2. Durchschnittsverbraucher rechnen mit Versandkosten – aber nicht bei solcher Werbung.
In vielen Fällen wissen Kunden, dass Versandkosten anfallen können. Aber wenn ausdrücklich „komplett kostenlos“ gesagt wird, ist dieses Wissen irrelevant. Die Erwartungshaltung wird durch die Werbung bestimmt – nicht durch allgemeine Marktgepflogenheiten.
3. Produktion und Versand als „Sonderpreis“? Ein Taschenspielertrick.
Die Werbung spricht von „gratis“, im Kleingedruckten werden 6,90 EUR verlangt – das widerspricht sich.
Konsequenzen für Unternehmen: Abmahnung & Unterlassung
Die Werbung mit „komplett kostenlos“, wenn dennoch Kosten erhoben werden, kann eine Abmahnung durch Mitbewerber oder Verbraucherschutzverbände nach sich ziehen. Mögliche Folgen:
- Abmahnkosten
- Verpflichtung zur Unterlassung
- Vertragsstrafen bei Wiederholung
- Imageverlust
Tipp: Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte „kostenlos“ nur dann verwenden, wenn auch tatsächlich keine Zahlung fällig wird – weder für Versand noch für Bearbeitung, Verpackung oder Produktion.
Praxistipps: So vermeiden Sie rechtliche Fallstricke
✅ Verwenden Sie Begriffe wie „gratis“, „kostenlos“ oder „komplett kostenlos“ nur, wenn das Produkt wirklich vollständig kostenlos ist.
✅ Wenn doch Kosten anfallen, muss dies direkt am Blickfang ersichtlich sein – z.B. „kostenlos (zzgl. 6,90 € Versand)“.
✅ Vermeiden Sie unklare Begriffe wie „Sonderpreis“ für Zusatzkosten.
✅ Sorgen Sie dafür, dass auch der Durchschnittsverbraucher die Bedingungen sofort versteht.
✅ Lassen Sie Ihre Werbung vor Veröffentlichung rechtlich prüfen – z. B. durch eine spezialisierte Kanzlei.
Fazit: Keine halben Sachen bei „kostenlos“
Die Entscheidung des KG Berlin schafft klare Verhältnisse: Wer mit „komplett kostenlos“ wirbt, muss auch komplett kostenlos liefern – inklusive Versand. Andernfalls drohen rechtliche Konsequenzen wegen Irreführung.
Online-Werbung ist ein starkes Instrument – aber sie muss fair und transparent sein. Das Vertrauen der Kunden ist schnell verspielt, wenn Versprechen nicht eingehalten werden. Mit klarer Sprache, ehrlicher Kommunikation und rechtlicher Beratung lässt sich das vermeiden.
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