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Irreführende Werbung für Haarwuchsmittel

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Werbeaussagen im Gesundheitsbereich sind heikel – gerade wenn es um sichtbare Resultate wie Haarwachstum geht. Viele Verbraucher verlassen sich auf plakative Aussagen wie „mehr Haare in wenigen Wochen“. Das LG Bamberg hat in einem aktuellen Urteil deutlich gemacht, dass solche Aussagen nicht nur wissenschaftlich belegt, sondern auch gesetzlich zugelassen sein müssen. Im Fokus: Die Werbung mit „11 % mehr Haare in nur 16 Wochen“. Diese sei laut Gericht unzulässig und verstoße gegen geltendes Wettbewerbsrecht.

Der konkrete Sachverhalt

Die Beklagte, ein pharmazeutisches Unternehmen, bewarb ein Nahrungsergänzungsmittel zur Haarpflege mit mehreren Aussagen, darunter:

  • „Damit dünner werdendes und kraftloses Haar nicht zur Sorge wird: [Produktname] unterstützt die Grundversorgung der Haarwurzel und somit das gesunde Haarwachstum von innen heraus.“
  • „11 % mehr Haare in nur 16 Wochen.“

Das Produkt wurde als Kapsel zur Einnahme vermarktet und enthielt u. a. Biotin, Zink und andere Vitamine. Die Aussagen wurden in Zeitschriftenanzeigen und Online verwendet und zielten auf Menschen mit Haarausfall oder dünner werdendem Haar.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) mahnte das Unternehmen ab und erhob anschließend Unterlassungsklage. Begründung: Die Aussagen seien gesundheitsbezogen, jedoch nicht zugelassen im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1924/2006 (Health-Claims-Verordnung, HCVO).

Was sind gesundheitsbezogene Angaben?

Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO liegt eine gesundheitsbezogene Angabe vor, wenn „[…] erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und der Gesundheit besteht.“

Das umfasst insbesondere Aussagen, die einen funktionellen Nutzen für den Körper versprechen – etwa „unterstützt das Immunsystem“, „trägt zum normalen Energiestoffwechsel bei“ oder eben „führt zu mehr Haaren“.

Die Health-Claims-Verordnung – rechtlicher Rahmen

Die HCVO regelt europaweit, welche gesundheitsbezogenen Angaben für Lebensmittel erlaubt sind. Eine Angabe darf nur verwendet werden, wenn:

  • sie von der Europäischen Kommission zugelassen ist,
  • sie sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse stützt,
  • sie sich auf einen genau definierten Stoff bezieht (z. B. Biotin, Vitamin B7),
  • sie in der Positivliste (Anhang der Verordnung 432/2012) enthalten ist.

Alles, was darüber hinausgeht oder missverständlich ist, ist grundsätzlich verboten.

Die Entscheidung des LG Bamberg im Detail

Das LG Bamberg schloss sich der Auffassung des vzbv an. Nach Prüfung der Aussagen kam das Gericht zu folgendem Ergebnis:

„Die streitgegenständlichen Angaben in der Werbung der Beklagten sind als gesundheitsbezogene Angaben einzuordnen, da ein Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel einerseits und dem gesundheitlichen Zustand andererseits erklärt wird.“

Insbesondere hob das Gericht hervor:

  • Die Aussage „11 % mehr Haare“ ist nicht kosmetisch, sondern funktional – sie betrifft den Zustand eines Körperorgans (Haar).
  • Die Angabe impliziert eine kausale Wirkung zwischen Einnahme des Produkts und Haarwachstum.
  • Solche Wirkversprechen sind zulassungspflichtig – eine solche Zulassung lag jedoch nicht vor.

Folglich liege ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO vor. Dieser Artikel besagt, dass gesundheitsbezogene Angaben nur erlaubt sind, wenn sie gemäß Art. 13 oder 14 zugelassen sind.

Das Gericht stellte ausdrücklich klar:

„Die Aussage geht über die von der HCVO zugelassenen Aussagen hinaus und stellt damit einen unzulässigen Health Claim dar.“

Warum die Aussage „11 % mehr Haare“ irreführend ist

Zwei Hauptgründe führten zur Unzulässigkeit:

  1. Keine wissenschaftlich anerkannte Grundlage:
    • Die Behauptung „11 % mehr Haare“ basiert nicht auf unabhängigen, anerkannten Studien.
    • Die von der Beklagten vorgelegte Studie war aus Sicht des Gerichts methodisch nicht ausreichend, insbesondere fehlten Kontrollgruppen oder standardisierte Messungen.
  2. Verstoß gegen die HCVO und Irreführung nach UWG:
    • Ein durchschnittlicher Verbraucher versteht die Aussage als ein objektives, garantiertes Ergebnis.
    • Das Gericht sah hier eine unangemessene Beeinflussung und Täuschung über den tatsächlichen Nutzen des Produkts.

Konsequenzen für Werbung mit Nahrungsergänzungsmitteln

Für Unternehmen bedeutet dieses Urteil:

  • Keine eigenwilligen Formulierungen: Auch scheinbar harmlose Aussagen wie „für gesunde Haare“ müssen exakt dem Wortlaut zugelassener Claims entsprechen.
  • Keine Wirkung ohne Zulassung: Selbst wenn einzelne Inhaltsstoffe zugelassen sind (z. B. Biotin für „Erhalt normaler Haare“), dürfen Aussagen nicht quantifiziert oder verstärkt werden („11 % mehr Haare“).
  • Vorsicht bei indirekten Aussagen: Auch „unterstützt die Haarwurzel“ wird als gesundheitsbezogen angesehen.

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