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Irreführende Werbung: „CO₂-neutral reisen“

| Rechtsanwalt Frank Weiß

I. Einleitung: Greenwashing im Fokus der Justiz

Wer als Unternehmen mit Begriffen wie „nachhaltig“, „klimaneutral“ oder „CO₂-neutral“ wirbt, verspricht mehr als nur ein gutes Gewissen – er schafft Erwartungshaltungen, die rechtlich überprüfbar sind. Das OLG Köln hat sich im Dezember 2024 in einem wegweisenden Urteil mit der Zulässigkeit einer umweltbezogenen Werbeaussage der Eurowings GmbH beschäftigt. Gegenstand der Entscheidung: die Werbeaussage

„CO₂-neutral reisen … jetzt ausgleichen und abheben“

Die Entscheidung verdeutlicht: Umweltwerbung unterliegt besonders strengen Anforderungen an Klarheit und Transparenz. Der nachfolgende Beitrag analysiert ausführlich die tatsächlichen Abläufe, die rechtliche Bewertung und die praktischen Konsequenzen dieser Entscheidung.

II. Der Sachverhalt: Was hat Eurowings genau gemacht?

1. Die beworbene Dienstleistung

Die beklagte Fluggesellschaft Eurowings bot ihren Kunden optional die Möglichkeit an, die durch den gebuchten Flug entstehenden CO₂-Emissionen auszugleichen. Dies geschah in zwei Varianten:

a) Vorkompensation bei der Buchung

  • Bereits im Buchungsvorgang konnten Kunden eine Zusatzoption wählen, mit der sie freiwillig einen Betrag zum CO₂-Ausgleich leisten konnten.
  • Dieser Mehrbetrag wurde in insgesamt 13 unterschiedliche Klimaschutzprojekte investiert. Diese Projekte befanden sich laut Eurowings in Deutschland, Europa und weltweit.
  • Dabei handelte es sich z.B. um Aufforstungsprojekte oder erneuerbare Energieinitiativen.

b) Nachträgliche Kompensation über SAF

  • Kunden, die nach dem Flug noch aktiv werden wollten, konnten sich über eine von der Eurowings-Muttergesellschaft bereitgestellte Plattform („Compensaid“) sogenannte Sustainable Aviation Fuels (SAF) kaufen.
  • Diese Treibstoffe werden z. B. aus Altölen oder Reststoffen aus der Papierindustrie gewonnen.
  • Das SAF wurde allerdings nicht dem eigenen Flug zugeordnet, sondern „irgendwann“ zu einem unbestimmten Zeitpunkt global in das Tankvolumen von Eurowings eingespeist.

2. Die konkrete Werbeaussage

In der Werbung hieß es:

„CO₂-neutral reisen. Zusammen machen wir das Fliegen nachhaltiger: CO₂-Emissionen ausgleichen und abheben.“

Diese Aussage wurde dem Kunden im Rahmen des Buchungsvorgangs prominent angezeigt, verbunden mit einem Hinweis auf die Zusatzoption zur Kompensation.

Die Klägerin – die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) – beanstandete die Aussage als irreführend, da der Begriff „ausgleichen und abheben“ suggeriere, dass der Ausgleich sofort, also vor dem Flug, erfolgt. Dies sei jedoch gerade nicht immer der Fall – insbesondere bei der SAF-Variante, bei der eine echte Kompensation oft erst Monate später erfolge und auch nicht personenbezogen sei.

III. Die Entscheidung des OLG Köln (Az. 6 U 45/24)

1. Rechtliche Einordnung: § 5 Abs. 1 UWG

Das Gericht bejahte einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 UWG (Irreführende geschäftliche Handlung):

„Die beanstandete Werbeaussage ist irreführend, weil sie geeignet ist, beim Durchschnittsverbraucher eine falsche Vorstellung über den Zeitpunkt und die Wirksamkeit des CO₂-Ausgleichs zu erzeugen.“

Entscheidend war für das Gericht, wie der Werbeslogan verstanden wird – nämlich nicht durch eine fachlich informierte Minderheit, sondern durch den durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbraucher.

2. Zentrale Ausführungen des Gerichts

a) Fehlende Transparenz und Irreführung durch „ausgleichen und abheben“

„Die Formulierung „ausgleichen und abheben“ legt das Verständnis nahe, dass der Ausgleich erfolgt, bevor der Flug startet, bevor der Kunde „abhebt“.“

Das OLG stellte klar: Der Werbeslogan impliziert eine zeitliche Nähe zwischen Ausgleich und Flug. Wenn die Kompensation aber in Wahrheit erst Wochen oder Monate später erfolgt – ggf. sogar in einem nicht nachprüfbaren Umfang –, ist dies eine wesentliche Information, die nicht verschleiert werden darf.

b) Mehrdeutigkeit des Begriffs „CO₂-neutral“

Das Gericht betonte, dass der Begriff „CO₂-neutral“ rechtlich nicht normiert und mehrdeutig ist. Daher müsse sich der Werbende besonders um Klarheit bemühen:

„Der Begriff des Ausgleichs von Emissionen lässt verschiedene Deutungen zu – etwa hinsichtlich Art, Zeitpunkt und Umfang der Kompensation.“

Wenn – wie hier – der Kunde möglicherweise von einer sofortigen Wirkung ausgeht, ist dies aufzuklären, und zwar:

  • unmittelbar
  • im Sichtfeld des Kunden
  • bei der Kaufentscheidung (z.B. Buchungs-Button)

Ein bloßer Hinweis auf Unterseiten oder Verlinkungen reiche nicht aus.

c) Aufklärungspflicht im unmittelbaren Kontext der Werbung

„Dass der Kunde durch eigene Tätigkeit Informationen ermitteln kann, genügt nicht.“

Auch wenn Eurowings auf der Website weiterführende Informationen bereitgestellt hatte: Diese waren nicht geeignet, die Irreführung zu beseitigen, weil sie zu versteckt waren. Die Informationen müssen unmittelbar an der Werbebotschaft selbst platziert sein – so das OLG.

d) Keine Ausrede durch Platzmangel

Besonders wichtig: Das Gericht schloss sich der strengeren Auslegung des § 5 UWG an und wies ausdrücklich darauf hin, dass – anders als in § 5a UWGkein Raum für die Berufung auf „Platzmangel“ in Werbemitteln besteht:

§ 5 UWG enthält keine Verweisung auf räumliche Beschränkungen des gewählten Kommunikationsmittels.“

Das bedeutet: Wer mit CO₂-Ausgleich wirbt, muss alle relevanten Informationen sofort mitliefern – unabhängig vom Medium.

IV. Bewertung und rechtliche Bedeutung

1. Konsequenzen für die Umweltwerbung

Das Urteil setzt klare Leitplanken für Unternehmen:

  • Umweltwerbung unterliegt besonders strengen Prüfmaßstäben
  • Begriffe wie „klimaneutral“ oder „CO₂-kompensiert“ sind aufklärungsbedürftig
  • Transparenz und Zeitnähe sind entscheidend für die Zulässigkeit

2. Praxisrelevanz

Viele Unternehmen bieten CO₂-Kompensationen an – häufig über Spenden an Projekte oder SAF-Modelle. Wichtig ist:

  • Der genaue Mechanismus (Zeitpunkt, Zuordnung, Projekttyp) muss klar erklärt werden
  • Keine irreführenden Suggestionen („sofort“, „fliegen ohne CO₂“), wenn die tatsächliche Wirkung zeitverzögert oder unsicher ist

V. Fazit: Greenwashing ist kein Kavaliersdelikt

Mit der Entscheidung (Az. 6 U 45/24) hat das OLG Köln deutlich gemacht: Umweltversprechen sind nicht nur moralisch, sondern rechtlich bindend. Wer den Eindruck erweckt, CO₂-Ausgleich erfolge sofort und vollständig, muss dies auch leisten – oder klarstellen, wenn dies nicht der Fall ist.

Für Unternehmen bedeutet das: Grünes Marketing muss rechtssicher und belastbar sein – andernfalls drohen rechtliche Konsequenzen, Unterlassungsklagen und Imageschäden.

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