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Irreführende Werbung bei Frequenzmatten

| Rechtsanwalt Frank Weiß

1. Einleitung: Wenn Wellness zur Werbefalle wird

Immer mehr Anbieter bewerben im Internet Produkte, die angeblich Gesundheit, Wohlbefinden und sogar ein längeres Leben versprechen. Dabei ist vielen nicht bewusst – oder wird bewusst ignoriert –, dass solche Aussagen rechtlich nur dann zulässig sind, wenn sie wissenschaftlich gesichert sind. Der Gesundheitsmarkt boomt, aber nicht jede vermeintliche Innovation hält einer juristischen Überprüfung stand. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Freiburg (Az. 4 O 22/24) bringt das auf den Punkt. Im Fokus: eine „Frequenzmatte“, die mit zahlreichen gesundheitsbezogenen Aussagen beworben wurde – ohne wissenschaftliche Basis.

2. Der Sachverhalt: Die Multispa Frequenzmatte und ihre Versprechungen

Im Zentrum des Verfahrens stand die Multispa UG (haftungsbeschränkt), ein Unternehmen, das ein Produkt namens „Multispa Frequenzmatte“ online für etwa 1.690 Euro vertrieb. Die Frequenzmatte wurde aufwendig in Szene gesetzt – sowohl sprachlich als auch grafisch. Die Werbeaussagen waren breit gefächert: Die Matte solle unter anderem Stress reduzieren, die Konzentration verbessern, gegen Burnout helfen, den Schlaf fördern, Entzündungen hemmen und sogar den Alterungsprozess verlangsamen. Auch schwerwiegende medizinische Zustände wie Migräne, Depressionen, Arthrose oder Fibromyalgie wurden in Zusammenhang mit der Wirkung des Produkts genannt.

Untermauert wurden diese Aussagen mit Begriffen wie „studienbasiert“, „medizinisches Produkt“ oder „von Ärzten und Heilpraktikern empfohlen“. Zudem wurde der Eindruck erweckt, das Produkt sei durch „Schumann-Frequenzen“, Magnetfelder, Biophotonen und Infrarotstrahlung wissenschaftlich erklärbar. Die Webseite war visuell professionell aufgebaut und suggerierte eine Nähe zur medizinischen Forschung und Praxis – obwohl die Frequenzmatte kein zertifiziertes Medizinprodukt war und es keine validen Studien zur behaupteten Wirksamkeit gab.

3. Die Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv)

Diese Form der Werbung veranlasste den Verbraucherzentrale Bundesverband dazu, Unterlassungsklage gegen die Multispa UG einzureichen. Der Verband warf dem Unternehmen vor, Verbraucherinnen und Verbraucher durch unzulässige Gesundheitsversprechen in die Irre zu führen – ein Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Besonders gravierend sei laut vzbv, dass sich die Werbung gezielt an Menschen richte, die gesundheitlich belastet sind – also an eine besonders schutzbedürftige Zielgruppe.

4. Die Entscheidung des Landgerichts Freiburg vom 14.11.2024 – Az. 4 O 22/24

Das Gericht gab dem vzbv vollumfänglich recht und untersagte die beanstandeten Werbeaussagen. In seiner Urteilsbegründung führte das LG Freiburg aus, dass sämtliche gesundheitsbezogenen Aussagen in der Werbung der Multispa UG gegen § 3 HWG verstoßen. Denn dort heißt es eindeutig, dass eine Werbung für Produkte mit medizinischen Aussagen nur dann zulässig ist, wenn deren Wirkung wissenschaftlich nachgewiesen ist.

Zentral war hierbei die Frage, ob die Aussagen „Stressreduktion“, „Anti-Aging“ oder „Hilfe bei Depressionen“ objektiv belegt sind. Die Antwort war klar: Nein. Die Beklagte konnte keine wissenschaftlich publizierten, methodisch sauberen Studien vorlegen, die die Wirkung der Frequenzmatte nachvollziehbar und belegbar stützen. Auch der Verweis auf angebliche „Feldstudien“ oder Erfahrungsberichte aus Telegram-Gruppen reichte dem Gericht nicht aus. Solche subjektiven Quellen sind kein Ersatz für wissenschaftlich valide Belege.

Das Gericht stellte ferner fest, dass die Bezeichnung „medizinisches Produkt“ für die Frequenzmatte irreführend sei. Das Produkt war weder offiziell als Medizinprodukt klassifiziert, noch unterlag es entsprechenden regulatorischen Anforderungen. Auch die Formulierungen „von Ärzten empfohlen“ oder „in der Schulmedizin eingesetzt“ seien unzulässig, da weder konkrete Namen, Qualifikationen noch die Inhalte solcher Empfehlungen nachvollziehbar gemacht wurden.

Besonders schwer wog aus Sicht des Gerichts, dass die Werbeaussagen geeignet waren, bei Verbrauchern eine unrealistische Erwartungshaltung zu erzeugen – nämlich, dass der Kauf des Produkts zu konkreten medizinischen Verbesserungen führen könne. Dies stelle eine gezielte Täuschung dar, die gerade im sensiblen Bereich der Gesundheit nicht hinnehmbar sei.

5. Die rechtlichen Grundlagen: Wann ist Gesundheitswerbung zulässig?

Das Urteil stützt sich vor allem auf zwei zentrale Normen: § 3 HWG und § 5 UWG. § 3 HWG verbietet irreführende Werbung mit gesundheitsbezogenen Aussagen, wenn diese nicht gesichert wissenschaftlich nachgewiesen sind. § 5 UWG schützt Verbraucher allgemein vor Täuschung im Rahmen der Werbung. Beide Vorschriften verlangen – gerade bei gesundheitsbezogenen Produkten – ein hohes Maß an Transparenz und Belegbarkeit. Aussagen wie „studienbasiert“ oder „von Experten empfohlen“ dürfen nur gemacht werden, wenn sie objektiv nachvollziehbar sind. Im Zweifel muss der Werbende den Beweis führen – nicht der Verbraucher.

6. Konsequenzen für Anbieter: Was dieses Urteil bedeutet

Das Urteil hat weitreichende Bedeutung für alle Unternehmen, die Produkte mit angeblich gesundheitsfördernder Wirkung online anbieten – insbesondere im Bereich der alternativen Therapien, Nahrungsergänzungsmittel, Magnetmatten oder Wellnessgeräte. Wer hier mit Versprechungen wie „Detox“, „Regeneration“ oder „Schmerzlinderung“ wirbt, muss in der Lage sein, diese Aussagen wissenschaftlich zu belegen. Andernfalls drohen kostenintensive Abmahnungen, Unterlassungsklagen, Gerichtskosten und erhebliche Reputationsverluste.

Zudem zeigt das Urteil, dass auch ein stilistisch unauffälliger Webshop mit vermeintlich harmlosen Aussagen wie „förderlich für das Immunsystem“ oder „aktiviert die Selbstheilungskräfte“ rechtlich problematisch sein kann – wenn die wissenschaftliche Basis fehlt. Unternehmen sollten daher ihre Texte durch spezialisierte Juristen prüfen lassen, bevor sie live geschaltet werden.

7. Fazit: Ein Urteil mit Signalwirkung

Das Urteil des LG Freiburg gegen die Multispa UG ist ein deutliches Signal an alle Anbieter im Gesundheits- und Wellnessmarkt. Es zeigt, dass gesundheitsbezogene Aussagen nicht nur ethisch sensibel, sondern auch juristisch hochgradig reguliert sind. Selbst im boomenden Wellness-Sektor dürfen Werbetexte nicht suggerieren, was nicht nachweisbar ist. Anbieter, die sich auf Pseudowissenschaft oder esoterische Behauptungen stützen, setzen sich einem erheblichen rechtlichen Risiko aus.

Für Verbraucher bedeutet das Urteil einen gestärkten Schutz vor Täuschung, für Unternehmen hingegen einen klaren Handlungsauftrag: Gesundheitswerbung muss belegt, differenziert und juristisch geprüft sein – alles andere kann teuer werden.

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