Irreführende Werbeaussage: "Verpackung & Deckel sind biobasiert"

Im Januar 2025 entschied das Kammergericht Berlin (KG Berlin, Urteil vom 21. Januar 2025, Az. 5 U 103/22) über eine wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung, die die Werbeaussage „Verpackung & Deckel sind biobasiert“ betraf. Ein Verbraucherverband klagte auf Unterlassung dieser Werbung und bezeichnete sie als irreführend.
Der Sachverhalt: Was war geschehen?
Der Fall betraf ein Unternehmen, das ein pflanzenbasiertes Getränk aus Erbsenprotein vertreibt. Auf der Verpackung dieses Getränks wurde die Werbeaussage „Verpackung & Deckel sind biobasiert“ verwendet, um die Umweltfreundlichkeit des Produkts hervorzuheben. Der klagende Verbraucherverband argumentierte, dass diese Werbung irreführend sei, da die Verbraucher unter der Angabe „biobasiert“ eine vollständige Nachhaltigkeit der Verpackung und des Deckels vermuteten, was nicht der Wahrheit entsprach.
Die Beklagte versuchte, die Bedeutung des Begriffs „biobasiert“ mit einem „Sternchen“ auf der Verpackung zu relativieren. Das Sternchen verwies auf eine weiterführende Erläuterung, die auf der Website des Unternehmens zu finden war. Dort erklärte das Unternehmen, dass die Verpackung und der Deckel zu einem überwiegenden Teil aus biobasierten Materialien bestehen, aber nicht zu 100% aus nachwachsenden Rohstoffen. Diese Erklärung war jedoch nicht auf der Verpackung selbst vermerkt, sondern nur über einen Link auf der Website zugänglich.
Der Verbraucherverband sah darin eine irreführende Werbung, da die Angabe „biobasiert“ in Verbindung mit dem fehlenden Hinweis auf der Verpackung zu Fehlvorstellungen führen könne. Die Verbraucher könnten die Aussage so interpretieren, dass die Verpackung vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen besteht, was aber nicht der Fall war. Das Unternehmen hatte keine ausreichende Aufklärung auf der Verpackung selbst bereitgestellt, sondern verließ sich auf die Erläuterung auf der Website – eine Information, die für viele Verbraucher möglicherweise nicht sofort zugänglich war.
Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin
Das Kammergericht Berlin gab dem klagenden Verbraucherverband in seinem Urteil recht und bestätigte die wettbewerbswidrigkeit der Werbeaussage. Die Richter führten detailliert aus, dass die Angabe „Verpackung & Deckel sind biobasiert“ für den durchschnittlichen Verbraucher mehrdeutig sei und leicht zu Fehlvorstellungen führen könne. Es sei nicht klar, was genau unter „biobasiert“ zu verstehen sei. Im allgemeinen Sprachgebrauch werde der Begriff häufig mit der Vorstellung verknüpft, dass ein Produkt vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen besteht.
Die Richter betonten, dass der Begriff „biobasiert“ keine allgemein anerkannte und eindeutige Definition habe. Auch wenn der Begriff formal korrekt darauf hinweisen könne, dass ein Teil der verwendeten Rohstoffe nachwachsen, könne er in der Praxis für Verbraucher dennoch eine falsche Vorstellung vermitteln. In der konkreten Werbung wurde der Eindruck erweckt, dass die gesamte Verpackung und der Deckel aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, was jedoch nicht zutraf.
Das Kammergericht stellte fest, dass die Angabe „biobasiert“ auf der Verpackung nicht hinreichend erläutert wurde. Zwar gab es einen Verweis auf eine weiterführende Erläuterung auf der Webseite des Unternehmens, jedoch sei dieser Verweis auf der Verpackung selbst nicht ausreichend und komme für viele Verbraucher zu spät. Die Information auf der Webseite könne von den Verbrauchern nur dann wahrgenommen werden, wenn sie die Webseite des Unternehmens aktiv aufrufen, was jedoch nicht die gleiche Wirkung habe wie eine unmittelbare Erklärung auf der Verpackung. Besonders bei umweltbezogenen Aussagen, die für viele Verbraucher von hohem Interesse sind, sei es notwendig, diese Informationen direkt und klar auf der Verpackung zu vermitteln.
Wichtige Entscheidungsgründe
- Mehrdeutigkeit des Begriffs „biobasiert“:
Das Kammergericht stellte fest, dass der Begriff „biobasiert“ in der Werbung in Bezug auf die Verpackung und den Deckel unklar und mehrdeutig sei. Verbraucher könnten unter diesem Begriff fälschlicherweise annehmen, dass die Verpackung zu 100% aus nachwachsenden Rohstoffen besteht, was aber nicht der Fall war. Dies führte zu der Einschätzung, dass die Werbung potenziell irreführend war. - Fehlende unmittelbare Aufklärung auf der Verpackung:
Die Richter hoben hervor, dass es nicht ausreicht, wenn eine Erklärung zu einem umweltbezogenen Begriff nur über einen Verweis auf eine Webseite zugänglich ist. Verbraucher könnten diese Information nicht rechtzeitig wahrnehmen, was zu einer falschen Vorstellung von der Umweltfreundlichkeit des Produkts führte. Das Unternehmen hätte die Informationen zur genauen Zusammensetzung der Verpackung und des Deckels direkt auf der Verpackung anbringen müssen. - Wettbewerbswidrigkeit der Werbung:
Die Entscheidung des Kammergerichts basierte auf der Annahme, dass die irreführende Werbung gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstößt. Dieses Gesetz verbietet die Verwendung von irreführenden und unklaren Werbeaussagen, die die Verbraucher in die Irre führen können. In diesem Fall war die Werbung zwar nicht komplett falsch, aber sie war nicht präzise genug und ließ Raum für Fehlinterpretationen, was sie wettbewerbswidrig machte. - Besondere Anforderungen an umweltbezogene Werbung:
Das Kammergericht wies darauf hin, dass Umweltwerbung besonders strengen Anforderungen unterliegt. Verbraucher sind besonders empfindlich gegenüber umweltbezogenen Aussagen, und solche Aussagen können starke emotionale Reaktionen hervorrufen. Daher müssen sie besonders klar und eindeutig formuliert werden, um keine Missverständnisse zu verursachen. - Der Einfluss auf die Verbraucher:
Die Richter gingen davon aus, dass ein erheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher die Werbung so auffassen könnte, dass die Verpackung und der Deckel zu 100% aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Diese Fehlvorstellung könne den Kaufentscheidungsprozess beeinflussen und die Wettbewerbsbedingungen verzerren.
Die Bedeutung der Entscheidung für die Praxis
Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin verdeutlicht die Notwendigkeit für Unternehmen, bei der Verwendung von umweltbezogenen Begriffen wie „biobasiert“ äußerst vorsichtig zu sein. Es reicht nicht aus, einen vagen Begriff zu verwenden und die Erklärung auf einer Webseite zu platzieren. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Werbeaussagen auf der Verpackung selbst klar und eindeutig sind und keine falschen oder missverständlichen Eindrücke erwecken.
Die Entscheidung zeigt auch, dass die deutsche Rechtsprechung Umweltwerbung sehr ernst nimmt und den Verbraucherschutz im Bereich der Werbung mit Umweltaspekten besonders betont. Unternehmen, die mit Begriffen wie „biobasiert“ werben, müssen sich bewusst sein, dass eine präzise, verständliche und nachprüfbare Information erforderlich ist, um den rechtlichen Anforderungen zu entsprechen.
Fazit
Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin zur Werbeaussage „Verpackung & Deckel sind biobasiert“ zeigt auf, dass bei der Verwendung von umweltbezogenen Begriffen in der Werbung höchste Transparenz erforderlich ist. Ein unklar definierter Begriff wie „biobasiert“ kann leicht zu Fehlvorstellungen führen und ist daher wettbewerbswidrig, wenn er nicht ausreichend erläutert wird. Unternehmen sollten sicherstellen, dass ihre Werbeaussagen klar, verständlich und nachvollziehbar sind, insbesondere wenn es um Umweltthemen geht, die für die Verbraucher von großer Bedeutung sind.
Die Entscheidung hat weitreichende Implikationen für die Marketingstrategien von Unternehmen, die umweltfreundliche Produkte bewerben möchten. Sie zeigt, dass die Verbraucheraufklärung in diesem Bereich eine zentrale Rolle spielt, um nicht nur rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, sondern auch das Vertrauen der Konsumenten zu gewinnen.
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