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Irreführende Preisauszeichnung bei Saturn: LG Kiel rügt Gesamtpreis mit Versicherung

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Stellen Sie sich vor, Sie stehen in einem Elektronikmarkt und entdecken einen DVD-Player für 69,98 Euro. Ein gutes Angebot – denkt man. Doch was, wenn sich hinter dem Preis nicht nur das Gerät selbst, sondern auch ein versteckter Versicherungsvertrag verbirgt? Genau um diese Frage ging es in einem Fall vor dem Landgericht Kiel. In seinem Urteil vom 25. Januar 2024 hat das Gericht klargestellt, wie transparent Preisangaben im Einzelhandel – insbesondere bei Kopplungsgeschäften – sein müssen.

Der Fall betrifft ein konkretes Angebot der Elektronikkette Saturn, bei dem ein DVD-Player und eine sogenannte Plusgarantie gemeinsam mit einem Gesamtpreis beworben wurden. Was auf den ersten Blick wie ein harmloses Paketangebot wirkt, entpuppte sich juristisch als Verstoß gegen die Grundsätze von Preiswahrheit und Preisklarheit gemäß der Preisangabenverordnung (PAngV).

Der Sachverhalt: „Gesamtpreis inkl. Plusgarantie“

In einem Saturn-Markt wurde ein DVD-Player zum Preis von 69,98 EUR angeboten. Auffällig groß war dieser Preis auf dem Preisschild ausgewiesen. Darunter stand in kleinerer Schrift: „Gesamtpreis inkl. Plusgarantie“. Links daneben, ebenfalls in kleiner Schrift, befand sich ein Rechenbeispiel, aus dem hervorging:

  • Gerätepreis: 52,99 EUR
  • Plusgarantie: 16,99 EUR

Die Preisauszeichnung bestand also nicht nur aus dem Preis des Geräts, sondern bezog auch den Preis einer Zusatzversicherung ein – und das in einer Weise, die laut LG Kiel nicht klar genug war.

Die Entscheidung des LG Kiel (Az. 6 O 86/23): Rechtlich zulässig oder irreführend?

Das Landgericht Kiel beurteilte die Preisgestaltung nicht als Verstoß gegen die Pflicht zur Angabe des Gesamtpreises. Der Preis sei rechnerisch korrekt und umfasse die Summe beider Bestandteile.

Aber: Das Gericht sah sehr wohl einen Verstoß gegen die Grundsätze von Preisklarheit und Preiswahrheit gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV. Diese Grundsätze besagen, dass Preisangaben so zu erfolgen haben, dass der Verbraucher klar und eindeutig erfassen kann, welche Leistung zu welchem Preis angeboten wird.

Warum ist das Angebot irreführend?

a) Mangelnde Transparenz bei Kopplungsgeschäften

Besondere Aufmerksamkeit widmete das Gericht der Tatsache, dass hier zwei unterschiedliche Leistungen (Gerät und Versicherung) in einem kombinierten Preis dargestellt wurden, ohne dass der Verbraucher dies ausreichend deutlich erkennen konnte. Es fehle an der nötigen Transparenz:

„Bei der Beurteilung von Preisangaben müssen die Gefahren bei Kopplungsgeschäften besonders berücksichtigt werden.“

Laut Gericht war insbesondere problematisch:

  • Die fehlende blickfangmäßige Kennzeichnung des Gesamtpreises mit einem Sternchen.
  • Die kleine Schriftgröße der zusätzlichen Erläuterungen.
  • Die fehlende optische Trennung zwischen Hauptleistung und Nebenleistung.

b) Verbrauchererwartung: Preis = Produkt

Das LG Kiel stellte außerdem fest, dass Verbraucher in einem Elektronikmarkt nicht erwarten, dass der Preis auf einem Preisschild etwas anderes als den Preis des sichtbaren Produkts angibt:

„Der durchschnittliche Verbraucher rechnet nicht damit, dass der hervorgehobene Preis auch eine Versicherung umfasst.“

Gerade in Märkten mit Selbstbedienungskonzept orientieren sich Kunden primär an den auffällig dargestellten Preisen an Regalen oder Geräten. Wenn hier nicht deutlich kommuniziert wird, dass es sich um ein Paketangebot handelt, entsteht ein falscher Eindruck – und damit eine potenzielle Täuschung.

Was verlangt die Preisangabenverordnung (PAngV)?

Die Preisangabenverordnung regelt, wie Preise anzugeben sind, um Transparenz und Vergleichbarkeit zu gewährleisten.

Gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV müssen Preisangaben:

  • deutlich lesbar,
  • gut erkennbar und
  • der angebotenen Ware eindeutig zugeordnet sein.

Die Kombination von Preis und Versicherung in ein und derselben Zahl, ohne ausreichende Hinweise, verstößt gegen diese Anforderungen. Das Gericht sah hierin eine unangemessene Beeinflussung der Preisvorstellung des Verbrauchers.

Welche Rolle spielen Sternchenhinweise?

In vielen Fällen sind Sternchenhinweise – also ein kleines * hinter dem Preis – üblich und rechtlich zulässig, wenn die zugehörige Erläuterung unmittelbar sichtbar ist. Im vorliegenden Fall jedoch:

  • fehlte ein Sternchen vollständig, obwohl Zusatzinformationen vorhanden waren.
  • Die Hinweise standen links vom Preis, statt direkt darunter.
  • Die Schrift war kaum wahrnehmbar klein.

Das LG Kiel betont, dass keine Irreführung vorläge, wenn ein Stern verwendet und transparent erläutert worden wäre. In der konkreten Gestaltung liege jedoch ein klarer Verstoß vor.

Warum das Urteil so wichtig ist

Diese Entscheidung ist richtungsweisend für den stationären Handel, insbesondere für große Einzelhandelsketten. Sie zeigt:

  • Transparenz ist Pflicht – nicht nur bei Online-Angeboten.
  • Kombinierte Angebote müssen klar aufgeschlüsselt und verständlich kommuniziert werden.
  • Visuelle Gestaltung spielt eine entscheidende Rolle bei der Verbrauchertäuschung.

Für Unternehmen bedeutet das: Wer Zusatzleistungen anbietet, muss klar, lesbar und verständlich kommunizieren, was genau im Preis enthalten ist – andernfalls drohen Abmahnungen, Unterlassungsklagen und Imageschäden.

Rechtliche Bewertung und Handlungsempfehlung

a) Für Unternehmen:

  • Bei Kombinationsangeboten (Produkt + Versicherung, Produkt + Servicevertrag etc.) sollte immer ein Sternchenhinweis verwendet werden.
  • Die Bestandteile des Preises müssen klar, deutlich sichtbar und lesbar sein.
  • Der Kunde muss auf den ersten Blick erkennen können, was er für den Preis erhält.

b) Für Verbraucher:

  • Lassen Sie sich nicht von großen Preisangaben täuschen – lesen Sie das Kleingedruckte.
  • Wenn Sie den Eindruck haben, über den Preis getäuscht worden zu sein, sollten Sie den Vorgang dokumentieren (z. B. Foto des Preisschilds) und sich an Verbraucherschutzorganisationen oder Anwälte wenden.

Fazit: Preiswahrheit ist Pflicht – auch bei Paketangeboten

Das LG Kiel hat mit seiner Entscheidung einen wichtigen Maßstab für die Preisauszeichnung im Einzelhandel gesetzt. Unternehmen wie Saturn müssen künftig noch deutlicher darauf achten, dass ihre Angebote keine Irreführung darstellen – insbesondere dann nicht, wenn mehrere Leistungen kombiniert und als Gesamtpreis dargestellt werden.

Denn letztlich zählt der erste Eindruck – und dieser darf beim Verbraucher nicht in die Irre führen.

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