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Irreführende Online-Werbung mit Testergebnis "sehr gut", wenn es noch bessere Noten gibt

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Heutzutage sind Testsiegel, Kundenbewertungen und Noten ein fester Bestandteil moderner Werbung. Sie schaffen Vertrauen, beeinflussen Kaufentscheidungen und vermitteln eine schnelle Orientierung in einem überfüllten Markt. Doch was passiert, wenn eine solche Bewertung zwar korrekt ist – aber trotzdem den falschen Eindruck erweckt?

Ein Beispiel dafür liefert das Urteil des Landgerichts Berlin II vom 31.10.2024 (Az.: 52 O 74/24). Im Zentrum: eine gesetzliche Krankenkasse, die mit einem „sehr gut“ beworbenen Testsiegel auf ihrer Webseite warb. Klingt stark. Doch der Teufel steckt – wie so oft – im Detail: Es gab in diesem Test nämlich eine noch bessere Note: „exzellent“. Und diese hatten sogar 14 Mitbewerber erreicht.

Das Gericht stellte klar: Auch die korrekte Wiedergabe eines Testergebnisses kann irreführend sein, wenn wesentliche Informationen weggelassen werden. Dieses Urteil wirft wichtige Fragen zum Wettbewerbsrecht, zur Pflicht zur Wahrheit in der Werbung und zur Verbrauchererwartung auf.

I. Der Sachverhalt: Was genau war passiert?

Die Beklagte im Verfahren war eine Betriebskrankenkasse, die auf ihrer Internetseite mit einem Testsiegel der Zeitschrift Focus-Money warb. In der Kategorie „Leistung für Familien“ wurde sie dort mit der Note „sehr gut“ ausgezeichnet.

Diese Darstellung war formal korrekt – die Bewertung stammte aus einer realen Untersuchung und wurde mit dem entsprechenden Siegel dargestellt.

Was nicht erwähnt wurde:
Im selben Test wurden 14 andere gesetzliche Krankenkassen mit der noch besseren Note „exzellent“ ausgezeichnet. Diese Tatsache fehlte vollständig in der Werbung der Beklagten.

Der Knackpunkt:
Die Darstellung vermittelte dem Verbraucher den Eindruck, dass „sehr gut“ entweder die Bestnote oder zumindest eine Spitzenplatzierung sei. Tatsächlich war die Bewertung im Vergleich zum Wettbewerb lediglich im Mittelfeld einzuordnen.

Die klagende Partei, mutmaßlich ein Wettbewerbsverband oder ein Konkurrent, sah hierin eine Irreführung von Verbrauchern gemäß § 5 UWG und beantragte Unterlassung.

II. Die rechtliche Würdigung: Was sagt das LG Berlin II?

Das Landgericht Berlin II gab der Klage vollumfänglich statt. In seinem Urteil stellte es klar, dass die Werbung trotz formaler Richtigkeit irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG sei, da wesentliche Informationen unterschlagen wurden.

1. § 5 UWG: Irreführung durch Unterlassen

Nach § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine geschäftliche Handlung vornimmt, die zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung enthält oder wesentliche Informationen vorenthält, die für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers erheblich sind.

Das Gericht führt wörtlich aus:

„Die beanstandete Werbung mit dem Testsiegel ist irreführend. Auch die Werbung mit einem tatsächlich verliehenen Testsiegel kann Hinweispflichten auslösen, wenn der Verkehr andernfalls relevant getäuscht wird (...). Dies ist hier der Fall.“

Mit anderen Worten: Die Tatsache, dass das Siegel tatsächlich vergeben wurde, reicht nicht aus, um die Werbung als rechtmäßig anzusehen. Entscheidend ist, welchen Eindruck die Werbung beim Verbraucher hervorruft – und ob dieser Eindruck der tatsächlichen Marktstellung entspricht.

2. Maßstab: Durchschnittlich informierter Verbraucher

Bei der Beurteilung von Werbeaussagen stellt die Rechtsprechung regelmäßig auf den sog. durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher ab.

Dieser Verbraucher gehe – so das Gericht – davon aus, dass eine mit „sehr gut“ bewertete Krankenkasse in einem Test zu den besten Anbietern gehört oder zumindest im oberen Leistungsbereich liegt.

Wenn dann aber – wie hier – 14 Konkurrenten mit „exzellent“ besser bewertet wurden, entsteht ein falscher Eindruck: Der Verbraucher hält die Beklagte fälschlicherweise für eine der Top-Kassen, obwohl sie nachweislich schlechter bewertet wurde als viele andere.

Das LG Berlin II betont:

„Es fehlt jedoch der Hinweis, dass – vorliegend eine signifikante Anzahl – Wettbewerber der Beklagten in dem streitgegenständlichen Test bessere Noten erhalten haben.“

Die Irreführung liegt also nicht in der Note „sehr gut“ selbst, sondern in der unterlassenen Kontextualisierung dieses Ergebnisses.

3. Werbung mit Testergebnissen: Transparenz ist Pflicht

Besondere Anforderungen gelten, wenn in der Werbung mit Testergebnissen gearbeitet wird. Laut ständiger Rechtsprechung müssen diese:

  • aktuell sein,
  • objektiv nachvollziehbar,
  • richtig wiedergegeben und
  • vollständig dargestellt werden.

Fehlt – wie hier – eine entscheidende Zusatzinformation zur Einordnung des Ergebnisses, ist dies wettbewerbswidrig.

Selbst die Rechtsprechung des BGH (u. a. GRUR 2016, 1073 – LGA tested) hat bereits betont, dass Testsiegel in der Werbung nicht isoliert stehen dürfen, wenn dies zu einer Verzerrung der Verbraucherwahrnehmung führt.

4. Kein Bagatellverstoß: Die Irreführung war erheblich

Das LG Berlin II wertete die Irreführung nicht als Bagatelle, sondern als erheblich. Der Verstoß sei geeignet gewesen, die Entscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen – also z. B. bei der Wahl der Krankenkasse bewusst oder unbewusst falsche Erwartungen zu wecken.

Diese Eignung zur Täuschung reicht bereits aus, um die Werbung als unzulässig nach dem UWG zu qualifizieren – auch ohne den konkreten Nachweis, dass Verbraucher tatsächlich getäuscht wurden.

III. Warum dieses Urteil weit über Krankenkassen hinaus Bedeutung hat

Das Urteil des LG Berlin II hat Signalwirkung für den gesamten Online-Werbemarkt. Denn es bestätigt eine wichtige Leitlinie:

Auch wahre Aussagen können täuschen – wenn sie unvollständig sind.

Dies gilt besonders bei der Werbung mit:

  • Noten („sehr gut“, „gut“, „Testsieger“)
  • Platzierungen („Top 10“, „führend in...“)
  • Siegeln von Drittanbietern (z. B. Stiftung Warentest, Focus Money, CHIP, ntv, etc.)

Wer mit solchen Auszeichnungen wirbt, muss den Verbraucher nicht nur korrekt informieren, sondern auch dafür sorgen, dass die Werbung nicht irreführend kontextualisiert wird.

IV. Praktische Auswirkungen & Handlungsempfehlungen für Unternehmen

1. Offenlegung der Bewertungsmaßstäbe

Wenn ein Unternehmen mit einer Bewertung oder einem Testsiegel wirbt, sollte klar erkennbar sein:

  • Wer hat getestet?
  • Wann wurde getestet?
  • Wie wurde bewertet (Skala)?
  • Was ist die Bestnote?
  • Wie viele Teilnehmer gab es?

2. Hinweis auf bessere Bewertungen

Wird mit „sehr gut“ geworben, obwohl andere mit „exzellent“ besser bewertet wurden, muss darauf hingewiesen werden – insbesondere, wenn diese Zahl nicht unerheblich ist (hier: 14 Mitbewerber!).

Beispiel für einen rechtssicheren Hinweis:

„Focus-Money 06/2024: Bewertung „sehr gut“ in der Kategorie ‚Leistung für Familien‘. 14 andere Krankenkassen erhielten die Bestnote „exzellent“.“

3. Vollständige Testberichte verlinken

Ein Link zum vollständigen Testbericht oder zu einer transparente Quelle kann helfen, rechtliche Risiken zu vermeiden – vor allem, wenn dieser nicht hinter einer Bezahlschranke versteckt ist.

V. Fazit: Wer mit Tests wirbt, trägt Verantwortung – für das Ganze

Das Urteil des LG Berlin II (Az.: 52 O 74/24) unterstreicht, dass ehrliche Werbung mehr ist als das bloße Zitieren von Testergebnissen. Auch die scheinbar harmlose Auszeichnung „sehr gut“ kann zur Irreführung führen, wenn der Kontext fehlt – insbesondere dann, wenn eine signifikante Zahl an Wettbewerbern besser abgeschnitten hat.

Für Verbraucher:

  • Das Urteil schützt vor Täuschung durch Auslassung.

Für Unternehmen:

  • Es mahnt zur ehrlichen, vollständigen und verantwortungsvollen Kommunikation.

Wer seine Werbung transparent gestaltet, schützt nicht nur die eigene Reputation, sondern vermeidet auch kostspielige Abmahnungen und Prozesse. In einer Zeit, in der Vertrauen zur wichtigsten Währung wird, ist Klarheit nicht nur eine rechtliche Pflicht – sondern ein Wettbewerbsvorteil.

Sie wollen rechtssicher mit Testergebnissen werben?

Unsere Kanzlei berät Sie bei allen Fragen des Wettbewerbsrechts, der Gestaltung zulässiger Werbung, sowie bei Abmahnungen wegen irreführender Aussagen.

Wir prüfen Ihre Online-Kommunikation und sorgen dafür, dass Ihr Unternehmen nicht nur „sehr gut“ aussieht – sondern auch rechtlich auf der sicheren Seite steht.

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