Irreführende Online-Werbung eines Goldhändlers
Gold gilt oftmals als sicherer Hafen. Gerade im Onlinehandel entscheidet die Wortwahl über Vertrauen und Kaufabschluss. Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Urt. v. 19.09.2025 – 14 U 72/25) zeigt, wie schnell eine Werbeaussage im Edelmetallhandel rechtlich kippen kann. Im Kern ging es um die Behauptung, Online-Bestellungen über 2.000 € seien „nicht meldepflichtig“ – verbunden mit dem Eindruck, der stationäre Barkauf unterliege hingegen einer gesetzlichen Meldepflicht. Der Senat stufte dies als irreführend ein und untersagte die Werbung.
Der Sachverhalt im Detail
Der beklagte Edelmetallhändler bewarb auf der Produktseite einer Goldmünze seine Leistungen mit Aussagen wie: „Bestellungen über 2.000 € sind bei uns nicht meldepflichtig“ und „Im Gegensatz zu Barkäufen im stationären Handel unterliegen Online-Bestellungen nämlich nicht der gesetzlichen Meldepflicht“. Dazu kamen Vorteile wie „keine Meldung ans Finanzamt“, „volle Diskretion und Anonymität“ sowie eine „schnelle, unkomplizierte Kaufabwicklung“.
Adressat der Werbung war der durchschnittliche Kunde, der einen Onlinekauf erwägt und die Vor- und Nachteile gegenüber dem Barkauf im Laden abwägt. Die Aussagen standen nicht isoliert, sondern im unmittelbaren Umfeld eines konkreten Angebots mit einem Kaufpreis oberhalb der 2.000-€-Schwelle. Dadurch entstand ein besonders starker Eindruck eines rechtlichen Mehrwerts des Onlinekanals.
Ein qualifizierter Wirtschaftsverband ging gegen diese Kommunikation vor und verlangte die Unterlassung. In erster Instanz blieb der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zunächst ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht Karlsruhe gab der Berufung statt und bejahte den Unterlassungsanspruch.
Rechtlicher Rahmen: Identifizierungspflichten ≠ Meldepflicht
Wesentlich ist die Trennung zweier Ebenen:
- Sorgfaltspflichten (u. a. Identifizierung)
Im stationären Handel mit Edelmetallen können ab bestimmten Schwellen – etwa bei Barzahlungen – Identifizierungs- und sonstige Sorgfaltspflichten nach dem Geldwäschegesetz greifen. Das bedeutet typischerweise: Der Händler prüft die Identität des Kunden und dokumentiert den Vorgang. Das ist eine interne Compliance-Pflicht des Händlers. - Meldepflichten bei Verdacht
Meldepflichten entstehen nicht automatisch ab einem festen Betrag, sondern setzen Anhaltspunkte für Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung voraus. Die Pflicht zur Abgabe einer Verdachtsmeldung richtet sich nach inhaltlichen Kriterien und ist unabhängig von der Frage, ob der Kauf online oder stationär erfolgt und ob bar oder unbar bezahlt wird. Eine pauschale „Meldung ans Finanzamt“ allein wegen eines bestimmten Kaufpreises ist mit der Rechtslage nicht vereinbar.
Die streitige Werbung vermischte diese Ebenen in einer Weise, die beim Verbraucher den Eindruck eines generellen, betragsschwellenbezogenen Meldeautomatismus im stationären Handel erzeugte – und eines korrespondierenden „Vorteils“ des Onlinekaufs.
Die Entscheidungsgründe des OLG Karlsruhe im Einzelnen
1. Maßstab: Gesamtwirkung aus Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers
Der Senat ermittelte den Sinngehalt der Werbeaussagen im konkreten Kontext der Produktseite. Entscheidend war nicht nur der einzelne Satz, sondern das Zusammenspiel aus Schlagwort („nicht meldepflichtig“), Gegenüberstellung zum stationären Barkauf und den aufgelisteten „Vorteilen“. Aus Sicht eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers lag der Schluss nahe, dass ein Barkauf ab 2.000 € rechtlich „melderelevant“ sei, der Onlinekauf dagegen nicht.
2. Unzutreffende Tatsachenbehauptung über die Rechtslage
Der Senat stellte klar, dass die Rechtsordnung keine generelle Meldepflicht allein wegen eines Kaufpreises von 2.000 € vorsieht. Eine Meldung kommt bei Verdachtsmomenten in Betracht – unabhängig von Betrag, Zahlungsart und Vertriebskanal. Die Bewerbung eines vermeintlichen Online-Sonderstatus schafft daher ein Bild, das mit der geltenden Rechtslage nicht übereinstimmt. Es wird ein rechtlicher Vorteil behauptet, der so nicht existiert.
3. Eignung zur Irreführung und Relevanz für die Kaufentscheidung
Die Darstellung war geeignet, die Marktentscheidung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Schon die Vorstellung, ein Barkauf könnte automatisch „gemeldet“ werden und dadurch „lästige“ behördliche Nachfragen auslösen, kann Verbraucher dazu bewegen, den Onlineweg zu wählen. Genau diese Verlagerungswirkung begründete der Senat – die Werbeaussage lenkt die Entscheidung mit einer rechtlich unzutreffenden Prämisse.
4. Qualifikation als Irreführung nach § 5 UWG
Die Kerneinordnung erfolgt unter § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG (unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale, hier: rechtliche Rahmenbedingungen der Inanspruchnahme). Der Unterlassungsanspruch stützt sich auf §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1 UWG. Die Argumentation des klagenden Verbandes, es liege zusätzlich eine unzulässige „Werbung mit Selbstverständlichkeiten“ vor (Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG, Nr. 10), unterstreicht die Richtung: Der Händler rühmte etwas als besonderen Vorteil, was gar kein spezifischer Vorteil seines Angebots ist. Tragend kam es dem Senat jedoch auf die irreführende Rechtsbehauptung an.
5. Keine „Rettung“ über Compliance-Hinweise
Dass im stationären Barkauf ab bestimmten Beträgen Identifizierungspflichten greifen können, ändert an der Bewertung nichts. Diese Pflichten sind nicht gleichbedeutend mit einer Meldepflicht. Die Überhöhung zulässiger Compliance-Pflichten zu einem vermeintlichen Meldeautomatismus ist irreführend. Gleiches gilt für den Hinweis „keine Meldung ans Finanzamt“ – er verstärkt eine rechtlich falsche Erwartung.
6. Ergebnis
Das OLG untersagte die Verwendung der streitigen Aussagen im Eilverfahren. Die erstinstanzliche Entscheidung wurde damit korrigiert. Für Händler folgt daraus ein klares Signal, Werbebotschaften mit rechtlichem Einschlag äußerst sorgfältig zu formulieren.
Praktische Folgen für Händler im Edelmetallhandel
Risikofelder in der Kommunikation
• Schlagworte wie „nicht meldepflichtig“, „anonym“, „keine Meldung ans Finanzamt“ sind rechtlich heikel, wenn sie pauschal eingesetzt werden.
• Vergleiche zwischen Online- und Stationärhandel sollten nicht den Eindruck unterschiedlicher rechtlicher Pflichten vermitteln, sofern diese Unterschiede tatsächlich nicht bestehen.
• Hinweise auf Identifizierungs- oder Sorgfaltspflichten dürfen nicht als „behördliche Meldepflicht“ etikettiert werden.
Unnötige Angriffsflächen vermeiden
• Keine Vorteile herausstellen, die nur auf einer Fehlinterpretation der Rechtslage beruhen.
• Bei Bezug auf das Geldwäscherecht präzise bleiben und möglichst neutral formulieren.
• Rechtsbehauptungen ohne belastbare Grundlage sind besonders riskant, weil sie als Tatsachenangaben verstanden werden.
Mögliche Rechtsfolgen bei Irreführung
• Abmahnung durch Verbände oder Mitbewerber mit Kostenfolge
• Unterlassungsverpflichtung, ggf. einstweilige Verfügung
• Ordnungsmittel bei Verstößen gegen die Unterlassung
• Zusätzlich drohen Beseitigungs- und Informationspflichten; in Einzelfällen können Schadensersatzansprüche diskutiert werden
Checkliste: Compliance für Ihre Edelmetall-Werbung
- Prüfen Sie jede Rechtsbehauptung auf Richtigkeit und Vollständigkeit.
- Vermeiden Sie Betragsschwellen als Trigger für „Melde-“ oder „Nichtmelde“-Versprechen.
- Trennen Sie sauber zwischen Identifizierungs- und Meldepflichten.
- Stellen Sie keine Alleinstellungsmerkmale dar, die tatsächlich allgemeine Rechtslage sind.
- Schaffen Sie intern Freigabeprozesse für rechtlich gefärbte Claims und Produkttexte.
- Schulen Sie Vertrieb und Marketing zu typischen GwG-Irrtümern.
- Dokumentieren Sie Rechtsprüfungen, um im Konfliktfall vorbereitet zu sein.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe zeigt, wie sensibel die Grenze zwischen zulässiger Verkaufsförderung und Irreführung verläuft, wenn mit rechtlichen „Vorteilen“ geworben wird. Wer Online-Angebote mit pauschalen Aussagen wie „nicht meldepflichtig“ anpreist und dabei einen vermeintlichen Nachteil des stationären Barkaufs suggeriert, bewegt sich rechtlich auf dünnem Eis. Für eine rechtssichere Kommunikation empfiehlt sich eine präzise, nüchterne und kontextbezogene Sprache, die Compliance korrekt abbildet – ohne überzogene Versprechen.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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