Instagram: Inhaber haftet für Urheberrechtsverstöße durch Dritte

In Zeiten der digitalen Kommunikation und sozialen Medien stellt sich zunehmend die Frage, wer für Inhalte verantwortlich ist, die auf einem Account veröffentlicht werden – insbesondere dann, wenn der Inhaber die Beiträge nicht selbst verfasst hat. Das Landgericht Berlin hat in seinem Beschluss vom 27.09.2023 (Az.: 15 U 464/23) klargestellt: Wer seine Zugangsdaten zu einem sozialen Netzwerk an Dritte weitergibt, kann für etwaige Urheberrechtsverletzungen durch diese Dritte als Störer haften – auch ohne eigenes Verschulden oder Wissen um die konkrete Veröffentlichung.
Sachverhalt – Was war passiert?
Die Antragstellerin war Rechteinhaberin einer urheberrechtlich geschützten Grafik. Diese wurde ohne ihre Zustimmung auf einem Instagram-Account veröffentlicht, der auf den Namen der Antragsgegnerin lief. Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin ab und beantragte eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung.
Die Antragsgegnerin verteidigte sich mit dem Hinweis, dass nicht sie selbst die streitgegenständliche Grafik hochgeladen habe. Vielmehr habe ihre Tochter den Post eigenmächtig über das Instagram-Konto der Mutter veröffentlicht.
Zur Überraschung der Beklagten bejahte das LG Berlin dennoch eine Haftung – nicht als Täterin, sondern als Störerin. Denn sie hatte ihrer Tochter aktiv die Zugangsdaten sowie die Datei mit der streitgegenständlichen Grafik zur Verfügung gestellt. Damit – so das Gericht – habe sie einen „willentlichen und adäquat kausalen Beitrag zur Rechtsverletzung“ geleistet.
Juristische Einordnung
Grundsatz: Die Störerhaftung
Die Störerhaftung ist ein etabliertes Institut des deutschen Zivilrechts, insbesondere im Bereich des Unterlassungsanspruchs. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 18.10.2001 – I ZR 22/99 – "Internet-Versteigerung") kann als Störer in Anspruch genommen werden, wer – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Rechts beiträgt.
Diese Haftung ist verschuldensunabhängig, erfordert aber eine Handlung des Störers, die die Rechtsverletzung ermöglicht oder fördert.
Anwendung auf den Instagram-Fall
Das Landgericht Berlin hat diese Grundsätze wie folgt angewendet:
- Die Tochter der Antragsgegnerin konnte die Grafik nur deshalb über den Instagram-Account posten, weil ihr die Zugangsdaten überlassen worden waren.
- Die Antragsgegnerin hatte außerdem die streitgegenständliche Datei selbst bereitgestellt.
- Daraus folgerte das Gericht, dass die Mutter willentlich und adäquat kausal zur Veröffentlichung beigetragen habe.
- Das Gericht stellte klar: Es liege nicht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit, dass bei Vorliegen von Zugangsdaten und Datei auch tatsächlich ein Posting erfolgt.
Zitat aus dem Beschluss:
„Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann als Störer für eine Schutzrechts-/Urheberrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, „der (...) in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes oder zu einer verbotenen Handlung beigetragen hat“ (vgl. BGH, Urteil vom 18.10.2001 - I ZR 22/99).“
Das Gericht wies also nicht auf eine fahrlässige Aufsichtspflicht hin, sondern auf die unmittelbare Handlung – das Teilen der Zugangsdaten und der Datei – und stellte fest, dass diese Handlung ausreiche, um eine Haftung zu begründen.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung des LG Berlin ist von erheblicher Bedeutung für alle Nutzer von Social Media – insbesondere Unternehmen, Influencer, Agenturen und Privatpersonen, die Accounts mit Dritten (z. B. Familienmitgliedern, Mitarbeitern, Agenturen) gemeinsam nutzen oder „überlassen“.
Risiken für Privatpersonen
Selbst wenn die Inhalte nicht selbst gepostet wurden, kann eine Haftung bestehen, sobald:
- Zugangsdaten an Dritte weitergegeben wurden,
- diese Dritten urheberrechtswidrig handeln,
- und die Veröffentlichung auf dem eigenen Account erfolgt.
Risiken für Unternehmen
Bei Social-Media-Betreuung durch Agenturen, freie Mitarbeiter oder Praktikanten kann die Weitergabe von Zugangsdaten rechtliche Risiken nach sich ziehen, wenn keine klaren vertraglichen Regelungen bestehen oder keine ausreichenden Prüfungen der Inhalte vorgenommen werden.
Empfehlung für Account-Inhaber
- Keine unkontrollierte Weitergabe von Zugangsdaten
- Vertragliche Absicherung bei externen Social-Media-Verantwortlichen
- Kontrolle über veröffentlichte Inhalte behalten
- Rechtsverletzende Inhalte nach Kenntniserlangung sofort löschen
- Regelmäßige Schulung bei urheberrechtlichen Fragen
Fazit – Verantwortung durch Kontrolle
Das Urteil des LG Berlin verdeutlicht, dass die Verantwortung für Social-Media-Inhalte nicht allein bei der ausführenden Person liegt, sondern auch beim Account-Inhaber. Wer durch die Weitergabe von Zugangsdaten eine Rechtsverletzung ermöglicht, haftet unter Umständen – auch wenn er selbst den Inhalt nie gesehen oder veröffentlicht hat.
Die Entscheidung mahnt zur Vorsicht im Umgang mit Zugängen, vor allem dann, wenn es sich um öffentlich zugängliche Profile handelt, über die urheberrechtlich relevante Inhalte veröffentlicht werden können.
Unsere Kanzlei als Ansprechpartner
Wir unterstützen Sie bei der rechtssicheren Gestaltung Ihrer Social-Media-Nutzung – ob als Unternehmen, Selbstständiger oder Privatperson. Gerne beraten wir Sie zu Haftungsrisiken, erstellen rechtssichere Verträge für Agenturen und klären Sie über Ihre Rechte und Pflichten im Bereich Urheberrecht auf.
Ansprechpartner
Frank Weiß
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