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Strenge Informationspflichten für Onlinehändler von Lebensmitteln

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Der Onlinehandel boomt – auch mit Lebensmitteln. Was bequem für den Verbraucher ist, stellt Onlinehändler rechtlich vor erhebliche Herausforderungen. Besonders im Bereich der verpackten Lebensmittel besteht bei vielen Händlern Unsicherheit darüber, welche Angaben tatsächlich online gemacht werden müssen. Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 19. April 2024 (Az.: 416 HKO 26/23) nun klargestellt: Die Informationspflichten aus der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) gelten auch für vorverpackte Produkte im Fernabsatz. Und: Wer sich nicht daran hält, handelt wettbewerbswidrig.

Sachverhalt: Japanische Reiskuchen ohne Angaben – Ein Verstoß mit Folgen

Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand ein Onlinehändler, der in seinem Shop unter anderem japanische Reiskuchen anbot – vorverpackt und in größeren Mengen zugekauft, wie in der Branche üblich. Das Produkt wurde ohne Angaben zu Inhaltsstoffen, Nährwerten, dem verantwortlichen Lebensmittelunternehmer und dem Grundpreis vertrieben.

Ein qualifizierter Wirtschaftsverband klagte auf Unterlassung, weil er in diesem Vorgehen einen klaren Verstoß gegen gesetzliche Informationspflichten sah. Zunächst erging ein Versäumnisurteil, gegen das der Beklagte Einspruch einlegte – mit mäßigem Erfolg. Die 16. Kammer für Handelssachen des LG Hamburg bestätigte mit Urteil vom 19.04.2024 das Versäumnisurteil in vollem Umfang und ließ keinen Zweifel an der Rechtslage.

Die rechtliche Grundlage: Art. 14 LMIV i.V.m. Art. 9 LMIV

Was verlangt die LMIV von Onlinehändlern?

Die Lebensmittelinformationsverordnung (VO (EU) Nr. 1169/2011) regelt klar, welche Informationen verpackten Lebensmitteln im Fernabsatz beigefügt werden müssen.

Laut Art. 14 Abs. 1 Buchst. a LMIV gelten nahezu alle Informationspflichten aus Art. 9 LMIV auch im Onlinehandel – mit Ausnahme des Mindesthaltbarkeitsdatums.

Diese Informationen müssen vor Abschluss des Kaufvertrages online zugänglich sein, also bereits auf der Produktseite oder spätestens vor dem Absenden der Bestellung.

Pflichtangaben gem. Art. 9 Abs. 1 LMIV:

  • Bezeichnung des Lebensmittels
  • Zutatenverzeichnis
  • Allergene
  • Menge bestimmter Zutaten oder Zutatenklassen
  • Nettofüllmenge
  • Hinweise zur Aufbewahrung oder Verwendung (falls erforderlich)
  • Name oder Firma und Anschrift des Lebensmittelunternehmers
  • Ursprungsland oder Herkunft (sofern erforderlich)
  • Gebrauchsanleitung (falls erforderlich)
  • Nährwertdeklaration

Im vorliegenden Fall fehlten mehrere dieser Angaben vollständig. Besonders gravierend: Die Angabe der verantwortlichen Firma – eine Pflichtangabe, die bei Problemen oder Rückfragen für Verbraucher elementar ist.

Das Urteil des LG Hamburg: Verstöße gegen Wettbewerbsrecht

Das Gericht stützt seine Entscheidung maßgeblich auf § 5a Abs. 2 und Abs. 4 UWG.

Diese Vorschriften besagen:

  • § 5a Abs. 2 UWG: Wer einem Verbraucher wesentliche Informationen vorenthält, handelt unlauter.
  • § 5a Abs. 4 UWG: Als "wesentlich" gelten auch Informationen, die aufgrund von EU-Recht, etwa der LMIV, bereitzustellen sind.

Das LG Hamburg stellte klar:

„Die Informationen gem. Art. 9 LMIV zählen zu den wesentlichen Informationen i.S.d. § 5a UWG.“

Die bloße Tatsache, dass der Händler die Lebensmittel bereits verpackt eingekauft hatte und nicht selbst produzierte, entbindet ihn nicht von der Pflicht, diese Informationen auf der Website anzugeben.

Die Verantwortung trifft jeden Händler im Fernabsatz, unabhängig davon, ob er die Verpackung selbst beeinflussen kann oder nicht.

Weitere Verstöße im Urteil: Preisangaben und Verbraucherrechte

Neben den LMIV-Pflichten beanstandete das LG Hamburg auch weitere Rechtsverstöße:

1. Verstoß gegen die Preisangabenverordnung (PAngV):

  • § 4 Abs. 1 PAngV verpflichtet Händler zur Angabe eines Grundpreises bei Waren, die nach Gewicht, Volumen oder Fläche angeboten werden.
  • Fehlende Grundpreisangabe = ebenfalls wettbewerbswidrig.

2. Fehlende Widerrufsbelehrung und OS-Link:

  • Der Beklagte hatte keine Information zum Widerrufsrecht bereitgestellt, obwohl dieses gemäß § 312g BGB i.V.m. §§ 355 ff. BGB zwingend ist.
  • Auch der Pflichtlink zur Streitschlichtungsplattform der EU fehlte.

Was bedeutet das Urteil für Onlinehändler?

Klare Botschaft an die Branche:

Die LMIV gilt auch für Drittanbieter und Wiederverkäufer.

Wer Lebensmittel online anbietet – auch wenn sie bereits vom Hersteller verpackt wurden – muss sicherstellen, dass alle Pflichtangaben vor Vertragsabschluss online ersichtlich sind.

Das betrifft insbesondere:

Inhaltsstoffe & Allergene
Nährwerttabelle
Verantwortlicher Lebensmittelunternehmer
Grundpreisangabe
Widerrufsbelehrung & OS-Link

Kein Raum für Ausreden:

Die häufig vorgebrachte Argumentation:

„Ich bekomme die Ware fertig vom Großhändler – die Pflicht liegt nicht bei mir!“

…wurde durch das Urteil eindeutig entkräftet.

Rechtliche Bewertung: Eine richtungsweisende Entscheidung

Das Urteil des LG Hamburg hat Signalwirkung:

  • Es setzt die Rechtsprechung des BGH zur wesentlichen Information im Onlinehandel konsequent fort.
  • Es unterstreicht die Bedeutung der Verbrauchertransparenz im Fernabsatz.
  • Und es schützt letztlich auch seriöse Händler vor Wettbewerbsnachteilen durch Nachlässigkeit oder gezielte Intransparenz anderer Anbieter.

Praxistipp für Händler: So vermeiden Sie Abmahnungen

Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, sollten Onlinehändler folgendes prüfen:

Lebensmittelinformationen:

  • Ist die vollständige Zutatenliste einsehbar?
  • Sind Allergene klar hervorgehoben?
  • Liegt eine Nährwerttabelle vor?
  • Ist der verantwortliche Lebensmittelunternehmer mit Name und Adresse genannt?

Preisangaben:

  • Wurde ein Grundpreis ausgewiesen (z.B. /100g)?

Verbraucherinformationen:

  • Ist das Widerrufsrecht klar erläutert?
  • Wird der OS-Link zur Streitschlichtung angezeigt?

Technik-Check:

  • Sind alle Pflichtinformationen vor dem Kaufabschluss sichtbar?
  • Auch mobiloptimiert?

Fazit: Transparenz ist Pflicht – auch online

Wer im Onlinehandel mit verpackten Lebensmitteln tätig ist, darf sich nicht auf seine Rolle als reiner Wiederverkäufer berufen. Die rechtliche Verantwortung liegt beim Anbieter, und das umfasst auch sämtliche Informationspflichten nach der LMIV.

Das Urteil des LG Hamburg vom 19.04.2024 – 416 HKO 26/23 führt der Branche eindrucksvoll vor Augen, dass Verstöße nicht nur teuer, sondern auch leicht vermeidbar sind.

Empfehlung:
Lassen Sie Ihre Produktseiten rechtlich prüfen – und vermeiden Sie so kostenintensive Abmahnungen.

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