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Informationen über Garantiebedingungen müssen auch bei Offline-Verkäufen gegeben werden

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Wenn Sie ein Produkt in einem Geschäft kaufen, erwarten Sie, dass wichtige Informationen klar und vollständig bereitgestellt werden. Das betrifft nicht nur Preis, Inhalt oder Lieferumfang – sondern auch freiwillige Zusatzleistungen wie Garantien. Eine solche Garantie mag Vertrauen schaffen, birgt aber auch rechtliche Fallstricke: Sobald ein Händler mit einer Garantie wirbt, ist er gesetzlich verpflichtet, umfassend über deren Bedingungen zu informieren – selbst dann, wenn der Kauf nicht online, sondern in einem klassischen Ladengeschäft erfolgt.

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 20.04.2023 – Az.: I-20 U 183/22 – diese Pflicht nochmals unmissverständlich hervorgehoben. Besonders wichtig: Die Entscheidung betraf ein stationäres Geschäft. Die Richter betonten, dass sich Händler auch dort nicht hinter allgemeinen Ausnahmeregelungen verstecken dürfen, wenn es sich um langlebige Produkte mit außergewöhnlichen Garantieversprechen handelt. Im konkreten Fall: ein Küchenmesser mit einer ausgelobten Garantie von 25 Jahren.

Der Sachverhalt: Was war passiert?

Die Beklagte, ein Einzelhandelsunternehmen, verkaufte in einer ihrer Filialen ein Küchenmesser. Die Produktverpackung war dabei mit Garantieaussagen versehen, die die Aufmerksamkeit auf sich zogen:

  • Vorderseite der Verpackung:
    „25 YEAR Guarantee“
  • Rückseite der Verpackung (nur auf Englisch):
    „This product carries a 25 year guarantee against defects in materials & workmanship under normal kitchen use. This does not affect your statutory rights.“

Auf den ersten Blick klingt das überzeugend. Doch juristisch betrachtet war die Kennzeichnung unzureichend – es fehlten zentrale Informationen:

  • Wer genau ist der Garantiegeber?
  • Wie kann die Garantie geltend gemacht werden?
  • Was umfasst die Garantie – Reparatur, Ersatz, Rückzahlung?
  • Wo muss sich der Käufer hinwenden?
  • In welcher Sprache müssen die Informationen bereitgestellt werden?

Der Kläger – ein Wettbewerbsverband – mahnte das Verhalten als wettbewerbswidrig ab. Das Landgericht Düsseldorf sah in der mangelnden Information einen Verstoß gegen verbraucherschützende Vorschriften und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein – jedoch ohne Erfolg.

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf im Detail

1. Wer mit einer Garantie wirbt, muss auch informieren

Das OLG Düsseldorf schloss sich im Grundsatz der Auffassung der Vorinstanz an: Wer als Händler mit einer Garantie – hier: einer außergewöhnlich langen von 25 Jahren – wirbt, muss dem Verbraucher bereits vor Abschluss des Kaufvertrags bestimmte Informationen in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 479 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB.

Die wesentlichen Pflichtinformationen umfassen insbesondere:

  • Namen und Anschrift des Garantiegebers
  • Dauer der Garantie
  • räumlicher Geltungsbereich
  • Inhalt der Garantie (z.B. Ersatz, Nachbesserung)
  • Verfahren zur Geltendmachung (z.B. Adresse für Rücksendung, Nachweise)
  • Hinweis auf die Unabhängigkeit der gesetzlichen Gewährleistungsrechte

Das OLG hielt fest, dass diese Informationspflicht auch dann besteht, wenn die Garantie nicht vom Verkäufer selbst, sondern etwa vom Hersteller stammt. Entscheidend ist, ob der Händler sich die Garantie durch eine werbliche Darstellung auf dem Produkt, in der Werbung oder im Ladenlokal zu eigen macht.

„Die Beklagte hat durch die Art und Weise der Präsentation des Messers, bei der die Garantie auf der Schauseite der Verpackung gut sichtbar beworben wurde, sich diese zu eigen gemacht.“

2. Kein „Alltagsgeschäft“ – trotz niedrigem Kaufpreis

Die Beklagte berief sich im Verfahren auf eine gesetzliche Ausnahme: Art. 246 § 2 Satz 3 EGBGB sieht für Geschäfte des täglichen Lebens – z.B. Spontankäufe beim Einkauf – Erleichterungen bei Informationspflichten vor. Diese greifen jedoch laut OLG gerade nicht, wenn ein Produkt durch Langlebigkeit und Garantiezusage aus dem Alltäglichen herausragt.

Das Gericht argumentierte dabei differenziert:

  • Zwar sei der Preis des Messers relativ gering und bewege sich möglicherweise unter der informellen Bagatellgrenze von ca. 50 €,
  • jedoch sei die Kaufentscheidung gerade wegen der außergewöhnlich langen Garantie auf eine langfristige Nutzung ausgelegt,
  • die Präsentation als besonders haltbares Qualitätsprodukt stelle ein „herausragendes“ Angebot dar.

„Der Kauf dieses Messers ragt aus dem Alltäglichen dadurch heraus, dass es besonders langlebig ist und dafür eine für Erzeugnisse ungewöhnlich lange Garantie von 25 Jahren ausgelobt wird.“

Auch ein erhöhter Verwaltungsaufwand für Händler wurde vom Gericht als unbeachtlich zurückgewiesen. Selbst wenn die Informationspflichten im Vorfeld bestehen, müssen sie bei Garantien ohnehin spätestens nach Vertragsschluss erfüllt werden (§ 479 Abs. 1 BGB) – ein vorgeschobenes Argument also.

3. Kritikpunkt: Fehlende konkrete Garantiebedingungen

Besonders beanstandete das OLG Düsseldorf die inhaltliche Unvollständigkeit der Garantieangaben:

  • Garantiegeber nicht genannt:
    Zwar ließ sich der Hersteller aus dem Produktnamen ableiten, jedoch fehlte eine vollständige Anschrift, wie sie das Gesetz verlangt.
  • Geltendmachung nicht erklärt:
    Es blieb völlig unklar, wie die Garantie genutzt werden kann: Muss das Messer eingesendet werden? Wenn ja – wohin? Gibt es ein Formular, eine Telefonnummer, eine E-Mail-Adresse?
  • Art der Garantieleistung unklar:
    Wird das Messer bei einem Defekt ersetzt, repariert oder gibt es eine Erstattung? Auch hierzu enthielt der Text keine Aussagen.
  • Fehlender Hinweis auf gesetzliche Gewährleistung:
    Zwar stand am Ende der Verpackungsrückseite der Hinweis „This does not affect your statutory rights“, jedoch ebenfalls nur auf Englisch, was nicht alle Kunden verstehen dürften.

Das Fazit des Gerichts:

„Auch diese Informationen sind bereits in dem Hinweis nach Art. 246 EGBGB zu erbringen.“

4. Zur Sprachproblematik: Englisch als zulässige Sprache?

Eine brisante Frage ließ das OLG Düsseldorf offen: Ist es zulässig, die Garantiebedingungen ausschließlich in englischer Sprache zu formulieren?

Das Gericht verwies darauf, dass weder Deutschland noch die EU derzeit vorschreiben, in welcher Sprache Garantiebedingungen verfügbar sein müssen. Eine Pflicht zur deutschen Sprache ergibt sich also derzeit nicht ausdrücklich aus dem Gesetz.

Allerdings stellt sich bei rein englischsprachigen Texten immer die Frage, ob diese für den durchschnittlichen Verbraucher klar und verständlich sind – eine gesetzliche Grundvoraussetzung. Diese Problematik konnte das OLG hier offenlassen, weil der Verstoß bereits aus anderen Gründen feststand.

Fazit: Stationärer Handel muss Garantietransparenz sicherstellen

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf bringt Klarheit für den Einzelhandel: Wer mit Garantien wirbt – und sei es nur mit einem Sticker auf der Verpackung – verpflichtet sich, dem Verbraucher bestimmte Informationen vor Vertragsabschluss klar und vollständig bereitzustellen. Das gilt nicht nur im Onlinehandel, sondern auch im Geschäft vor Ort.

Wichtige Lehren aus dem Urteil:

Wer mit Garantien wirbt, muss alle gesetzlichen Pflichtinformationen vorhalten
Auch Dritthersteller-Garantien verpflichten den Händler zur Aufklärung
Bei langlebigen Produkten (z.B. Messer mit 25-Jahre-Garantie) keine Ausnahme für Alltagsgeschäfte
Informationen müssen vollständig und klar verständlich sein idealerweise auf Deutsch
Händler haften auch für unzureichende Angaben auf der Produktverpackung

Praxistipp für Händler:
Prüfen Sie regelmäßig, ob Produkte mit Garantiezusagen versehen sind – insbesondere solche mit auffälligen Hinweisen auf Verpackungen. Klären Sie, ob alle erforderlichen Informationen auch tatsächlich vor dem Kauf und in verständlicher Form verfügbar sind. Nur so vermeiden Sie Abmahnungen und rechtliche Risiken.

Praxistipp für Verbraucher:
Verlassen Sie sich nicht allein auf die Verpackung. Fragen Sie nach den vollständigen Garantiebedingungen – schriftlich, am besten auf Deutsch. Nur dann wissen Sie im Fall der Fälle, welche Rechte Ihnen tatsächlich zustehen.

Wenn Sie Fragen zur rechtssicheren Gestaltung von Garantieangaben im stationären oder Onlinehandel haben oder eine Abmahnung wegen unvollständiger Informationsangaben erhalten haben, stehen wir Ihnen gerne beratend zur Seite.

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