Influencer-Reel und Beauftragtenhaftung nach § 8 Abs. 2 UWG
Influencer-Marketing ist aus der Kommunikation vieler Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Gerade bei gesundheitsbezogenen Produkten zeigt sich jedoch, wie schnell Social-Media-Formate rechtliche Grenzen berühren. Das Oberlandesgericht Köln hat die rechtlichen Leitplanken für Instagram-Reels geschärft und zugleich klargestellt: Influencer können im Rahmen bezahlter Werbepartnerschaften „Beauftragte“ im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG sein. Dann werden Regelverstöße dem Unternehmen zugerechnet. Zugleich konkretisiert das Urteil die Pflichtangaben bei Arzneimittelwerbung und den Umgang mit „bekannten Personen“ nach dem Heilmittelwerbegesetz.
Der rechtliche Rahmen in Kürze
Zurechnung nach § 8 Abs. 2 UWG
Der Begriff des Beauftragten wird weit verstanden. Er erfasst Personen, die ohne Arbeitnehmende zu sein aufgrund eines vertraglichen oder sonstigen Rechtsverhältnisses im Interesse des Unternehmens tätig werden. Entscheidend ist, dass der Unternehmer seinen Geschäftskreis bewusst erweitert und damit auch das Risiko von Zuwiderhandlungen vergrößert. Bei entgeltlichen Kooperationen mit klarer Kampagnensteuerung spricht vieles für eine Beauftragteneigenschaft des Influencers.
Heilmittelwerbegesetz: Pflichttexte und bekannte Personen
Werbung für Arzneimittel unterliegt strengen Vorgaben. In audiovisuellen Medien muss der Hinweis „Zu Risiken und Nebenwirkungen …“ im Medium selbst erscheinen und gleichzeitig gesprochen werden. Zudem ist Werbung mit Empfehlungen „bekannter Personen“ in aller Regel unzulässig. Ob jemand „bekannt“ ist, wird kontextbezogen beurteilt; starre Grenzwerte sind nicht vorgesehen.
Der Sachverhalt – was konkret passiert ist
Eine Influencerin veröffentlichte ein kurzes Instagram-Reel zur Bewerbung eines frei verkäuflichen Erkältungsmittels. Das Video zeigte eine alltagsnahe Szene: morgendliche Mattigkeit, leichte Kopfbeschwerden, dann die Einnahme des Produkts und eine sichtbare Stimmungsaufhellung mit Rückkehr in den normalen Tagesablauf. Im Clip selbst fehlten jegliche Pflichtangaben.
Die Caption verwies auf einen gesonderten Instagram-Account, der ausschließlich Pflichtinformationen zum Produkt enthielt. Dort wurden gesetzlich geforderte Angaben in Kachel-Posts hinterlegt; teils war die Schrift sehr klein. Das werbende Pharmaunternehmen argumentierte, durch die Verlinkung sei den gesetzlichen Informationspflichten ausreichend Rechnung getragen worden. Zusätzlich wurde geltend gemacht, bei einem kurzen Reel sei ein vollwertiger Hinweis im Video praktisch kaum umsetzbar; die gewählte Gestaltung liefere sogar mehr Informationen als die gesetzliche Kurzfassung erfordere.
Gegen diese Werbung ging ein Wettbewerbsverband vor und verlangte Unterlassung. Das Landgericht gab der Klage statt. Das Oberlandesgericht Köln bestätigte die Entscheidung und befasste sich dabei ausführlich mit Pflichttexten in Reels, der „Bekanntheit“ der Influencerin und der Zurechnung an das Unternehmen über § 8 Abs. 2 UWG.
Die tragenden Gründe des OLG Köln
Reels sind audiovisuelle Medien – der Pflichttext gehört in den Clip
Das Gericht ordnet Instagram-Reels funktional der Fernsehwerbung zu. Ein Reel kombiniere bewegte Bilder und Ton; der begleitende Text trete in der Nutzungspraxis deutlich zurück. Daraus folgt: Der Pflichthinweis muss im Video eingeblendet und gesprochen werden. Ein Ausweichen in die Caption oder auf einen separaten Account genügt nicht.
Das Gericht begründet die strenge Anforderung mit den „Eigengesetzlichkeiten“ audiovisueller Medien und dem typischen Nutzungsverhalten. Reels werden häufig kurz und ohne Ton oder ohne Blick in die Caption konsumiert. Pflichtinformationen dürfen daher nicht ausgelagert werden. Der Hinweis muss ohne zusätzliche Klicks und ohne Medienbruch wahrnehmbar sein. Die Idee, per Verlinkung „mehr Information“ bereitzustellen, ersetzt den gesetzlich geforderten Standard-Warnhinweis im Video nicht. Mehr Information außerhalb kann ergänzen, aber nicht substituieren.
„Bekannte Person“ im Sinne des HWG – keine starre Schwelle
Die Werbebeschränkung für Empfehlungen „bekannter Personen“ knüpft nicht nur an klassische Prominenz an. Maßgeblich ist die Gesamtwirkung im konkreten Marktumfeld. Das Gericht stellt auf Follower-Zahlen, Reichweite über mehrere Plattformen, Klickzahlen einzelner Inhalte und die Bindung der Community ab. Eine Person kann auch ohne TV-Prominenz als „bekannt“ gelten, wenn sie vergleichbar auf Kaufentscheidungen einwirken kann. Absolute Grenzwerte lehnt das Gericht ab; vielmehr kommt es auf die Relevanz des konkreten Publikums und die Werbewirkung an.
Influencer als „Beauftragte“ des Unternehmens
Das OLG Köln betont, dass Influencer jedenfalls bei bezahlten Werbepartnerschaften als Beauftragte des werbenden Unternehmens angesehen werden können. Darauf deuten vertragliche Absprachen, Briefings, Freigabeprozesse und die Einbindung in die Kampagne. Handelt der Influencer rechtswidrig, kann das Unternehmen für die Zuwiderhandlung einstehen. Die Zurechnung wird damit nicht von einer Weisungsgebundenheit im arbeitsrechtlichen Sinn abhängig gemacht, sondern davon, dass das Unternehmen den Influencer bewusst zur Absatzförderung einsetzt und so den eigenen Geschäftskreis erweitert.
Auseinandersetzung mit den Einwänden des Unternehmens
Das Gericht setzt sich sichtbar mit typischen „Praxisargumenten“ auseinander:
- „Mehr Information statt Kurz-Warnhinweis“: Der gesetzgeberische Ansatz ist bewusst standardisiert. Der Kurz-Warnhinweis soll schnell, zuverlässig und unmittelbar wahrgenommen werden. Eine Informationsflut in der Caption ersetzt dies nicht.
- „Technische Grenzen des Formats“: Produktions- oder Formatgrenzen rechtfertigen keine Abweichung. Wer sich für audiovisuelle Werbung entscheidet, muss die gesetzlichen Anforderungen im Medium selbst erfüllen.
- „Caption als vollwertiger Bestandteil“: Die Caption hat im typischen Nutzungsverhalten untergeordnete Bedeutung. Viele Nutzer sehen nur das Video – häufig ohne Ton. Der Pflichttext gehört ins Bild und muss zusätzlich gesprochen werden.
Konsequenzen für Unternehmen und Influencer
Zurechnung und Haftungsrisiken
Ist der Influencer Beauftragter, werden Wettbewerbsverstöße dem Unternehmen zugerechnet. Das betrifft Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, Abmahnkosten und prozessuale Risiken. Auch vertragliche Rückgriffe gegenüber dem Influencer sind denkbar, ändern an der Außenhaftung jedoch nichts.
Gestaltung rechtssicherer Kooperationen
Klare Briefings und Freigaben sind das A und O. Unternehmen sollten mit Creators vorab festlegen,
- dass es sich ausdrücklich um Werbung handelt,
- welche gesetzlichen Vorgaben einzuhalten sind,
- wie der Pflichthinweis im Video umgesetzt wird (Text-Einblendung und Tonspur),
- wer final freigibt und Versionen dokumentiert.
Templates für audiovisuelle Pflichttexte, sprechbare Skripte und Checklisten für Upload-Prozesse erhöhen die Compliance. Monitoring und Screenshots sämtlicher Veröffentlichungen helfen bei Nachweisen.
Auswahl der passenden Gesichter
Bei regulierten Produkten empfiehlt sich oft ein zielgruppen-nahes Gesicht ohne ausgeprägte Prominenzwirkung. Maßgeblich sind Themen-Fit, Glaubwürdigkeit und eine Reichweite, die keine „bekannte Person“ indiziert. Der Einzelfall bleibt ausschlaggebend.
Praxisleitfaden für audiovisuelle Pflichtangaben im Reel
So lässt sich der Warnhinweis praktisch umsetzen
- Einblendung im Bild: gut lesbar, ausreichend groß, vor neutralem Hintergrund.
- Gleichzeitiges Sprechen: kurze, klare Tonspur ohne Musiküberlagerung.
- Positionierung: zu Beginn und in einer dauerhaft wahrnehmbaren Sequenz; Overlays sollten den Hinweis nicht verdecken.
- Caption als Ergänzung: weiterführende Informationen dürfen zusätzlich erscheinen, ersetzen die Video-Hinweise aber nicht.
Häufige Fallstricke
- Auslagerung der Pflichtangaben in die Caption oder auf einen Zweit-Account.
- Unleserliche Schriftgrößen oder farbliche Kontraste, die auf dem Smartphone verpuffen.
- Tonlose Gestaltung ohne gesprochenen Hinweis, obwohl das Format Ton ermöglicht.
- Testimonial-Ton „bekannter Personen“, ohne den HWG-Rahmen zu beachten.
Was die Entscheidung für künftige Kampagnen bedeutet
Die Entscheidung macht deutlich: Kreativität und Rechtskonformität schließen sich nicht aus, benötigen aber saubere Prozesse. Wer Reels nutzt, sollte frühzeitig Produktionsabläufe auf Pflichttext-Integration ausrichten. Bezahlte Kooperationen sind rechtlich machbar, sofern Beauftragtenrisiken mitgedacht und Pflichtangaben im Clip selbst umgesetzt werden. Für den Umgang mit „bekannten Personen“ empfiehlt sich eine dokumentierte Einzelfallprüfung mit Blick auf Reichweite, Plattform-Mix und Community-Bindung.
Checkliste für Ihren Projektstart
- Briefing an Influencer mit konkreten Vorgaben zu UWG/HWG und Plattformregeln
- Skript für gesprochenen Warnhinweis, Grafik-Template für die Einblendung
- Freigabeprozess mit Versionierung und Screenshots vor Veröffentlichung
- Risikoprüfung „bekannte Person“ anhand Reichweite, Cross-Plattform-Präsenz, Engagement
- Vertragliche Absicherung (Pflicht zur Einhaltung, Nachbesserung, Vertragsstrafe, Regress)
- Monitoring nach Live-Gang, Dokumentation für den Ernstfall
Fazit
Das OLG Köln verdeutlicht, worauf es im Influencer-Marketing mit Gesundheitsbezug ankommt: Pflichtangaben gehören in den Clip, Empfehlungen „bekannter Personen“ sind heikel und bezahlte Werbepartnerschaften können die Zurechnung nach § 8 Abs. 2 UWG eröffnen. Wer Prozesse, Briefings und Produktion darauf ausrichtet, minimiert rechtliche Risiken und erhält die kreative Freiheit des Formats.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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