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„IMMUN WATER“ ist unzulässige Gesundheitswerbung

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Gesundheit verkauft sich gut – doch nicht jede Aussage über ein Produkt darf auch gemacht werden. Dies zeigt das aktuelle Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz (Az. 9 U 1314/23) deutlich. Im Zentrum der Entscheidung: die Produktbezeichnung „IMMUN WATER“, verwendet für das Getränk „hohes C IMMUN WATER“.
Während das Landgericht Koblenz die Bezeichnung noch für zulässig hielt, urteilte das OLG nun, dass hier ein Verstoß gegen europäisches Recht – konkret gegen die Health-Claims-Verordnung (HCVO) – vorliegt.

Sachverhalt und Verfahrensgang

Die Beklagte, ein namhafter Hersteller von Fruchtsaftprodukten, brachte ein Erfrischungsgetränk unter der Bezeichnung „hohes C IMMUN WATER“ auf den Markt. Die Klägerin – der Verbraucherzentrale Bundesverband – sah in der Bezeichnung eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe und klagte auf Unterlassung.

Das Landgericht Koblenz (1. Instanz) wies die Klage mit der Begründung ab, die Angabe „IMMUN WATER“ enthalte keine spezifische gesundheitsbezogene Aussage im Sinne der HCVO. Das OLG Koblenz hingegen änderte das Urteil auf die Berufung der Klägerin hin ab und gab der Klage statt.

Rechtliche Grundlage: Die Health-Claims-Verordnung (HCVO)

Die Health-Claims-Verordnung (VO (EG) Nr. 1924/2006) regelt auf europäischer Ebene, welche gesundheitsbezogenen Aussagen über Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel zulässig sind.

Wichtige Normen:

  • Art. 10 Abs. 1 HCVO:
    Gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur verwendet werden, wenn sie in der EU-Liste der zugelassenen Angaben (Art. 13, 14 i.V.m. VO (EU) Nr. 432/2012) enthalten sind.
  • Zugelassene Aussagen sind z. B.:
    • „Vitamin C trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“
    • „Zink trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“

Diese Aussagen sind stoffbezogen (z. B. auf Vitamin C oder Zink) und spezifisch in Bezug auf eine Körperfunktion (Immunsystem).

Entscheidung des LG Koblenz: Keine spezifische Wirkung = zulässig?

Das Landgericht vertrat die Auffassung, bei der Bezeichnung „IMMUN WATER“ handle es sich nicht um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 1 HCVO. Die Formulierung sei zu vage und enthalte keine Aussage über eine konkrete Substanz und deren Wirkung.
Demnach fehle es an der „Spezifizität“, sodass die Health-Claims-Verordnung keine Anwendung finde.

Urteil des OLG Koblenz vom 04.06.2024 – Az. 9 U 1314/23

Das OLG Koblenz entschied gegenteilig: „IMMUN WATER“ sei sehr wohl eine gesundheitsbezogene Angabe – und zwar eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe, die unter Art. 10 Abs. 1 HCVO falle.

Kernaussagen der Richter:

„Aus Sicht des normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers ist die Bezeichnung ‘IMMUN WATER’ gleichbedeutend mit der Aussage, das Getränk habe einen positiven Einfluss auf das Immunsystem.“

Und weiter:

„Die Angabe ist nicht identisch mit den zugelassenen Aussagen nach Art. 13 HCVO und der VO (EU) Nr. 432/2012. Sie nennt weder den Wirkstoff noch lässt sie die konkrete Wirkung erkennen.“

Dies bedeutet: Die Aussage „IMMUN WATER“ ist nicht nur unspezifisch, sondern nicht zulässig, da sie suggeriert, das Getränk stärke das Immunsystem – ohne Nennung eines konkreten Nährstoffs und ohne auf einer zugelassenen Angabe zu basieren.

Warum „IMMUN WATER“ unzulässig ist – juristische Bewertung

Nach Art. 10 Abs. 1 HCVO dürfen gesundheitsbezogene Angaben nur verwendet werden, wenn sie:

  1. durch wissenschaftliche Nachweise belegt sind,
  2. sich auf einen in der EU-Verordnung gelisteten Stoff beziehen (z. B. Vitamin C),
  3. in ihrer Formulierung exakt dem Wortlaut oder zumindest dem Sinn einer zugelassenen Angabe entsprechen.

→ „IMMUN WATER“ erfüllt keine dieser Voraussetzungen.
→ Die Angabe ist inhaltlich nicht identisch mit einer zulässigen Angabe und bezieht sich nicht auf eine konkrete Substanz.

Der Begriff „IMMUN“ suggeriert eine positive Wirkung auf das Immunsystem. In Kombination mit dem Produktbegriff „WATER“ entsteht beim Verbraucher der Eindruck, allein der Konsum dieses Wassers wirke sich förderlich auf die körpereigene Abwehr aus. Dies ist nach der Rechtsprechung nicht zulässig, wenn nicht klar kommuniziert wird, welcher Wirkstoff für welche Wirkung verantwortlich ist.

Bedeutung für Unternehmen und Werbung mit Gesundheit

Dieses Urteil ist ein Weckruf für alle Hersteller und Vermarkter von Getränken, Nahrungsergänzungsmitteln oder funktionellen Lebensmitteln. Werben Unternehmen mit Begriffen wie „IMMUN“, „FIT“, „STARK“, „ENERGY“ oder „HEALTHY“, müssen sie folgende Grundregeln beachten:

Keine gesundheitsbezogene Aussage ohne wissenschaftlich nachgewiesene Grundlage
Nur zulässige Aussagen gemäß HCVO (z. B. „Vitamin C trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei“)
Angabe muss sich auf konkreten Inhaltsstoff beziehen
Keine Suggestion allgemeiner Gesundheitswirkung durch Produktnamen, Verpackung oder Marketing

Fazit: Klare Linie des OLG – Transparenz und Verbraucherschutz im Vordergrund

Mit seinem Urteil vom 04.06.2024 hat das OLG Koblenz eine klare Linie gezogen: Allgemein gehaltene, aber suggerierende Begriffe wie „IMMUN WATER“ sind nicht mit der Health-Claims-Verordnung vereinbar, wenn sie nicht den Anforderungen an zulässige gesundheitsbezogene Aussagen genügen.

Unternehmen sollten ihre Produktbezeichnungen, Labels und Marketingmaßnahmen dringend auf potenzielle Verstöße gegen die HCVO prüfen – nicht nur um Bußgelder oder Abmahnungen zu vermeiden, sondern auch im Sinne fairer Verbraucherinformation.

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