Im geschäftlichen Verkehr im Markenrecht: Ein Leitfaden

Das Markenrecht schützt die Rechte von Markeninhabern und sorgt dafür, dass ihre Zeichen nicht missbräuchlich verwendet werden. Doch wann wird eine Handlung zur Markenverletzung? Die Antwort darauf hängt maßgeblich davon ab, ob die Handlung im geschäftlichen Verkehr erfolgt ist – ein zentraler Begriff, dessen genaue Bedeutung nicht nur juristisch, sondern auch praktisch entscheidend ist.
Die Grenzen zwischen privaten und geschäftlichen Handlungen verschwimmen in der modernen, digitalisierten Welt zunehmend. Ist der Verkauf von Produkten auf eBay noch privat, oder deutet die Regelmäßigkeit bereits auf eine gewerbliche Tätigkeit hin? Ist die Verwendung eines Logos in sozialen Medien harmlos, oder fördert sie wirtschaftliche Interessen? Fragen wie diese sind keine theoretischen Diskussionen, sondern praktische Herausforderungen, die nicht selten vor Gericht landen.
Dieser Beitrag beleuchtet, was unter „geschäftlichem Verkehr“ im Sinne des Markenrechts zu verstehen ist, welche Kriterien und Indizien die Rechtsprechung entwickelt hat und wie diese Abgrenzung von anderen Begriffen, wie der „geschäftlichen Handlung“ im Wettbewerbsrecht (UWG), zu unterscheiden ist. Anhand prägnanter Beispiele und relevanter Urteile zeigen wir, wie schnell private Handlungen den Schutzbereich des Markenrechts berühren können – und welche Konsequenzen dies mit sich bringt. Denn eines ist sicher: Wer im geschäftlichen Verkehr agiert, trägt eine Verantwortung, die nicht unterschätzt werden sollte.
Das Wichtigste in Kürze:
- Geschäftlicher Verkehr als Grundlage für Markenverletzungen: Eine Markenrechtsverletzung liegt nur vor, wenn die Handlung im geschäftlichen Verkehr erfolgt. Entscheidend ist dabei eine wirtschaftliche Zielrichtung, wie sie z. B. bei regelmäßigen Verkäufen oder gezielten Werbemaßnahmen vorliegt (BGH, Urteil Tork).
- Abgrenzung zu privaten Handlungen: Wiederholte Verkäufe, Nutzung professioneller Verkaufsplattformen (z. B. eBay) oder gewerbliche Registrierungen gelten als starke Indizien für geschäftliches Handeln. Private Gelegenheitsverkäufe bleiben jedoch in der Regel ausgeschlossen (BGH, Urteil Ohrclips).
- Unterschiede zum Wettbewerbsrecht: Während das UWG nur Handlungen mit Wettbewerbsbezug erfasst, ist das Markenrecht weiter gefasst und schließt auch betriebsinterne Maßnahmen wie die Lagerung von markenverletzenden Produkten ein (§ 14 Abs. 3 MarkenG, OLG Düsseldorf, Urteil Atlas).
Was bedeutet geschäftlicher Verkehr im Markenrecht?
Vergleich mit dem UWG
Was sind Indizien für den geschäftlichen Verkehr?
Was sind die allgemeinen Beurteilungskriterien?
Was bedeutet geschäftlicher Verkehr im Markenrecht?
Der Begriff „geschäftlicher Verkehr“ spielt im Markenrecht eine zentrale Rolle, da Markenrechte nur dann verletzt werden können, wenn die Handlung im geschäftlichen Verkehr erfolgt. Der Bundesgerichtshof (BGH) und der Europäische Gerichtshof (EuGH) haben dazu grundlegende Kriterien entwickelt, die eine klare Abgrenzung zwischen privatem und geschäftlichem Handeln ermöglichen.
Definition: Geschäftlicher Verkehr
Eine Marke wird im geschäftlichen Verkehr benutzt, wenn die Benutzung „im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit und nicht im privaten Bereich erfolgt“ (BGH, Urteil vom 17.10.2018, Az. I ZR 136/17 – Tork). Auch der EuGH hat betont, dass eine Handlung im geschäftlichen Verkehr dann vorliegt, wenn sie „mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit verbunden ist und auf die Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen abzielt“ (EuGH, Urteil vom 23.03.2010, Az. C-236/08 bis C-238/08 – Google und Google France).
Im Kern bedeutet dies, dass eine Handlung dann im geschäftlichen Verkehr stattfindet, wenn sie über den rein privaten oder familiären Bereich hinausgeht und in irgendeiner Form auf wirtschaftliche Interessen ausgerichtet ist.
Abgrenzungskriterien zwischen geschäftlichem und privatem Handeln
Um zu bestimmen, ob eine Handlung im geschäftlichen Verkehr erfolgt, hat die Rechtsprechung allgemeine Beurteilungskriterien und spezifische Indizien entwickelt:
Beurteilungskriterien
Die Beurteilungskriterien gelten unabhängig von der konkreten Situation und sind stets zu prüfen. Sie lauten:
- Zweck der Handlung: Eine Handlung erfolgt im geschäftlichen Verkehr, wenn sie direkt oder indirekt darauf abzielt, Waren oder Dienstleistungen zu bewerben, zu verkaufen oder den Absatz zu fördern.
- Umfang der Handlung: Wiederholte oder groß angelegte Handlungen, die über eine einmalige oder gelegentliche Tätigkeit hinausgehen, sprechen für einen geschäftlichen Verkehr.
- Adressatenkreis: Wird die Handlung an die Allgemeinheit oder eine Vielzahl potenzieller Kunden gerichtet, spricht dies für den geschäftlichen Verkehr. Handlungen im privaten Bereich richten sich hingegen nur an einen kleinen, meist persönlichen Personenkreis.
- Verbindung mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit: Die Handlung muss im Zusammenhang mit einer Tätigkeit stehen, die auf wirtschaftliche Vorteile abzielt, z. B. im Rahmen eines Unternehmens, einer freiberuflichen Tätigkeit oder eines Geschäfts.
Rechtsprechung: Beispiele aus der Praxis
- BGH – Fall „Tork“: Der Verkauf von Produkten unter Verwendung einer Marke auf eBay wurde als Handlung im geschäftlichen Verkehr gewertet, da der Verkäufer regelmäßig und mit Gewinnerzielungsabsicht agierte.
- EuGH – Fall „Google und Google France“: Das Anbieten von Werbeflächen durch Google, bei dem Marken verwendet wurden, wurde als Handlung im geschäftlichen Verkehr angesehen, da es der Förderung wirtschaftlicher Interessen diente.
- Verwendung einer Marke bei privaten Verkäufen: Das gelegentliche Verkaufen von gebrauchten Gegenständen auf eBay oder Flohmärkten fällt in der Regel nicht unter den geschäftlichen Verkehr, sofern es sich um private Verkäufe handelt und keine Gewinnerzielungsabsicht besteht.
Eine Handlung im geschäftlichen Verkehr liegt vor, wenn sie mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit verbunden ist und nicht ausschließlich im privaten Bereich stattfindet. Die Kombination aus allgemeinen Beurteilungskriterien und spezifischen Indizien ermöglicht eine präzise Abgrenzung, wobei die Rechtsprechung immer den konkreten Einzelfall berücksichtigt. Unternehmen und Privatpersonen sollten sich bewusst sein, dass selbst scheinbar private Handlungen wie regelmäßige Verkäufe im Internet schnell in den geschäftlichen Verkehr übergehen können.
Vergleich mit dem UWG
Der Begriff „Benutzung im geschäftlichen Verkehr“ aus dem Markenrecht (§ 14 MarkenG) und die „geschäftliche Handlung“ aus dem Wettbewerbsrecht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) sind eng miteinander verwandt. Beide dienen dazu, Handlungen abzugrenzen, die in einem wirtschaftlichen Kontext stattfinden, und damit bestimmte rechtliche Vorschriften anzuwenden. Dennoch gibt es wesentliche Unterschiede, die auf die unterschiedlichen Zielsetzungen der beiden Gesetze zurückzuführen sind.
Gemeinsamkeiten: Überschneidungen von Markenrecht und UWG
- Geschäftsbezug als Grundvoraussetzung
Sowohl im Markenrecht als auch im Wettbewerbsrecht müssen Handlungen einen klaren Bezug zur Förderung oder Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen haben. Privat- oder Gelegenheitsverkäufe, die nicht auf eine geschäftliche Tätigkeit abzielen, fallen weder unter das UWG noch unter § 14 MarkenG. - Beispiel aus der Rechtsprechung:
Nach dem Kommentar von Ingerl/Rohnke (MarkenG, 3. Auflage, § 14 Rn. 67) fallen alle Handlungen, die dem UWG unterliegen, automatisch auch unter den Begriff des geschäftlichen Verkehrs nach dem Markenrecht. Das bedeutet, dass eine Handlung, die als „geschäftliche Handlung“ im Sinne des UWG angesehen wird, immer auch eine Handlung im „geschäftlichen Verkehr“ im Sinne des Markenrechts darstellt. - Zielrichtung: Förderung oder Beeinflussung von wirtschaftlichen Interessen
Beide Gesetze zielen darauf ab, Handlungen zu regulieren, die entweder den Wettbewerb beeinflussen (UWG) oder die Rechte von Markeninhabern betreffen (MarkenG). Dabei steht im Vordergrund, dass die Handlung in einem geschäftlichen Kontext erfolgt und nicht rein privat ist.
Unterschiede: Abgrenzung zwischen Markenrecht und UWG
- Anwendungsbereich: Fokus auf Wettbewerb vs. Markenschutz
- Das UWG ist primär auf die Verhinderung unlauterer Wettbewerbshandlungen ausgerichtet. Der Begriff der „geschäftlichen Handlung“ umfasst jede Handlung, die objektiv dazu geeignet ist, den Wettbewerb zu beeinflussen, sei es durch Werbung, Verkauf oder vergleichbare Maßnahmen.
- Das Markenrecht hingegen schützt die Marke als immaterielles Wirtschaftsgut. Der Begriff der „Benutzung im geschäftlichen Verkehr“ zielt darauf ab, Handlungen zu erfassen, die die Kennzeichnungsfunktion einer Marke beeinträchtigen könnten. Es geht also nicht um den Wettbewerb als solches, sondern um den Schutz der spezifischen Rechte des Markeninhabers.
- Reichweite des Begriffs im Markenrecht: Betriebsinterne Maßnahmen
Ein wesentlicher Unterschied liegt darin, dass das Markenrecht auch rein betriebsinterne Maßnahmen als Handlungen im geschäftlichen Verkehr erfassen kann, sofern sie vom Gesetz ausdrücklich geregelt werden (§ 14 Abs. 3 und 4 MarkenG). Im UWG werden interne Handlungen grundsätzlich nicht erfasst, da sie keine Auswirkungen auf den Wettbewerb haben. - Beispiel aus der Rechtsprechung:
Der Besitz von markenverletzenden Waren zum Zwecke des späteren Inverkehrbringens wird nach § 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG als Handlung im geschäftlichen Verkehr betrachtet, obwohl es sich dabei zunächst um eine interne Maßnahme handelt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.05.2004, Az. I-20 U 62/03 – Atlas). Das UWG würde eine solche Handlung nicht erfassen, da sie den Wettbewerb erst bei einem tatsächlichen Inverkehrbringen beeinflusst.
- Geschäftsinterne Vorbereitungshandlungen
Nach dem Markenrecht können selbst Vorbereitungshandlungen wie das Anfertigen von Waren oder die Lagerung von gekennzeichneten Produkten unter die Definition des geschäftlichen Verkehrs fallen, sofern diese Handlungen auf ein späteres Inverkehrbringen abzielen. - Im UWG hingegen werden solche Maßnahmen nur dann relevant, wenn sie konkrete Auswirkungen auf den Wettbewerb haben, z. B. durch Werbung oder ein Angebot an die Öffentlichkeit.
Unterschiede in der praktischen Anwendung
Das Verhältnis zwischen der „Benutzung im geschäftlichen Verkehr“ nach dem Markenrecht und der „geschäftlichen Handlung“ nach dem UWG lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Subsumtionsregel: Alle Handlungen, die als geschäftliche Handlung im Sinne des UWG eingestuft werden, fallen auch unter den Begriff des geschäftlichen Verkehrs nach dem Markenrecht. Die umgekehrte Aussage gilt jedoch nicht, da das Markenrecht in manchen Fällen weiter gefasst ist (z. B. durch die Erfassung betriebsinterner Maßnahmen).
- Erweiterter Schutz im Markenrecht: Das Markenrecht deckt auch Handlungen ab, die das UWG nicht erfasst, z. B. interne Vorbereitungshandlungen wie Lagerhaltung oder Herstellung von markenverletzenden Produkten.
- Unterschiedliche Zielrichtungen: Während das UWG auf die Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs abzielt, schützt das Markenrecht die spezifischen Interessen des Markeninhabers, unabhängig davon, ob ein Wettbewerbskontext vorliegt.
Praktische Bedeutung:
In der Praxis können sich die Anwendungsbereiche von Markenrecht und UWG überschneiden, z. B. bei irreführender Werbung, die eine Marke verwendet. In solchen Fällen ist es wichtig, sowohl die Vorschriften des Markenrechts als auch des UWG zu prüfen, um alle rechtlichen Ansprüche umfassend zu erfassen.
Was sind Indizien für den geschäftlichen Verkehr?
Indizien helfen dabei, in bestimmten Fallkonstellationen das Vorliegen einer Handlung im geschäftlichen Verkehr zu vermuten oder auszuschließen. Diese Indizien erleichtern die Prüfung, indem sie aufzeigen, wann typischerweise von einem wirtschaftlichen Handeln auszugehen ist. Die nachfolgend erläuterten Indizien beruhen auf der Rechtsprechung und sind insbesondere im Zusammenhang mit Markenrechtsfällen relevant.
Markenanmeldung
Die Anmeldung einer Marke gilt als starkes Indiz dafür, dass die Absicht zur geschäftlichen Benutzung besteht. Bereits die Anmeldung selbst wird im Regelfall als Handlung im geschäftlichen Verkehr betrachtet, da Marken typischerweise zum Schutz geschäftlicher Interessen registriert werden.
Beispiel aus der Rechtsprechung:
Im Fall Metrosex (BGH, Urteil vom 13.03.2008, Az. I ZR 151/05) stellte der Bundesgerichtshof fest, dass eine Markenanmeldung die Absicht indiziert, die Marke im geschäftlichen Verkehr zu verwenden. Daraus ergibt sich auch, dass mit der Marke zusammenhängende Handlungen in der Regel ebenfalls im geschäftlichen Verkehr erfolgen.
Wiederholte Verkäufe von gleichartigen Waren
Wer regelmäßig oder in größerem Umfang gleichartige Gegenstände – insbesondere Neuware – verkauft, handelt typischerweise im geschäftlichen Verkehr. Diese Regelung stellt sicher, dass private Gelegenheitsverkäufe von wirtschaftlichen Tätigkeiten unterschieden werden können.
Beispiel aus der Rechtsprechung:
Der Bundesgerichtshof entschied im Fall Internet-Versteigerung I (BGH, Urteil vom 11.03.2004, Az. I ZR 304/01), dass wiederholte Verkäufe auf Plattformen wie eBay ein Indiz für geschäftliches Handeln sind. Eine ähnliche Einschätzung erfolgte im Fall Replica-Integralhelm (OLG Frankfurt, Urteil vom 11.04.2019, Az. 6 U 121/18).
Sonstige gewerbliche Tätigkeit des Anbieters
Eine Person, die bereits in anderen Bereichen gewerblich tätig ist, wird häufig auch bei weiteren, ähnlichen Handlungen im geschäftlichen Verkehr agieren. Gewerbliches Handeln in einem Bereich lässt also Rückschlüsse auf die Absicht zu, auch andere Handlungen wirtschaftlich auszurichten.
Beispiel aus der Rechtsprechung:
Im Fall Internet-Versteigerung III (BGH, Urteil vom 30.04.2008, Az. I ZR 73/05) wurde entschieden, dass der bereits bestehende geschäftliche Kontext eines Anbieters ein Indiz für eine Handlung im geschäftlichen Verkehr darstellt.
Ankauf der Produkte vor dem Weiterverkauf
Wenn ein Anbieter Produkte verkauft, die er zuvor eigens zu diesem Zweck erworben hat, deutet dies ebenfalls auf ein Handeln im geschäftlichen Verkehr hin. Insbesondere, wenn Waren in größeren Mengen eingekauft oder gezielt weiterverkauft werden, handelt es sich nicht mehr um private Gelegenheitsverkäufe.
Beispiel aus der Rechtsprechung:
Im Fall Ohrclips (BGH, Urteil vom 04.12.2008, Az. I ZR 3/06) entschied der Bundesgerichtshof, dass der gezielte Einkauf von Waren für den späteren Weiterverkauf ein starkes Indiz für gewerbliches Handeln darstellt.
Nutzung von professionellen Verkaufsplattformen
Die Nutzung von Plattformen wie eBay, Amazon, Etsy oder anderen Marktplätzen deutet oft auf eine geschäftliche Tätigkeit hin. Insbesondere, wenn:
- der Verkäufer ein professionelles Profil mit Firmenname oder Logo hat,
- die Angebote regelmäßig aktualisiert werden,
- oder gewerbliche Verkaufsbedingungen (z. B. Widerrufsbelehrung) angegeben sind.
Rechtsprechung:
- BGH, Urteil vom 04.12.2008, Az. I ZR 3/06 (Ohrclips): Regelmäßige Verkäufe von Neuware auf eBay können als geschäftlicher Verkehr angesehen werden.
- OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.05.2004, Az. I-20 U 62/03 (Atlas): Die systematische Nutzung einer Plattform für Verkäufe indiziert geschäftliches Handeln.
Umfang und Häufigkeit der Aktivitäten
Regelmäßigkeit und der Umfang der Handlungen sind starke Indizien für eine geschäftliche Tätigkeit. Dies gilt besonders bei:
- wiederholten Verkäufen ähnlicher Produkte,
- hohen Stückzahlen (z. B. Großhandel),
- oder Verkäufen über längere Zeiträume.
Beispiel:
Eine Einzelperson, die über mehrere Monate hinweg identische Artikel in größeren Mengen verkauft, handelt vermutlich im geschäftlichen Verkehr. Gelegenheitsverkäufe fallen hingegen eher in den privaten Bereich.
Umsatzhöhe oder wirtschaftlicher Gewinn
Auch die erzielten Umsätze können ein Indiz für geschäftliches Handeln sein. Sobald die Einnahmen eine bestimmte Schwelle überschreiten oder regelmäßig Gewinne erzielt werden, ist ein wirtschaftlicher Zweck wahrscheinlich.
Professionelle Außenwirkung
Eine professionelle Präsentation des Angebots oder der Dienstleistung deutet auf eine geschäftliche Absicht hin. Dazu gehören:
- die Verwendung eines Logos oder Markenzeichens,
- die Gestaltung einer eigenen Website,
- das Angebot von Zahlungsmöglichkeiten wie PayPal oder Kreditkarte,
- oder das Bewerben der Produkte/Dienstleistungen in sozialen Medien.
Gewerbeanmeldung oder Steuerpflicht
Eine formelle Gewerbeanmeldung oder die steuerliche Erfassung von Einnahmen gilt als starkes Indiz für geschäftliches Handeln. Auch wenn die Handlung an sich privat erscheinen mag, signalisiert die gewerbliche Registrierung eine wirtschaftliche Absicht.
Erwerb von Produkten zum Weiterverkauf
Wenn Produkte gezielt eingekauft werden, um sie mit Gewinn weiterzuverkaufen, handelt es sich um eine typische geschäftliche Tätigkeit. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Neuware oder gebrauchte Artikel handelt.
Rechtsprechung:
- BGH, Urteil vom 04.12.2008, Az. I ZR 3/06 (Ohrclips): Der gezielte Ankauf von Waren mit dem Ziel des Weiterverkaufs wurde als Indiz für geschäftliches Handeln gewertet.
Werbung und Marketing
Werbemaßnahmen, sei es online oder offline, sind ein weiteres klares Indiz. Dazu zählen:
- Social-Media-Kampagnen (z. B. Instagram, Facebook),
- bezahlte Anzeigen (z. B. Google Ads, Facebook Ads),
- oder das Bewerben der Produkte auf Webseiten oder Blogs.
Beispiel:
Ein Influencer, der Produkte über seinen Instagram-Account bewirbt und diese über Affiliate-Links verkauft, handelt geschäftlich.
Anzahl der Adressaten
Das Ausmaß und die Zielgruppe der Handlung können ebenfalls ein Indiz sein. Eine Handlung, die sich an eine breite Öffentlichkeit richtet (z. B. durch eine Anzeige oder ein öffentlich zugängliches Angebot), spricht für geschäftliches Handeln. Handlungen, die nur an einen kleinen, privaten Kreis gerichtet sind, sind weniger wahrscheinlich geschäftlich.
Kundenorientierung und Garantien
Die Bereitstellung von Dienstleistungen wie Kundenservice, Rückgaberechten oder Garantien deutet auf geschäftliches Handeln hin. Privatpersonen bieten solche Serviceleistungen in der Regel nicht an.
Vergleich mit Wettbewerbern
Handlungen, die typischerweise von Unternehmen durchgeführt werden (z. B. Serienproduktion, standardisierte Angebote), können ebenfalls als geschäftlich eingestuft werden. Der Vergleich mit anderen Anbietern in der gleichen Branche gibt dabei Hinweise auf die geschäftliche Ausrichtung.
Branchenzugehörigkeit
Wenn der Handelnde in einer Branche tätig ist, in der eine geschäftliche Absicht typischerweise anzunehmen ist (z. B. Verkauf von Modeartikeln, Elektronik, Dienstleistungen), spricht dies für den geschäftlichen Verkehr.
Systematische Organisation der Tätigkeit
Ein klarer Hinweis auf geschäftliches Handeln ist die systematische Organisation der Tätigkeit, etwa durch:
- Lagerhaltung,
- Bestell- und Buchhaltungssysteme,
- oder die Nutzung von Tools zur Verkaufsförderung (z. B. SEO-Tools, Newsletter-Systeme).
Praxistipp: Anwendung von Indizien
Wenn fraglich ist, ob eine Handlung im geschäftlichen Verkehr erfolgt, sollten zunächst die genannten Indizien geprüft werden. Kommt ein Indiz zur Anwendung, kann eine geschäftliche Handlung vermutet werden. Dennoch müssen die allgemeinen Beurteilungskriterien (z. B. Zweck, Umfang und Adressatenkreis der Handlung) zusätzlich geprüft werden, um das Ergebnis abzusichern oder zu widerlegen.
Wird ein Indiz durch die Beurteilungskriterien nicht bestätigt, ist eine ausführlichere Begründung notwendig, da Indizien im Streitfall eine starke Argumentationsgrundlage darstellen.
Was sind die allgemeinen Beurteilungskriterien?
Der Begriff des „geschäftlichen Verkehrs“ ist ein zentraler Anwendungsbereich im Markenrecht, da nur Handlungen, die im geschäftlichen Verkehr erfolgen, eine Markenverletzung nach § 14 MarkenG begründen können. Um die Grenze zwischen privatem und geschäftlichem Handeln zu ziehen, hat die Rechtsprechung detaillierte Beurteilungskriterien entwickelt. Diese Kriterien dienen dazu, die wirtschaftliche Ausrichtung einer Handlung zu bewerten und Abgrenzungen zu nicht-kommerziellen Handlungen wie privaten, wissenschaftlichen oder politischen Aktivitäten vorzunehmen. Nachfolgend werden die allgemeinen Beurteilungskriterien ausführlich erläutert und durch Beispiele aus der Rechtsprechung sowie ergänzende Gesichtspunkte ergänzt.
1. Kommerzielle Tätigkeit muss positiv festgestellt werden
Die Rechtsprechung fordert, dass das Vorliegen einer kommerziellen Tätigkeit positiv festgestellt wird. Eine bloße Vermutung oder Indizien allein reichen nicht aus. Gleichzeitig werden keine übermäßig strengen Anforderungen an das Vorliegen eines geschäftlichen Verkehrs gestellt. Entscheidend ist, dass die Handlung in irgendeiner Weise mit einem wirtschaftlichen Ziel verknüpft ist.
Rechtsprechung und Beispiele:
- OLG Frankfurt, Urteil vom 11.04.2019, Az. 6 U 121/18 (Replica-Integralhelm):
Das Gericht betonte, dass eine kommerzielle Tätigkeit positiv festgestellt werden muss. In diesem Fall wurde geprüft, ob der Verkauf von Helmen auf einer Plattform wie eBay als geschäftliche Handlung einzustufen ist. Aufgrund der Regelmäßigkeit und der Art der angebotenen Produkte wurde eine gewerbliche Zielsetzung bejaht. - BGH, Urteil vom 04.12.2008, Az. I ZR 3/06 (Ohrclips):
Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass auch geringe wirtschaftliche Interessen ausreichen können, um eine Handlung als geschäftlich einzustufen. Hierbei kommt es auf die konkrete Handlung und den Kontext an.
Praktische Konsequenzen:
Eine einmalige Handlung kann bereits als geschäftlich gelten, wenn sie klar auf ein wirtschaftliches Ziel ausgerichtet ist. Beispiele sind das gezielte Bewerben von Produkten oder Dienstleistungen auf Marktplätzen oder über Social Media.
2. Das erkennbare Handlungsziel
Ein zentrales Kriterium ist die Zielrichtung der Handlung, die nach außen hin sichtbar sein muss. Dabei wird geprüft, ob die Handlung auf die Förderung eines geschäftlichen Zwecks abzielt – sei es des eigenen oder eines fremden Unternehmens. Entscheidend ist nicht die innere Absicht, sondern das äußere Erscheinungsbild der Handlung.
Aspekte des Handlungsziels:
- Förderung eines Geschäftszwecks:
Nicht nur der Verkauf eigener Produkte, sondern auch Nachfragehandlungen (z. B. der gezielte Erwerb von Waren oder Dienstleistungen) können ein geschäftliches Handeln darstellen. - Keine Gewinnabsicht erforderlich:
Auch Handlungen ohne Gewinnorientierung können geschäftlich sein, z. B. wenn sie der Absatzförderung dienen oder einen Marktanteil sichern sollen. - Kein Wettbewerbsverhältnis notwendig:
Selbst wenn kein direkter Wettbewerb zwischen den Parteien besteht, kann die Handlung dennoch geschäftlich sein.
Rechtsprechung und Beispiele:
- BGH, Urteil vom 13.11.2003, Az. I ZR 103/01 (GeDIOS):
Hier wurde entschieden, dass nicht nur der Verkauf eigener Produkte, sondern auch Handlungen zur Förderung fremder Geschäftszwecke als geschäftlich gelten können. Entscheidend ist die nach außen sichtbare Zielsetzung der Handlung. - OLG Frankfurt, Urteil vom 11.04.2019, Az. 6 U 121/18 (Replica-Integralhelm):
Die Zielrichtung der Verkäufe – regelmäßiges Angebot gleichartiger Waren – deutete auf eine geschäftliche Tätigkeit hin.
Praktische Konsequenzen:
Die Bewertung des Handlungsziels ist oft entscheidend. Beispielsweise können private Verkäufe auf eBay bei fehlendem geschäftlichen Zusammenhang dem privaten Bereich zugeordnet werden. Dient der Verkauf jedoch der systematischen Absatzförderung, liegt geschäftliches Handeln vor.
3. Anknüpfungspunkt: Konkrete Benutzungshandlung
Die rechtliche Beurteilung konzentriert sich auf die konkrete Handlung, also den spezifischen Gebrauch eines Zeichens oder einer Marke. Dabei werden die Umstände der Handlung analysiert, um zu beurteilen, ob sie geschäftlich ist. Die Person des Handelnden oder frühere Aktivitäten können ergänzend berücksichtigt werden, um Rückschlüsse zu ziehen.
Aspekte:
- Konkretisierung der Handlung:
Jede einzelne Handlung wird unabhängig betrachtet. Selbst wenn eine Person überwiegend privat handelt, kann eine einzelne geschäftliche Handlung als solche eingestuft werden. - Vermutungen aus früheren Handlungen:
Wenn eine Person regelmäßig geschäftlich tätig ist, wird angenommen, dass ähnliche Handlungen ebenfalls geschäftlich sind – dies ist jedoch widerlegbar.
Rechtsprechung:
- BeckOK MarkenR/Mielke, § 14 MarkenG Rn. 63:
Die konkrete Benutzungshandlung bildet den primären Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung. Frühere Handlungen des Nutzers können als unterstützende Indizien dienen.
Praktische Konsequenzen:
Ein gelegentlicher Verkauf von Produkten kann als geschäftlich eingestuft werden, wenn er Teil einer größeren Strategie ist, z. B. der Absatzförderung.
4. Abgrenzung zu privaten, wissenschaftlichen, politischen und amtlichen Zwecken
Die Rechtsprechung grenzt geschäftliche Handlungen klar von anderen Tätigkeiten ab, die nicht auf wirtschaftliche Interessen ausgerichtet sind. Hierzu zählen:
- Private Tätigkeiten:
Handlungen, die im familiären oder persönlichen Bereich stattfinden, fallen nicht unter den geschäftlichen Verkehr. - Wissenschaftliche Zwecke:
Forschung und Lehre ohne wirtschaftliche Interessen gelten ebenfalls nicht als geschäftlich. - Politische und amtliche Zwecke:
Tätigkeiten, die ausschließlich politisch motiviert sind oder im Rahmen hoheitlicher Aufgaben stattfinden, sind ebenfalls auszuschließen.
Rechtsprechung:
- BGH, Urteil vom 13.11.2003, Az. I ZR 103/01 (GeDIOS):
Privatbereich, Wissenschaft, Politik und Amtshandeln bilden Gegenpole zum geschäftlichen Verkehr. Diese Abgrenzung dient der Sicherstellung, dass nur wirtschaftlich relevante Handlungen dem Markenrecht unterfallen.
Praktische Konsequenzen:
Die Abgrenzung zu privaten oder nicht-kommerziellen Handlungen erfolgt oft anhand der Zielsetzung und des Kontextes. Beispielsweise könnte das Teilen eines wissenschaftlichen Artikels auf Social Media als nicht-geschäftlich eingestuft werden, während das Bewerben einer wissenschaftlichen Dienstleistung geschäftlich ist.
Ergänzende Beurteilungskriterien
Neben den allgemeinen Kriterien gibt es weitere Gesichtspunkte, die in der Praxis häufig herangezogen werden:
- Regelmäßigkeit und Umfang der Handlung:
Wiederholte oder groß angelegte Handlungen, insbesondere mit gleichartigen Waren oder Dienstleistungen, sprechen für eine geschäftliche Tätigkeit. - Professionelles Auftreten:
Die Nutzung professioneller Kommunikationsmittel wie Websites, Logos, Marken oder E-Mail-Adressen mit geschäftlichem Bezug deutet auf geschäftliches Handeln hin. - Öffentlichkeitsbezug:
Handlungen, die sich an eine breite Öffentlichkeit richten, z. B. Werbung, Verkaufsförderung oder öffentliche Verkaufsplattformen, sprechen für den geschäftlichen Verkehr. - Verknüpfung mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit:
Jede Handlung, die mit einer bestehenden wirtschaftlichen Tätigkeit in Verbindung steht, ist regelmäßig geschäftlich.
Die Beurteilung, ob eine Handlung im geschäftlichen Verkehr erfolgt, erfordert eine sorgfältige Gesamtschau der Umstände. Die allgemeinen Beurteilungskriterien wie die kommerzielle Zielsetzung, das Handlungsziel, die konkrete Benutzungshandlung und die Abgrenzung zu nicht-kommerziellen Zwecken bieten eine strukturierte Grundlage für diese Analyse. Die Rechtsprechung legt dabei einen praxisnahen Maßstab an, der sicherstellt, dass wirtschaftliche Interessen wirksam geschützt werden, ohne den privaten oder nicht-kommerziellen Bereich unnötig einzuschränken.
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