Health-Claims gelten auch bei Schönheitsversprechen
Kollagen-Drinks, Beauty-Shots und „Beauty from within“ haben Konjunktur. Gleichzeitig wächst der Druck durch Abmahnungen. Das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.10.2025 (Az.: I ZR 135/24) setzt hier einen klaren Rahmen: Gesundheitsbezogene Werbeaussagen unterfallen der Health-Claims-Verordnung (HCVO) auch dann, wenn sie zugleich einen Schönheitsbezug haben. Entscheidend ist, wie der Durchschnittsverbraucher die Aussage versteht. Wird ein Gesundheitsbezug wahrgenommen, greift die HCVO.
Für Hersteller, Händler und Influencer bedeutet das: Schönheitsversprechen sind rechtlich sensibel, wenn sie mit Wirkbehauptungen zum Körper – hier: zur Haut – verknüpft werden. Dieser Beitrag ordnet das Urteil ein und zeigt, wie Sie Ihre Kommunikation risikominimiert gestalten.
Rechtlicher Hintergrund: Was die HCVO regelt
Gesundheitsbezogene Angaben – was darunter fällt
Die HCVO (VO (EG) Nr. 1924/2006) regelt nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung, Aufmachung und Werbung für Lebensmittel. Als gesundheitsbezogen gelten Aussagen, die einen Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel bzw. einem Inhaltsstoff und einer Funktion des menschlichen Körpers herstellen. Dazu gehören Hinweise auf Hautelastizität, Hautfeuchtigkeit oder das äußere Erscheinungsbild, wenn damit – aus Verbrauchersicht – ein Einfluss auf Körperfunktionen angesprochen wird.
Zulassung und Listenbezug
Spezielle gesundheitsbezogene Angaben sind – mit wenigen Ausnahmen – nur zulässig, wenn sie zugelassen sind. Orientierung gibt die Liste nach Art. 13 HCVO. Aussagen, die darüber hinausgehen (etwa zur „jungen und gesunden Haut“), bewegen sich häufig außerhalb des Zulassungsbestands. Eine einzelfallbezogene Prüfung bleibt dennoch maßgeblich.
Durchsetzung über das UWG
Wer unzulässige Health-Claims verwendet, setzt sich Unterlassungsansprüchen aus. Regelmäßig wird auf § 3a UWG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 HCVO abgestellt. Auch Abmahnkosten und weitere Konsequenzen können im Raum stehen.
Der Fall: Kollagen-Trinkampullen im Beauty-Kontext
Die Werbung
Beworben wurden Kollagen-Trinkampullen mit Aussagen zu Hautelastizität, Hautfeuchtigkeit und einem positiven Effekt auf das äußere Erscheinungsbild. Teilweise wurde – aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers – ein Bezug zu „junger und gesunder Haut“ hergestellt. Zudem wurde die Bioverfügbarkeit und der Transport der Peptide in die Hautschichten beschrieben.
Die Positionen
Ein Verbraucherschutzverein hielt die Aussagen für unzulässige gesundheitsbezogene Angaben. Die Gegenseite betonte, die Botschaften könnten (auch) schönheitsbezogen verstanden werden und sollten deshalb nicht unter die HCVO fallen.
Die Entscheidungslinie
Das Landgericht bejahte einen Verstoß, das Oberlandesgericht bestätigte die Bewertung im Wesentlichen. Der BGH hat das Ergebnis teilweise modifiziert, zugleich aber die grundlegenden Leitplanken herausgearbeitet.
Die Leitplanken des BGH
Kontext und Verbraucherleitbild
Ob eine Angabe gesundheitsbezogen ist, richtet sich nach dem normativ zu bestimmenden Durchschnittsverbraucher. Der Kontext der konkreten Werbedarstellung spielt eine zentrale Rolle. Aussagen sind jeweils einzeln zu prüfen; eine bloße Verknüpfung zu einer allgemeinen Argumentationskette genügt nicht.
Beauty schließt Health nicht aus
Der BGH stellt klar: Es braucht keine abstrakte Abgrenzung zwischen Gesundheits- und Schönheitsangaben. Versteht der Durchschnittsverbraucher eine Aussage als gesundheitsbezogen, fällt sie auch dann in den Anwendungsbereich von Art. 10 Abs. 1 HCVO, wenn sie zugleich als schönheitsbezogen wahrgenommen wird. Ein Ausschlussverhältnis besteht nicht.
Unmittelbarer Wirkungszusammenhang
Aussagen, die einen positiven Einfluss eines Lebensmittels oder seiner Bestandteile auf Haut und Bindegewebe behaupten, können spezielle gesundheitsbezogene Angaben sein. Das gilt insbesondere, wenn ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zu einer Körperfunktion hergestellt wird (zum Beispiel zur Elastizität oder Feuchtigkeitsbalance der Haut).
Bioverfügbarkeit im Kontext
Hinweise zur Bioverfügbarkeit sind für sich genommen nicht zwingend gesundheitsbezogen. Im Zusammenspiel mit Wirkversprechen zur Gesundheit können sie jedoch den Gesundheitsbezug verstärken und damit die HCVO-Anforderungen auslösen.
Listen- und Registerbezug
Der BGH knüpft die Bewertung eng an den Zulassungsbestand an. Wo der EU-Gesetzgeber bereits Aussagen zur Erhaltung normaler Haut als gesundheitsbezogen führt, liegt es nahe, dass weitergehende Versprechen – etwa zur Wiedererlangung „junger und gesunder“ Haut – nicht von bestehenden Zulassungen gedeckt sind.
Ergebnis im konkreten Fall
Der BGH hat nur bestimmte Aussagen untersagt und andere – mangels hinreichenden Gesundheitsbezugs – nicht beanstandet. Maßgeblich war die Einzelprüfung der jeweiligen Passage im konkreten werblichen Umfeld. Das Urteil zeigt damit, dass es auf präzise Formulierungen und die Gestaltung der Gesamtkommunikation ankommt.
Bedeutung für die Praxis
Für Hersteller und Händler
Wer mit Beauty-Effekten wirbt, sollte jeden Satz daraufhin prüfen, ob er – aus Verbrauchersicht – Körperfunktionen adressiert. Wo das der Fall ist, gelten die strengen Anforderungen der HCVO. Nicht zugelassene spezielle Angaben sollten vermieden werden.
Für Marketing und Produktentwicklung
Claims sollten frühzeitig mit Regulatory und Recht abgestimmt werden. Formulierungen, die suggerieren, ein Produkt verbessere bestimmte Hautparameter oder führe zu einem jugendlichen Aussehen, bewegen sich oft im Health-Claim-Regime. Wording-Alternativen mit Lifestyle- oder Wohlfühlcharakter können – je nach Kontext – risikoärmer sein.
Für Influencer und Social Media
Auch Influencer-Posts können Health-Claims auslösen. Hashtags, Vorher-nachher-Darstellungen, bildstarke Key-Visuals und Studienhinweise sollten in der Gesamtschau bewertet werden. Eine redaktionell kontrollierte Freigabe hilft, Ausreißer zu vermeiden.
Typische Fallstricke – und bessere Alternativen
Messbare Wirkzusagen
Konkrete Versprechen zur Verbesserung von Hautfeuchtigkeit, -elastizität oder -dichte deuten schnell auf spezielle Claims hin. Wo dies nicht durch zugelassene Angaben gedeckt ist, besteht Abmahnrisiko. Weiche Nutzenhinweise ohne Bezug zu Körperfunktionen sind häufig tragfähiger.
Studien- und Wissenschaftsbezug
Verweise auf klinische Studien wirken seriös, können aber – im Zusammenspiel – den Eindruck medizinischer Wirksamkeit verstärken. Das Wording sollte sorgfältig gewählt und nicht als Heilsversprechen verstanden werden.
Bioverfügbarkeit und „Transport in die Haut“
Beschreibungen zum Transport oder zur Aufnahme von Inhaltsstoffen sind heikel, wenn sie die Wirkung auf Organfunktionen nahelegen. Ohne passende Zulassung droht ein UWG-Verstoß.
„Junge und gesunde Haut“
Solche Formulierungen wirken aus Verbrauchersicht gesundheitsbezogen. Ohne Zulassung sind sie riskant. Näher liegt eine produktneutrale, nicht-medizinische Bildsprache.
Praxis-Check für Ihre nächste Kampagne
Claim-Analyse: Prüfen Sie jede Aussage im Kontext von Text, Bild, Verpackung und Landingpage.
Zulassungsabgleich: Stimmen Sie das Wording mit dem Art.-13-Verzeichnis ab.
Einzelprüfung: Vermeiden Sie Kettenargumentationen; bewerten Sie jede Passage separat.
Studienkommunikation: Formulieren Sie zurückhaltend und vermeiden Sie medizinische Schlagworte.
Freigabeprozess: Binden Sie Recht früh ein und dokumentieren Sie Freigaben.
Fazit
Das BGH-Urteil schärft den Blick für Beauty-Claims mit Gesundheitsbezug. Nicht jede Schönheitsaussage fällt unter die HCVO, viele tun es aber schnell, sobald eine Körperfunktion angesprochen wird. Wer sorgfältig formuliert, Listenbezüge im Blick behält und den Kontext kontrolliert, reduziert erkennbar das Risiko.
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