Handlungspflichten beim Unterlassungsanspruch: Rechte und Pflichten bei der Unterlassung

Was tun, wenn Ihre Rechte verletzt werden? Ob unerlaubt genutzte Marken, beleidigende Äußerungen oder das unbefugte Verbreiten geschützter Inhalte – solche Eingriffe sind nicht nur ärgerlich, sondern können auch gravierende Folgen haben. Der Unterlassungsanspruch bietet hier einen effektiven Schutzmechanismus: Er stoppt rechtswidriges Verhalten und verhindert zukünftige Verstöße. Doch die Verpflichtung zum Unterlassen bedeutet nicht immer einfach nur „Nichts tun“. Häufig erfordert sie vielmehr aktives Handeln.
Ein Unterlassungsanspruch kann den Schuldner dazu zwingen, bestehende Rechtsverletzungen vollständig zu beseitigen oder auf Dritte einzuwirken, um eine Fortsetzung des Schadens zu verhindern. Die Herausforderung? Der Schuldner muss nicht nur handeln, sondern auch beweisen, dass er alles in seiner Macht Stehende getan hat. Ohne sorgfältige Dokumentation – von Screenshots bis hin zu Versandnachweisen – drohen erhebliche rechtliche Konsequenzen, darunter Vertragsstrafen und Ordnungsgelder.
Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Anforderungen an Unterlassungsansprüche, erklärt, wann und warum aktives Handeln erforderlich ist, und zeigt, wie der Entlastungsbeweis lückenlos geführt werden kann. Mit Beispielen aus der Rechtsprechung und praxisnahen Tipps liefern wir Ihnen das Wissen, um Ihre Rechte effektiv zu schützen – oder Ihre Verpflichtungen rechtssicher zu erfüllen.
Das Wichtigste in Kürze:
- Umfang des Unterlassungsanspruchs: Ein Unterlassungsanspruch verpflichtet nicht nur zum „Nichtstun“, sondern erfordert oft auch aktives Handeln, um bestehende Rechtsverletzungen zu beseitigen und deren Wiederholung zu verhindern. Ohne lückenlose Maßnahmen drohen Vertragsstrafen oder Ordnungsgelder.
- Kerntheorie des BGH: Der Unterlassungsanspruch umfasst neben der konkret verbotenen Handlung auch kerngleiche Abwandlungen, sofern diese die wesentlichen Merkmale der ursprünglichen Verletzung aufweisen. Dies soll Umgehungen effektiv verhindern, setzt aber klare Grenzen zur Wahrung der Rechtssicherheit.
- Pflicht zur Dokumentation: Schuldner müssen den Entlastungsbeweis erbringen, indem sie alle Maßnahmen (z. B. Löschungen und Einwirkungen auf Dritte) nachvollziehbar dokumentieren. Hilfsmittel wie Screenshots mit Datumsangaben oder Versandnachweise sichern den Nachweis und vermeiden rechtliche Folgen.
Was ist ein Unterlassungsanspruch?
Was bedeutet Unterlassen?
Wer haftet auf Unterlassung?
Was bedeutet „aktives Tun“?
Sind auch kerngleiche Verletzungshandlungen umfasst?
Dokumentation des Tätigwerdens
Was ist ein Unterlassungsanspruch?
Ein Unterlassungsanspruch im gewerblichen Rechtsschutz ist ein rechtliches Instrument, das einem Anspruchsinhaber die Möglichkeit gibt, rechtswidrige Beeinträchtigungen seiner Rechte durch einen Dritten zu verhindern. Dabei kann es sich um bestehende oder drohende Eingriffe handeln. Solche Ansprüche sind von zentraler Bedeutung, um die Einhaltung von Schutzrechten, wie Marken-, Urheber- oder Wettbewerbsrechten, sicherzustellen.
1. Rechtsgrundlagen des Unterlassungsanspruchs
Die rechtliche Basis für Unterlassungsansprüche variiert je nach betroffenem Rechtsgebiet. Die „klassische“ Grundlage, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, gilt direkt nur bei Eigentumsverletzungen. Für andere Rechtsbereiche gibt es spezielle gesetzliche Regelungen, die teilweise auf § 1004 BGB analog angewendet werden:
- Medienrecht/Persönlichkeitsrecht: § 1004 Abs. 1 BGB analog
- Markenrecht: § 14 Abs. 5 MarkenG
- Urheberrecht: § 97 Abs. 1 UrhG
- Designrecht: § 42 Abs. 1 DesignG
- Wettbewerbsrecht: § 8 UWG
Diese Regelungen ermöglichen es dem Anspruchsinhaber, Beeinträchtigungen in den jeweiligen Schutzbereichen abzuwehren.
2. Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs
Unabhängig von der spezifischen Anspruchsgrundlage haben Unterlassungsansprüche folgende gemeinsame Kernvoraussetzungen:
2.1. Recht des Anspruchsinhabers
Der Anspruchsinhaber muss ein schutzwürdiges Recht haben. Dies kann beispielsweise ein Markenrecht, ein Urheberrecht, das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder auch ein wettbewerbsrechtliches Interesse sein. Ohne ein solches Recht besteht keine Grundlage für einen Unterlassungsanspruch.
2.2. Rechtswidrige Beeinträchtigung
Es muss eine Beeinträchtigung des Rechts durch den Anspruchsgegner vorliegen, die rechtswidrig ist. Beispiele dafür sind:
- Markenrecht: Produktfälschungen oder unzulässige Nutzung einer geschützten Marke.
- Persönlichkeitsrecht: Beleidigungen, Verleumdungen oder unerlaubte Veröffentlichungen.
- Wettbewerbsrecht: Irreführende Werbung oder Nachahmungen, die unlauteren Wettbewerb darstellen.
2.3. Wiederholungsgefahr oder drohender Eingriff
Eine Wiederholungsgefahr wird vermutet, wenn bereits eine Rechtsverletzung vorliegt. Droht ein Eingriff erstmalig, ist diese Gefahr ebenfalls ausreichend, um einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen.
3. Unterlassungspflicht aus Vertrag
Neben den gesetzlichen Grundlagen kann eine Unterlassungspflicht auch vertraglich begründet sein, beispielsweise durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. Dabei verpflichtet sich der Schuldner, eine bestimmte Handlung zukünftig zu unterlassen, um weitere Streitigkeiten oder gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die wichtigsten Punkte hierzu sind:
- Unabhängigkeit von gesetzlichen Ansprüchen: Nach Abgabe der Erklärung ist der Schuldner verpflichtet, die Unterlassung einzuhalten, unabhängig davon, ob die ursprüngliche Rechtslage einen Anspruch hergegeben hätte.
- Strafbewehrung: Zur Sicherstellung der Einhaltung wird häufig eine Vertragsstrafe vereinbart, die bei Zuwiderhandlungen fällig wird.
4. Praktische Beispiele für Unterlassungsansprüche
- Markenrecht: Ein Unternehmen verwendet die Marke eines anderen ohne Genehmigung auf einem Produkt. Der Markeninhaber kann die Nutzung untersagen lassen (§ 14 Abs. 5 MarkenG).
- Urheberrecht: Ein Künstler kann die unerlaubte Nutzung seiner Werke durch Dritte untersagen lassen (§ 97 Abs. 1 UrhG).
- Wettbewerbsrecht: Ein Konkurrent verbreitet irreführende Werbung, die das eigene Geschäft schädigt. Hier kann ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden (§ 8 UWG).
Ein Unterlassungsanspruch ist ein vielseitiges und wirksames Mittel im gewerblichen Rechtsschutz, um die Rechte von Inhabern geistigen Eigentums, Unternehmen oder natürlichen Personen zu schützen. Während die gesetzlichen Grundlagen je nach Rechtsgebiet variieren, weisen alle Unterlassungsansprüche ähnliche Voraussetzungen auf. Die Möglichkeit, diese Ansprüche auch vertraglich zu begründen, bietet eine flexible Lösung, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und künftige Beeinträchtigungen effizient zu unterbinden.
Was bedeutet Unterlassen?
Unterlassen im rechtlichen Kontext bedeutet, eine bestimmte Handlung nicht vorzunehmen, die nach geltendem Recht zu einer Beeinträchtigung oder Rechtsverletzung führen würde. Es ist das Gegenteil von aktivem Tun, wobei das Unterlassen sowohl ein bloßes „Nichtstun“ als auch die Verpflichtung zu aktivem Handeln umfassen kann, um eine Rechtsverletzung oder deren Folgen zu verhindern.
Hierbei unterscheidet man zwischen der bloßen Unterlassung einer Handlung und aktiven Maßnahmen, die notwendig sein können, um den Eintritt eines unerwünschten Erfolgs zu verhindern. Dieser Beitrag beleuchtet die rechtliche Bedeutung des Unterlassens mit praxisrelevanten Beispielen und Urteilen.
1. Grundsatz: Unterlassen als Gegenteil von aktivem Tun
Unterlassen ist gemäß § 194 Abs. 1 BGB das Gegenstück zum aktiven Handeln. Es bedeutet, dass der Anspruchsgegner verpflichtet ist, eine bestimmte Handlung nicht vorzunehmen.
Beispiele für klassische Unterlassungspflichten:
- Urheberrechtliche Verletzung durch die Veröffentlichung eines Fotos
Wer ein fremdes Foto unerlaubt auf seinen Webserver hochgeladen und auf einer Website veröffentlicht hat, ist verpflichtet, diese Handlung künftig zu unterlassen.
Urteil: BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12. - Markenrechtsverletzung durch Kennzeichnung eines Produkts
Wer ein Produkt unter einem geschützten Markenzeichen vertreibt, muss künftig auf die Nutzung des Markennamens verzichten, auch wenn der Vertrieb weiterhin erlaubt ist.
Urteil: BGH, Beschluss vom 29.09.2016, Az. I ZB 34/15. - Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine Beleidigung
Wer eine ehrverletzende Äußerung getätigt hat, darf diese Äußerung nicht erneut veröffentlichen (z. B. in einem Blog, auf Social Media oder per E-Mail).
Urteil: OLG Celle, Beschluss vom 19.08.2022, Az. 5 W 25/22.
2. Unterlassen kann auch aktives Tun erfordern
In vielen Fällen reicht es nicht aus, eine missbilligte Handlung einfach nicht mehr vorzunehmen. Der Anspruchsgegner kann auch verpflichtet sein, aktive Maßnahmen zu ergreifen, um die Wiederholung oder den Fortbestand einer Rechtsverletzung zu verhindern. Diese Verpflichtung ergibt sich daraus, dass der Unterlassungsanspruch auf den Erfolg gerichtet ist, also darauf, eine weitere Beeinträchtigung des Rechts zu verhindern.
Beispiele für aktive Handlungspflichten:
- Entfernung eines Fotos im Urheberrecht
Wenn ein unerlaubt hochgeladenes Foto auf einem Webserver bleibt, besteht die Verletzung fort. Der Anspruchsgegner muss das Foto einschließlich aller Kopien und Ausschnitte löschen.
Urteil: BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12. - Rücknahme markenverletzender Produkte
Wer Produkte unter einer geschützten Marke hergestellt und vertrieben hat, ist verpflichtet, noch nicht verkaufte Waren aus den Verkaufsregalen zu entfernen.
Urteil: BGH, Beschluss vom 29.09.2016, Az. I ZB 34/15. - Löschung einer ehrverletzenden Äußerung
Wer eine persönlichkeitsrechtsverletzende Aussage online veröffentlicht hat, ist nicht nur verpflichtet, diese nicht zu wiederholen, sondern auch bestehende Beiträge zu löschen, z. B. aus einem Blog oder auf Social-Media-Plattformen. Falls Links auf Drittseiten zu diesen Inhalten führen, müssen auch diese Verlinkungen entfernt werden.
Urteil: OLG Celle, Beschluss vom 19.08.2022, Az. 5 W 25/22.
3. Zielsetzung des Unterlassungsanspruchs
Der Unterlassungsanspruch ist auf die Verhinderung zukünftiger Rechtsverletzungen gerichtet. Entscheidend ist dabei, dass der Anspruchsgegner alles in seiner Macht Stehende unternimmt, um den Eintritt eines bestimmten Erfolgs zu verhindern.
Verpflichtungen:
- „Nichtstun“: Der Anspruchsgegner darf eine bestimmte Handlung nicht mehr vornehmen.
- Aktives Tun: Der Anspruchsgegner muss aktiv dafür sorgen, dass kein weiterer Schaden entsteht oder die Rechtsverletzung nicht fortbesteht.
Wichtige Urteile und ihre Relevanz
- BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12
- Verpflichtung zur Entfernung eines urheberrechtlich geschützten Fotos auf einem Webserver.
- Wichtig: Die Verpflichtung umfasst nicht nur die Unterlassung, sondern auch aktive Maßnahmen wie die Löschung des Materials.
- OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 08.02.2012, Az. 4 U 1850/11
- Der Anspruchsgegner hat die freie Wahl der Mittel, um den Erfolgseintritt zu verhindern, sofern diese geeignet sind.
- OLG Celle, Beschluss vom 19.08.2022, Az. 5 W 25/22
- Verpflichtung zur Löschung einer ehrverletzenden Äußerung sowie aller Links, die auf diesen Beitrag verweisen.
- BGH, Beschluss vom 29.09.2016, Az. I ZB 34/15
- Verpflichtung zur Rücknahme markenverletzender Produkte, auch wenn diese noch nicht verkauft wurden.
Unterlassen bedeutet im rechtlichen Sinn nicht nur, eine bestimmte Handlung zu unterlassen, sondern kann auch aktive Maßnahmen erfordern, um Rechtsverletzungen zu verhindern oder fortbestehende Beeinträchtigungen zu beseitigen. Dieser Aspekt ist besonders relevant, wenn der Anspruchsgegner durch sein Verhalten einen fortdauernden Störungszustand geschaffen hat. Die Rechtsprechung zeigt, dass Gerichte häufig Maßnahmen fordern, die über bloßes „Nichtstun“ hinausgehen, um den Erfolg des Unterlassungsanspruchs sicherzustellen.
Wer haftet auf Unterlassung?
Ein Unterlassungsanspruch kann sich gegen verschiedene Personengruppen richten, die in irgendeiner Weise an einer Rechtsverletzung beteiligt sind. Dies umfasst Täter, Teilnehmer, Störer und in speziellen Fällen Rechtsnachfolger. Die genaue Zuordnung hängt davon ab, wie die jeweilige Person oder Organisation zur Verletzung beigetragen hat.
Im Folgenden wird detailliert erklärt, was Täter, Teilnehmer und Störer sind, und wie ihre Haftung ausgestaltet ist.
1. Haftung als Täter
1.1. Wer ist ein Täter?
Ein Täter ist die Person oder Organisation, die die Rechtsverletzung unmittelbar selbst begeht. Die Verletzungshandlung muss dem Täter vollumfänglich zurechenbar sein. Dabei handelt es sich um eine aktive Handlung, die ein geschütztes Recht wie Urheberrecht, Markenrecht oder Persönlichkeitsrecht verletzt.
1.2. Beispiele für Täterhaftung
- Urheberrecht:
Eine Person lädt ein fremdes Foto ohne Zustimmung des Rechteinhabers auf einen Server hoch und veröffentlicht es auf einer Website.
Urteil: BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12 – Der Täter haftet auf Unterlassung und ist verpflichtet, das Foto zu entfernen und die Nutzung zu unterlassen. - Markenrecht:
Ein Unternehmen vertreibt Produkte, die mit einem geschützten Markenzeichen versehen sind, ohne Lizenz oder Erlaubnis des Markeninhabers.
Urteil: BGH, Beschluss vom 29.09.2016, Az. I ZB 34/15 – Der Täter haftet darauf, den Vertrieb solcher Produkte zu unterlassen und noch nicht verkaufte Waren aus dem Verkehr zu ziehen. - Persönlichkeitsrecht:
Eine Person verbreitet beleidigende oder verleumderische Aussagen in einem öffentlichen Medium, wie Social Media oder einem Blog.
Urteil: OLG Celle, Beschluss vom 19.08.2022, Az. 5 W 25/22 – Der Täter muss die Äußerung löschen und darf sie nicht erneut tätigen.
2. Haftung als Teilnehmer
2.1. Wer ist ein Teilnehmer?
Ein Teilnehmer ist eine Person, die die Rechtsverletzung nicht selbst begeht, aber vorsätzlich den Täter bei seiner Handlung unterstützt oder zur Tat anstiftet. Die Handlung des Teilnehmers muss kausal zur Rechtsverletzung beigetragen haben, und seine Unterstützung muss mit dem Wissen erfolgen, dass dadurch eine Verletzung eines geschützten Rechts begangen wird.
- Anstiftung:
Der Teilnehmer fordert oder veranlasst den Täter aktiv zur Begehung der Rechtsverletzung auf. - Beihilfe:
Der Teilnehmer unterstützt den Täter bei der Durchführung der Rechtsverletzung, indem er z. B. Hilfsmittel oder technische Unterstützung bereitstellt.
2.2. Beispiele für Teilnehmerhaftung
- Markenrecht:
Ein Zulieferer stellt einem Hersteller bewusst gefälschte Markenetiketten zur Verfügung, die dieser anschließend auf seine Produkte aufbringt. Der Zulieferer haftet als Teilnehmer. - Urheberrecht:
Ein Webdesigner integriert bewusst geschütztes Bildmaterial in eine Website im Auftrag seines Kunden. Der Webdesigner haftet als Teilnehmer, da er die Verletzung aktiv unterstützt. - Wettbewerbsrecht:
Eine Marketingagentur entwirft absichtlich eine irreführende Werbekampagne, die gegen das Wettbewerbsrecht verstößt. Die Agentur haftet als Teilnehmer.
3. Haftung als Störer
3.1. Wer ist ein Störer?
Ein Störer ist eine Person oder Organisation, die nicht unmittelbar Täter oder Teilnehmer ist, aber durch ihr Verhalten willentlich und kausal zur Rechtsverletzung beiträgt. Entscheidend ist, dass der Störer zumutbare Prüfpflichten verletzt hat, durch die die Verletzung hätte vermieden werden können.
- Prüfpflicht:
Die Haftung des Störers setzt voraus, dass ihm Prüfpflichten obliegen, etwa weil er eine Plattform oder Infrastruktur betreibt, auf der die Rechtsverletzung stattfindet.
3.2. Beispiele für Störerhaftung
- Internetplattformen:
Ein Betreiber einer Verkaufsplattform haftet, wenn er Kenntnis von urheberrechtlich geschützten Produkten erhält, die ohne Erlaubnis angeboten werden, und nicht handelt.
Urteil: BGH, Urteil vom 15.10.2020, Az. I ZR 13/19 („Ortlieb II“) – Der Plattformbetreiber haftet als Störer, wenn er seinen Prüfpflichten nicht nachkommt. - Social Media:
Eine Plattform wie Twitter haftet als Störer, wenn sie von einer beleidigenden Äußerung Kenntnis erlangt, aber die Äußerung nicht entfernt.
Urteil: BGH, Urteil vom 05.02.2015, Az. I ZR 240/12 („Kinderhochstühle im Internet III“). - Webhosting-Anbieter:
Ein Anbieter haftet als Störer, wenn er rechtsverletzende Inhalte auf gehosteten Websites nicht entfernt, obwohl er davon Kenntnis hat.
4. Besondere Fälle: Haftung von Rechtsnachfolgern
4.1. Grundsatz: Keine Haftung für Rechtsnachfolger
Bei gesetzlichen Unterlassungsverpflichtungen gilt, dass die Verpflichtung aufgrund ihrer höchstpersönlichen Natur nicht auf Rechtsnachfolger übergeht.
4.2. Ausnahme: Vertragliche Unterlassungspflichten
Vertragliche Verpflichtungen aus strafbewehrten Unterlassungserklärungen können auf Rechtsnachfolger übergehen. Hier haftet der neue Rechtsträger, z. B. nach einer Unternehmensübernahme.
Urteil: OLG Frankfurt, Urteil vom 28.01.2021, Az. 6 U 181/19 – Vertragliche Unterlassungspflichten sind übertragbar.
4.3. Wettbewerbsverstöße des Vorgängers
Ein neuer Inhaber eines Unternehmens haftet nicht automatisch für Wettbewerbsverstöße des Vorgängers. Voraussetzung für eine Haftung ist eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr durch den neuen Inhaber oder dessen Mitarbeiter.
Urteil: BGH, Urteil vom 06.12.2012, Az. III ZR 173/12.
5. Unterschiede in der Terminologie der Rechtsprechung
Die Begriffe Täter, Teilnehmer und Störer werden in der Rechtsprechung nicht einheitlich verwendet:
- I. Senat (Urheber-, Marken- und Wettbewerbsrecht):
Unterscheidung zwischen Täter/Teilnehmer und Störer.
Urteil: BGH, Urteil vom 05.02.2015, Az. I ZR 240/12. - VI. Senat (Persönlichkeitsrecht):
Bezeichnet jeden Unterlassungsschuldner als „Störer“ und unterscheidet lediglich zwischen unmittelbarem und mittelbarem Störer.
Urteil: BGH, Urteil vom 28.07.2015, Az. VI ZR 340/14.
Die Haftung auf Unterlassung umfasst eine Vielzahl von Beteiligten, die auf unterschiedliche Weise an einer Rechtsverletzung beteiligt sein können. Täter und Teilnehmer sind direkt verantwortlich für die Verletzung, während Störer aufgrund von Prüfpflichten haftbar gemacht werden können. Rechtsnachfolger haften in der Regel nicht für gesetzliche Unterlassungspflichten, außer es handelt sich um vertraglich übertragbare Verpflichtungen. Die Einordnung hängt von der jeweiligen Rechtsgrundlage und dem Verantwortungsbereich des Anspruchsgegners ab.
Was bedeutet „aktives Tun“?
„Aktives Tun“ im Kontext eines Unterlassungsanspruchs beschreibt die Verpflichtung des Schuldners, nicht nur die beanstandete Handlung zukünftig zu unterlassen, sondern auch aktiv Maßnahmen zu ergreifen, um bestehende oder fortdauernde Rechtsverletzungen zu beseitigen oder deren Wiederholung zu verhindern. Es geht also über das bloße „Nichtstun“ hinaus. Diese aktive Handlungspflicht hat sich in der Rechtsprechung als Ergänzung zum Unterlassungsanspruch etabliert, um dessen Ziel – den Schutz des verletzten Rechts – wirksam durchzusetzen.
Im Folgenden wird detailliert erklärt, wie sich das Konzept des „aktiven Tuns“ entwickelt hat, welche rechtlichen Grundlagen existieren, wie es angewendet wird, und welche Beispiele aus der Rechtsprechung besonders prägend sind.
1. Hintergrund und Entwicklung der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung hat sich über die Jahre von einer einzelfallbezogenen Betrachtung hin zu einer allgemeinen Formel für aktive Handlungspflichten entwickelt. Früher wurden bestimmte Fallgruppen für „aktives Tun“ gebildet, wie etwa bei Dauerhandlungen, bei denen der Verletzungszustand nicht nur einmalig, sondern fortlaufend war. Heute umfasst der Begriff des aktiven Tuns eine Vielzahl von Maßnahmen, die über das bloße Unterlassen hinausgehen.
1.1. Frühe Rechtsprechung: Fallgruppen für aktives Tun
Die Rechtsprechung hat bereits früh erkannt, dass es in bestimmten Fällen nicht ausreicht, lediglich eine Handlung zu unterlassen. Stattdessen muss der Schuldner aktiv dazu beitragen, dass die Verletzungshandlung vollständig beseitigt wird.
1.2. Einführung einer allgemeinen Formel
In neueren Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine allgemeine Formel entwickelt, um die Verpflichtung zu aktivem Tun zu präzisieren. Diese Formel lautet:
„Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, umfasst nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands.“
(BGH, Beschluss vom 29.09.2016, Az. I ZB 34/15 – „Rückruf von RESCUE-Produkten“)
Die Formel stellt klar, dass:
- Ein Unterlassungsanspruch regelmäßig aktive Handlungspflichten umfasst.
- Diese Pflichten alle zumutbaren Maßnahmen einschließen, um den Störungszustand zu beenden.
- Auch Maßnahmen verlangt werden können, die ursprünglich nicht Teil der beanstandeten Handlung waren, wenn die Nichtbeseitigung einem fortgesetzten Verstoß gleichkommt.
2. Inhalt und Umfang der Verpflichtung zu aktivem Tun
Die Verpflichtung zu aktivem Tun richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und umfasst Maßnahmen, die erforderlich sind, um den Störungszustand zu beseitigen. Dies schließt insbesondere ein:
- Beseitigung von Verletzungsfolgen: Aktive Maßnahmen zur Rückgängigmachung des entstandenen Zustands.
- Einwirkung auf Dritte: Verpflichtung, auf Dritte hinzuwirken, wenn diese an der Fortsetzung der Verletzung beteiligt sind.
- Prävention: Maßnahmen zur Verhinderung zukünftiger Rechtsverletzungen.
2.1. Voraussetzungen für aktives Tun
Die Rechtsprechung sieht „aktives Tun“ vor, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
- Fortdauernder Störungszustand: Es liegt eine Situation vor, in der die Rechtsverletzung nicht vollständig beseitigt ist.
- Zumutbarkeit der Maßnahmen: Der Schuldner muss nur solche Handlungen vornehmen, die für ihn tatsächlich möglich und verhältnismäßig sind.
- Kausalität: Die Maßnahmen müssen geeignet sein, den Störungszustand effektiv zu beenden.
2.2. Beispiele für aktive Handlungspflichten
- Urheberrecht:
Wer ein geschütztes Foto ohne Genehmigung veröffentlicht hat, ist verpflichtet, das Foto vollständig zu entfernen – einschließlich aller Kopien und Caches in Suchmaschinen.
Urteil: BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12 („Vertragsstrafenklausel“). - Markenrecht:
Ein Hersteller, der markenverletzende Produkte vertreibt, muss nicht nur den Verkauf einstellen, sondern auch Rückrufmaßnahmen einleiten, um noch im Umlauf befindliche Produkte aus dem Verkehr zu ziehen.
Urteil: BGH, Urteil vom 04.05.2017, Az. I ZR 208/15 („Luftentfeuchter“). - Persönlichkeitsrecht:
Wer eine ehrverletzende Äußerung veröffentlicht hat, muss nicht nur die Veröffentlichung unterlassen, sondern auch bei Plattformbetreibern und Suchmaschinen die Entfernung des Beitrags und aller Verweise darauf beantragen.
Urteil: OLG Celle, Beschluss vom 19.08.2022, Az. 5 W 25/22.
3. Einwirkung auf Dritte: Wie weit reicht die Verpflichtung?
Eine häufig diskutierte Frage ist, ob und wie weit der Schuldner verpflichtet ist, auf Dritte einzuwirken, wenn der Störungszustand in deren Verantwortungsbereich fällt. Die Rechtsprechung verlangt in der Regel:
- Bemühungspflicht: Der Schuldner muss alle ihm möglichen und zumutbaren Schritte unternehmen, um Dritte zur Mitwirkung zu bewegen.
- Kein Erfolgserfordernis: Es reicht aus, dass der Schuldner versucht hat, auf den Dritten einzuwirken.
Beispiele für Einwirkungspflichten:
- Suchmaschinen-Caches:
Wer einen rechtswidrigen Beitrag veröffentlicht hat, muss bei Suchmaschinen wie Google oder Bing die Löschung aus dem Cache beantragen.
Urteil: BGH, Beschluss vom 11.10.2017, Az. I ZB 96/16 („Produkte zur Wundversorgung“). - Rückruf von Produkten:
Ein Hersteller von Plagiaten ist verpflichtet, Händler zur Rückgabe der Produkte aufzufordern, selbst wenn er keine rechtlich durchsetzbaren Ansprüche gegen diese Händler hat.
Urteil: BGH, Urteil vom 04.05.2017, Az. I ZR 208/15 („Luftentfeuchter“)
4. Abgrenzung zu Folgenbeseitigungsansprüchen
Die Verpflichtung zu aktivem Tun wird häufig mit dem Folgenbeseitigungsanspruch verwechselt. Während der Unterlassungsanspruch darauf abzielt, zukünftige Rechtsverletzungen zu verhindern, dient der Folgenbeseitigungsanspruch der Rückgängigmachung von Verletzungsfolgen. Beide Ansprüche können jedoch nebeneinander bestehen.
Relevante Unterschiede:
- Unterlassungsanspruch:
Ziel ist die Prävention zukünftiger Verletzungen. Vollstreckung erfolgt nach § 890 ZPO (Ordnungsgeld/Ordnungshaft). - Folgenbeseitigungsanspruch:
Ziel ist die Beseitigung bestehender Rechtsverletzungen. Vollstreckung erfolgt nach §§ 887, 888 ZPO (Ersatzvornahme/Zwangsgeld).
Urteil: BGH, Urteil vom 18.09.2014, Az. I ZR 76/13 („CT-Paradies“).
„Aktives Tun“ bedeutet im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs, dass der Schuldner nicht nur verpflichtet ist, eine bestimmte Handlung zu unterlassen, sondern auch aktiv dazu beizutragen, bestehende Verletzungsfolgen zu beseitigen und künftige Rechtsverletzungen zu verhindern. Diese Verpflichtung ist insbesondere in Fällen fortdauernder Störungen, wie bei Dauerhandlungen oder der Einwirkung auf Dritte, relevant.
Die Rechtsprechung fordert hierbei ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Zumutbarkeit und Effektivität. Besonders prägend sind Entscheidungen des BGH, die die Grenzen und Anforderungen an aktive Handlungspflichten schärfen. Der Schuldner muss in jedem Fall die erforderlichen Anstrengungen dokumentieren, um seiner Verpflichtung nachzukommen und weitere Rechtsverletzungen zu vermeiden.
Sind auch kerngleiche Verletzungshandlungen umfasst?
Ja, vom Unterlassungsanspruch können auch ähnliche Handlungen erfasst werden. Der Umfang des Unterlassungsgebots beschränkt sich nicht ausschließlich auf die konkret verbotene Handlung, sondern kann sich auch auf im Kern gleichartige Abwandlungen erstrecken. Dieser Ansatz basiert auf der sogenannten Kerntheorie des Bundesgerichtshofs (BGH). Ziel ist es, das Verbot so zu gestalten, dass es nicht durch geringfügige Abwandlungen umgangen werden kann, die das charakteristische Verletzungsmerkmal beibehalten.
Im Folgenden wird detailliert erläutert, was die Kerntheorie umfasst, welche Grenzen dabei gelten und welche Beispiele aus der Rechtsprechung besonders prägend sind.
1. Kerntheorie des BGH: Reichweite des Unterlassungsgebots
Der BGH hat die Kerntheorie entwickelt, um sicherzustellen, dass ein Unterlassungsanspruch effektiv ist und nicht durch geringfügige Modifikationen unterlaufen werden kann. Nach dieser Theorie umfasst ein Unterlassungsgebot nicht nur die im Urteil oder der Unterlassungserklärung konkret genannte Verletzungsform, sondern auch Handlungen, die:
„im Kern gleichartig“ sind, d. h., die das charakteristische Merkmal der ursprünglichen Verletzungshandlung beibehalten und somit eine vergleichbare Rechtsverletzung darstellen.
(BGH, Beschluss vom 03.04.2014, Az. I ZB 42/11 – Reichweite des Unterlassungsgebots)
1.1. Was bedeutet „im Kern gleichartig“?
Eine Handlung gilt als im Kern gleichartig, wenn sie:
- Den gleichen rechtlichen oder wirtschaftlichen Eingriff bewirkt wie die ursprüngliche Verletzungsform.
- Die wesentlichen Merkmale der ursprünglichen Verletzungshandlung aufweist.
- Vom ursprünglichen Verbot aus vernünftiger Sicht mit umfasst werden kann.
Beispiel:
Ein Hersteller verwendet ein markenverletzendes Logo. Ändert er das Logo nur geringfügig (z. B. durch eine minimale Änderung der Schriftart oder Farbe), so kann auch die neue Version als kerngleiche Verletzung angesehen werden, wenn das charakteristische Merkmal des Logos beibehalten wurde.
1.2. Grenzen der Kerntheorie
Nicht jede ähnliche Handlung ist automatisch vom Unterlassungsgebot umfasst. Der BGH hat klargestellt, dass eine bloße Ähnlichkeit nicht ausreicht. Es müssen folgende Kriterien erfüllt sein:
- Kerngleichheit: Es darf sich nicht nur um eine entfernte Abwandlung handeln, sondern die Verletzungshandlung muss das gleiche charakteristische Merkmal wie die verbotene Form aufweisen.
- Rechtssicherheit: Die Abgrenzung muss klar und nachvollziehbar sein, um dem Schuldner die Einhaltung des Unterlassungsgebots zu ermöglichen.
Relevantes Urteil:
Im Fall „Augsburger Puppenkiste“ entschied der BGH, dass ähnliche Handlungen nur dann mit umfasst sind, wenn sie im Kern der ursprünglichen Verletzungshandlung gleichen. Andernfalls wäre die Rechtssicherheit gefährdet.
(BGH, Urteil vom 18.12.2008, Az. I ZR 200/06)
2. Beispiele aus der Rechtsprechung
2.1. Markenrecht
- Kerngleiche Verletzung:
Ein Unternehmen, dem die Verwendung einer markenverletzenden Bezeichnung untersagt wurde, darf auch keine geringfügigen Abwandlungen dieser Bezeichnung verwenden, wenn das wesentliche Merkmal der Marke erhalten bleibt.
Urteil: BGH, Beschluss vom 29.09.2016, Az. I ZB 34/15 („RESCUE-Produkte“). - Keine Kerngleichheit:
Wenn die Abwandlung so weit geht, dass sie ein neues, eigenständiges Kennzeichen darstellt, liegt keine Kerngleichheit mehr vor.
Urteil: OLG Hamburg, Urteil vom 09.07.2015, Az. 5 U 138/14.
2.2. Urheberrecht
- Kerngleiche Verletzung:
Wurde die Veröffentlichung eines geschützten Fotos untersagt, umfasst das Verbot auch die Veröffentlichung von Ausschnitten oder nur leicht modifizierten Versionen des Fotos.
Urteil: BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12 („Vertragsstrafenklausel“). - Keine Kerngleichheit:
Eine eigenständige, neue Fotografie, die zwar dieselbe Szene abbildet, aber unabhängig erstellt wurde, wäre keine kerngleiche Verletzung.
2.3. Wettbewerbsrecht
- Kerngleiche Verletzung:
Wurde eine irreführende Werbeaussage untersagt, umfasst das Verbot auch ähnliche Aussagen, die denselben täuschenden Eindruck erwecken.
Urteil: OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.01.2019, Az. 6 U 19/18. - Keine Kerngleichheit:
Eine Werbeaussage, die zwar an die verbotene Aussage erinnert, aber eine klar unterschiedliche Botschaft vermittelt, fällt nicht unter das ursprüngliche Verbot.
3. Praktische Konsequenzen für den Unterlassungsschuldner
Für den Unterlassungsschuldner bedeutet die Kerntheorie, dass er nicht nur die konkret untersagte Handlung unterlassen muss, sondern auch Abwandlungen, die als „kerngleich“ angesehen werden könnten. Dies stellt besondere Anforderungen an die Prüfung und Umsetzung der Unterlassungsverpflichtung.
3.1. Handlungspflichten des Schuldners
- Sorgfaltspflicht: Der Schuldner muss jede neue Handlung daraufhin überprüfen, ob sie im Kern der untersagten Verletzungsform entspricht.
- Beratung durch Experten: Insbesondere bei rechtlich komplexen Sachverhalten ist eine anwaltliche Beratung ratsam, um unbewusste Verstöße gegen das Unterlassungsgebot zu vermeiden.
- Selbstkontrolle: Der Schuldner sollte interne Prozesse implementieren, um sicherzustellen, dass auch kerngleiche Handlungen nicht durchgeführt werden.
3.2. Risiken bei Verstößen
- Vertragsstrafen: Bei einer strafbewehrten Unterlassungserklärung droht die Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe.
- Zwangsvollstreckung: Wird ein Unterlassungstitel gerichtlich erwirkt, kann eine Verletzung des Verbots durch Ordnungsgeld oder Ordnungshaft nach § 890 ZPO geahndet werden.
Der Verbotsumfang eines Unterlassungsanspruchs ist nicht nur auf die konkrete Verletzungsform beschränkt, sondern kann auch kerngleiche Handlungen umfassen, die die wesentlichen Merkmale der ursprünglichen Verletzungshandlung aufweisen. Der BGH hat mit der Kerntheorie eine klare Grundlage geschaffen, um Umgehungsversuchen entgegenzuwirken. Gleichzeitig sorgt die Begrenzung auf kerngleiche Handlungen für die notwendige Rechtssicherheit.
Für den Schuldner ist es entscheidend, jede neue Handlung sorgfältig zu prüfen, um mögliche Verstöße gegen das Unterlassungsgebot zu vermeiden. Die Kerntheorie zeigt, wie flexibel und umfassend Unterlassungsansprüche ausgestaltet sein können, um den Schutz von Rechten effektiv durchzusetzen.
Dokumentation des Tätigwerdens
Wenn ein Schuldner einem Unterlassungsanspruch unterliegt, trägt er die Verantwortung, nachzuweisen, dass er die geforderte Rechtsverletzung im geschuldeten Umfang beseitigt oder ausreichend auf Dritte eingewirkt hat. Dieser sogenannte Entlastungsbeweis ist nicht nur ein zentraler Bestandteil seiner Verpflichtung, sondern auch entscheidend, um etwaige Zwangsvollstreckungen oder Vertragsstrafen zu vermeiden. Um diesen Nachweis zu führen, ist eine sorgfältige und umfassende Dokumentation der getroffenen Maßnahmen unerlässlich.
1. Bedeutung des Entlastungsbeweises
Der Entlastungsbeweis stellt sicher, dass der Schuldner seine Verpflichtung aus einem Unterlassungstitel oder einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nachgekommen ist. Er dient dazu, dem Gläubiger oder einem Gericht nachzuweisen, dass:
- Eigene Maßnahmen zur Beseitigung der Rechtsverletzung ordnungsgemäß durchgeführt wurden.
- Zumutbare Einwirkungen auf Dritte erfolgt sind, um eine Fortsetzung der Rechtsverletzung durch andere zu verhindern.
Relevante Rechtsprechung:
- LG Bonn, Urteil vom 01.06.2016, Az. 1 O 354/15: Der Schuldner muss den Beweis erbringen, dass alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Rechtsverletzung zu beenden.
2. Dokumentation der eigenen Maßnahmen
2.1. Dokumentation eigener Löschungen
Wenn der Schuldner direkt Einfluss auf die Rechtsverletzung hat (z. B. auf seiner Website oder in seinen Social-Media-Kanälen), ist die Dokumentation der Löschung vergleichsweise einfach:
- Screenshots: Nachweis der Entfernung der rechtswidrigen Inhalte. Der Screenshot sollte Datum und Uhrzeit enthalten, um die zeitliche Einhaltung der Verpflichtung nachzuweisen.
Hinweis: Tools wie „atomshot“ (Google Chrome Browser-Erweiterung) können hierfür hilfreich sein. - Datenlogs: Falls vorhanden, können Serverlogs oder andere technische Nachweise herangezogen werden, um die Löschung zu belegen.
- Verlauf der Änderungen: Ein detaillierter Bericht über die vorgenommenen Änderungen (z. B. von einer IT-Abteilung erstellt) kann als zusätzlicher Beleg dienen.
2.2. Praktisches Beispiel
Ein Unternehmen wurde verpflichtet, ein urheberrechtsverletzendes Bild von seiner Website zu entfernen. Der Schuldner kann nachweisen:
- Einen Screenshot der Website vor und nach der Löschung des Bildes.
- Serverprotokolle, die zeigen, dass das Bild tatsächlich entfernt wurde.
3. Dokumentation der Einwirkung auf Dritte
Einwirkungspflichten auf Dritte treten auf, wenn die Rechtsverletzung nicht direkt vom Schuldner beseitigt werden kann, sondern in der Verantwortung eines Dritten liegt (z. B. Plattformbetreiber, Händler, Suchmaschinen). Hier ist die Dokumentation anspruchsvoller.
3.1. Maßnahmen zur Einwirkung auf Dritte
- Schriftliche Aufforderungen:
Der Schuldner muss den Dritten (z. B. Betreiber eines Suchmaschinen-Caches oder Zwischenhändler) auffordern, die rechtsverletzenden Inhalte oder Produkte zu entfernen. - Zugangsnachweis:
Eine schriftliche Bestätigung des Dritten über den Erhalt der Aufforderung und idealerweise über die Umsetzung der Maßnahme ist erforderlich. - Versandnachweise:
Der bloße Versand einer E-Mail reicht nicht aus, da kein Zugangsnachweis erbracht wird. Stattdessen sollten folgende Methoden verwendet werden: - Fax mit Sendebeleg: Der Beleg sollte einen Teil des Schreibens abbilden.
- Einwurfeinschreiben: Liefert den Nachweis, dass das Schreiben zugestellt wurde.
- Bestätigung des Dritten: Eine Antwort per E-Mail, in der der Dritte die Umsetzung bestätigt.
3.2. Herausforderungen
Der Schuldner muss nachweisen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, um auf den Dritten einzuwirken. Es reicht jedoch aus, wenn er glaubhaft macht, dass er entsprechende Maßnahmen ergriffen hat, auch wenn der Dritte nicht kooperiert.
Beispiel:
Ein Unternehmen fordert Google auf, rechtswidrige Inhalte aus dem Cache zu entfernen. Google verweigert die Löschung, da es die Voraussetzungen nicht als gegeben ansieht. Der Schuldner kann nachweisen:
- Das Schreiben an Google mit der Aufforderung zur Löschung.
- Den Versandnachweis des Schreibens.
- Die Antwort von Google (sofern erhalten).
In diesem Fall hat der Schuldner seiner Pflicht Genüge getan, da er alles Zumutbare unternommen hat.
4. Anforderungen an die Auswahl der Maßnahmen
Der Schuldner hat das Recht, aus mehreren möglichen Maßnahmen diejenige auszuwählen, die für ihn am sinnvollsten ist, solange die Maßnahme den Störungszustand effektiv beseitigt. Diese Auswahlfreiheit wird durch den BGH betont:
„Die Rechte des Störers dürfen nicht weitergehend eingeschränkt werden, als der Schutz des Berechtigten erfordert.“ (BGH, Urteil vom 28.07.2015, Az. VI ZR 340/14)
4.1. Konsequenzen einer fehlerhaften Auswahl
Wählt der Schuldner eine Maßnahme, die den Störungszustand nicht vollständig beseitigt, trägt er das Risiko der Zwangsvollstreckung. Dies bedeutet:
- Der Gläubiger kann Vollstreckungsmaßnahmen einleiten, um die Beseitigung zu erzwingen.
- Der Schuldner kann zu Ordnungsgeld oder -haft (§ 890 ZPO) verurteilt werden.
4.2. Beispiel für fehlerhafte Auswahl
Ein Schuldner löscht rechtswidrige Inhalte auf seiner eigenen Website, unternimmt jedoch nichts, um deren Indexierung durch Suchmaschinen zu entfernen. Wenn die Inhalte weiterhin über Suchmaschinen abrufbar sind, gilt der Störungszustand als nicht vollständig beseitigt.
Die Verpflichtung, den Entlastungsbeweis zu führen, erfordert von einem Schuldner sorgfältige und nachvollziehbare Maßnahmen zur Beseitigung der Rechtsverletzung. Eine lückenlose Dokumentation ist dabei entscheidend, um:
- Eigene Maßnahmen zu belegen: Screenshots, Serverprotokolle oder Änderungsberichte.
- Einwirkungen auf Dritte zu dokumentieren: Versandnachweise, Bestätigungen und fortlaufende Kommunikation.
Der Schuldner trägt das Risiko der Zwangsvollstreckung, wenn er diesen Nachweis nicht erbringt oder der Störungszustand nicht vollständig beseitigt wird. Um dies zu vermeiden, ist es ratsam, proaktiv und sorgfältig zu handeln, sowie die Bemühungen umfassend zu dokumentieren.
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Frank Weiß
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