Haftung für irreführende Google-Treffer aus Metadaten – Was Websitebetreiber jetzt wissen müssen

Sie sind winzig, aber mächtig: Metadaten. Wer eine Website betreibt, kennt sie als kurze Textschnipsel für Suchmaschinen – insbesondere den sogenannten „Title-Tag“. Doch was passiert, wenn genau diese unsichtbaren Helfer im Quelltext durch Google verkürzt angezeigt werden – und dadurch ein irreführender Eindruck entsteht?
Das Oberlandesgericht Stuttgart (Beschluss vom 11.08.2023, Az. 2 W 30/23) hat dazu eine klare und folgenreiche Entscheidung gefällt: Wer Metadaten erstellt, trägt auch die Verantwortung für deren irreführende Darstellung in Google-Treffern. Auch wenn Google selbst technisch die Darstellung verändert.
Der Fall: „Psychotherapeutin“ ohne Hinweis auf Heilpraktikergesetz
Im Zentrum der Entscheidung stand eine Frau, die auf ihrer Website als „Systemischer Coach + Psychotherapeutin (HeilprG)“ auftrat. Diese Angabe befand sich im sogenannten „Title-Tag“ – also einem der wichtigsten Metadaten-Bestandteile, den Suchmaschinen auslesen, um ihre Suchergebnisse darzustellen.
Google übernahm diesen Titel – kürzte ihn jedoch. In der Trefferliste erschien nur:
„L.W. | Systemischer Coach + Psychotherapeutin …“
Der Hinweis auf das Heilpraktikergesetz (HeilprG) fiel weg.
Das Problem: Die Berufsbezeichnung „Psychotherapeutin“ ist in Deutschland geschützt. Sie darf nur von approbierten, also staatlich anerkannten Therapeuten verwendet werden. Die Kombination der Begriffe erweckte damit den falschen Eindruck einer ärztlichen oder psychologischen Approbation – obwohl es sich um eine heilpraktische Tätigkeit handelte. Eine klassische Irreführung nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG.
Wer ist verantwortlich? Google oder Websitebetreiber?
Entscheidend war nicht ob das Suchergebnis irreführend war – das war unstreitig – sondern wer die Verantwortung dafür trägt. Schließlich war es Google, das den Titel verkürzt hat.
Das OLG Stuttgart entschied: Nicht Google haftet, sondern die Betreiberin der Website. Denn sie habe durch ihre Metadaten adäquat kausal (also vorhersehbar und relevant im rechtlichen Sinne) zum irreführenden Suchergebnis beigetragen.
Die Argumentation des Gerichts im Detail
Das Gericht stützt sich auf eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 15.04.2021, Az. I ZR 134/20), wonach jeder haftet, der durch eigenes oder mittelbares Verhalten den unlauteren Wettbewerbstatbestand erfüllt.
Die Websitebetreiberin habe mit der gewählten Formulierung im Title-Tag bewusst ein Risiko geschaffen, dass durch Kürzungen – wie sie bei Google üblich sind – eine irreführende Darstellung entstehen kann. Damit sei sie nicht nur passiv betroffen, sondern aktiv verantwortlich.
Wörtlich heißt es in der Entscheidung:
„Sie hätte damit rechnen müssen, dass eine Suchmaschine den anzuzeigenden Treffer aus diesen Metadaten generiert und, allein schon aus Platzgründen bei der Darstellung, nur in abgekürzter Form wiedergibt.“
Die juristischen Kernaussagen:
- Verantwortung für irreführende Darstellung:
Wer Metadaten angibt, haftet auch für deren verkürzte oder irreführende Darstellung durch Dritte wie Google. - Adäquate Kausalität liegt vor:
Der Zusammenhang zwischen der Metadatenwahl und dem irreführenden Suchtreffer ist rechtlich relevant und vorhersehbar. - Abmahnrisiko bei Berufsbezeichnungen:
Besonders riskant ist die Nutzung geschützter Begriffe (z. B. „Psychotherapeut“, „Arzt“, „Fachanwalt“), wenn diese in gekürzter Form zu Missverständnissen führen können.
Was bedeutet das für Websitebetreiber konkret?
✅ 1. Meta-Titel mit Bedacht wählen
Insbesondere bei der Verwendung von Berufsbezeichnungen, rechtlich geschützten Begriffen oder akademischen Graden sollten Betreiber doppelt prüfen, ob auch eine verkürzte Darstellung noch klar und rechtlich unbedenklich ist.
✅ 2. Darstellung regelmäßig prüfen
Wer eine Website betreibt, sollte regelmäßig testen, wie seine Seite bei Google dargestellt wird – auf Desktop wie mobil. Ein falscher Eindruck im Suchergebnis kann rechtlich ebenso problematisch sein wie ein falscher Inhalt auf der Website selbst.
✅ 3. Risikobegriffe meiden oder absichern
Bezeichnungen wie „Therapeut“, „Psychologe“, „Ingenieur“, „Sachverständiger“ etc. sollten mit klarstellenden Hinweisen kombiniert werden – möglichst an den Anfang des Titels, um eine Kürzung unwirksam zu machen.
Kritik und offene Fragen zur Entscheidung
Die Entscheidung des OLG Stuttgart ist praxisnah, aber nicht unumstritten. Kritiker bemängeln, dass Websitebetreiber kaum Einfluss auf die konkrete Darstellung durch Google haben. Schließlich entscheidet der Algorithmus – manchmal auch unabhängig von den angegebenen Metadaten.
Fraglich bleibt daher:
- Haftet man auch, wenn Google ganz eigene Snippets generiert?
- Gilt die Entscheidung auch bei missverständlichen Meta-Descriptions?
- Was ist mit KI-generierten Suchauszügen oder „People Also Ask“-Boxen?
Es bleibt abzuwarten, ob und wie der BGH diese Rechtsfrage weiter konkretisieren wird.
Fazit: Kleine Tags – große Haftung
Die Entscheidung des OLG Stuttgart ist ein Weckruf für alle, die Websites betreiben: Metadaten sind nicht nur SEO-Werkzeug, sondern auch haftungsträchtiger Teil des Außenauftritts. Wer geschützte Begriffe nutzt, muss sicherstellen, dass auch gekürzte Darstellungen in Suchmaschinen keinen falschen Eindruck vermitteln.
Die Verantwortung für irreführende Google-Treffer beginnt nicht bei Google – sondern bei Ihnen.
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