Google-Werbeanzeigen: Versandkosten gehören in die Anzeige
Google ist für viele Shops das Schaufenster zur Welt. Gerade dort, wo mehrere Anzeigen nebeneinander erscheinen und der Preis prominent hervorgehoben wird, fällt die Kaufentscheidung oft in Sekunden. Das Landgericht Bochum (LG Bochum, Urt. v. 25.03.2025 - Az.: 18 O 13/25) hat hierzu eine klare Richtung vorgegeben: Wer in Google-Anzeigen mit einem konkreten Preis wirbt, sollte zusätzlich anfallende Versandkosten bereits in der Anzeige selbst ausweisen. Ein bloßer Hinweis auf der Landingpage überzeugt in einem Umfeld mit Preisvergleichscharakter regelmäßig nicht. Für Händler heißt das: Kampagnen mit Preisangaben gehören rechtlich auf den Prüfstand.
Rechtlicher Rahmen in Kürze
Die Preisangabenverordnung verlangt Preisklarheit und Preiswahrheit. Dazu zählt neben dem Produktpreis der Hinweis auf Liefer- und Versandkosten. Unter dem UWG gilt: Wer wesentliche Informationen vorenthält, handelt unlauter. Im Online-Handel kann ein Versandkostenhinweis grundsätzlich auch auf einer gesonderten Seite erfolgen, sofern er leicht erkennbar und noch vor Einleitung des Bestellvorgangs zugänglich ist. Anders ist es in preisvergleichsnahen Konstellationen. Sobald Werbung den schnellen Preisvergleich ermöglichen soll, erwartet der Verbraucher eine vollständige Preisinformation.
Der Sachverhalt im Detail
Wie die Anzeige aussah und wo das Problem lag
Ein Online-Shop warb am 09.08.2024 über Google für ein konkret bezeichnetes Produkt in der 500-ml-Flasche mit einem Preis von 5,35 EUR. Die Anzeige erschien neben weiteren Anzeigen verschiedener Anbieter in einheitlicher Aufmachung, der Preis war fett hervorgehoben, zusätzlich wurde ein Grundpreis angezeigt. Versandkosten von 3,99 EUR wurden jedoch erst auf der Produktseite des Shops genannt. Dort fand sich lediglich der Hinweis „zzgl. Versand“ unter dem Produktpreis. Der Shop setzte zudem einen Mindestbestellwert von 19,00 EUR fest.
Wer klagte und warum
Geklagt hat ein qualifizierter Wirtschaftsverband, der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche verfolgt. Nach einer Abmahnung vom 13.08.2024 ohne Erfolg wurde Unterlassung beantragt. Im Prozess ging es nicht nur um die Frage, ob ein Versandkostenhinweis erforderlich ist, sondern auch darum, wo er zu stehen hat, wenn eine Anzeige in der Google-Suchergebnisliste erscheint.
Die Einwände des Händlers
Der Händler argumentierte insbesondere, ein zusätzlicher Versandhinweis sei wegen begrenzter Zeichen in der Google-Anzeige nicht darstellbar. Außerdem solle die PAngV es erlauben, Versandinformationen erst auf einer gesonderten Internetseite anzugeben, die vor dem Warenkorb aufgerufen werde. Überdies wurde die Aktivlegitimation des Verbands in Abrede gestellt.
Der Tenor
Das Gericht verurteilte den Händler, es zu unterlassen, unter Preisangabe zu werben, ohne auf zusätzlich anfallende Versandkosten hinzuweisen. Bei Zuwiderhandlung drohen Ordnungsgeld bis 250.000 EUR oder Ordnungshaft. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Entscheidungsgründe – Schritt für Schritt
Aktivlegitimation des klagenden Verbands
Das Gericht bejahte die Prozessführungsbefugnis des Verbands. Maßgeblich ist, dass dem Verband eine erhebliche Zahl von Unternehmen des relevanten Marktes angehört und dass kollektive gewerbliche Interessen wahrgenommen werden. Ein pauschales Bestreiten der Mitgliederliste reichte dem Gericht nicht, zumal die Liste öffentlich einsehbar ist. Für die Praxis bedeutet das: Mit qualifizierten Verbänden ist zu rechnen – formale Einwendungen greifen häufig nicht.
Anwendbarkeit von UWG und PAngV
Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs ist eine Irreführung durch Unterlassen. Der Händler habe dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten, nämlich ob und in welcher Höhe Versandkosten anfallen. Diese Information ist nach der PAngV erforderlich und daher über § 5b UWG wesentlich. In preisbezogener Werbung muss sie leicht erkennbar und der Werbung selbst zugeordnet sein.
Die zentrale Weichenstellung: Preisvergleichsnahes Umfeld
Das Gericht knüpft an die vom Bundesgerichtshof geprägten Grundsätze zur Preissuchmaschinen-Werbung an. Dort gilt: Versandkosten dürfen nicht erst auf der verlinkten Shop-Seite genannt werden, wenn die Darstellung dem Nutzer einen schnellen Preisvergleich ermöglichen soll. Im konkreten Fall stufte das Gericht die Google-Suchergebnisanzeigen als vergleichsnah ein:
Mehrere Anzeigen nebeneinander
Gleiche Größe, Aufteilung, Schrift und Anordnung
Preis in Fettdruck im Vordergrund
Grundpreisangabe vorhanden
Kennzeichnung „gesponsert“ ändert nichts am Vergleichszweck
Aus Verbrauchersicht bedeute das: Es soll schnell verglichen werden. Ohne Versandhinweis ist der Preis unvollständig. Das kann eine Fehlentscheidung auslösen, weil eine Anzeige scheinbar günstiger wirkt, obwohl der Gesamtpreis höher ist. Das Gericht verweist auf den Anlockeffekt: Wer aufgrund der scheinbar niedrigen Anzeige klickt, hat im Kopf bereits eine Vorauswahl getroffen.
Platzmangel zählt nicht
Der Einwand, Google-Anzeigen böten nicht genug Zeichen, sticht nicht. Technische oder gestalterische Grenzen einer Plattform befreien nicht von rechtlichen Anforderungen. Kann eine Plattform den notwendigen Hinweis nicht aufnehmen, sollten entsprechende Preis-Anzeigen dort nicht geschaltet werden. Für die Praxis heißt das: Format passend wählen oder Preisangaben ohne Versandhinweis vermeiden.
Spürbarkeit, Wiederholungsgefahr und Kostenfolge
Die Anzeige war geeignet, Mitbewerber und Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen, weil der Preis ohne Versand attraktiver wirkt und Nutzer dadurch preferenziell diese Anzeige anklicken. Eine Wiederholungsgefahr wird ab dem Erstverstoß vermutet. Die Kostenentscheidung folgt dem Obsiegen des Klägers.
Einordnung und Wirkung für die Praxis
Was Anzeigen mit Preisangabe jetzt leisten sollten
Preis plus Versand gehört in die Anzeige, wenn sie vergleichsnah gestaltet ist. Das gilt insbesondere bei Suchanzeigen, die nebeneinander erscheinen, Preis und Grundpreis hervorheben und damit eine vergleichsähnliche Situation schaffen. Versand „3,99 EUR“, „zzgl. Versand“ mit klarer Betragsangabe oder „versandkostenfrei“ sind kurze, rechtssichere Wege.
Wenn Versandkosten variieren
Sind Versandkosten variabel, sollte mindestens ein klarer Mechanismus sichtbar werden. Ein „ab“-Hinweis kann funktionieren, sofern er realistisch ist und nicht den Gesamteindruck verzerrt. Entscheidend bleibt, dass der Nutzer in der Anzeige verstehen kann, dass weitere Kosten anfallen und in welcher Größenordnung.
Grundpreise als Verstärker des Vergleichs
Wo Grundpreise schon in der Anzeige stehen, ist der Vergleichscharakter besonders ausgeprägt. Dann fällt das Fehlen eines Versandhinweises noch stärker ins Gewicht. Wer Grundpreise nennt, sollte Versand nicht nach hinten verlagern.
Häufige Irrtümer und wie Sie sie vermeiden
„Der Hinweis steht doch auf der Produktseite“
Das genügt in vergleichsnahen Anzeigen in der Regel nicht. Der Hinweis muss in die Anzeige. Erst nach dem Klick ist zu spät, weil die Vorauswahl bereits beeinflusst ist.
„Google lässt das Feld nicht zu“
Wenn ein Format objektiv keinen Platz für einen rechtmäßigen Versandhinweis lässt, ist das Format für Preiswerbung ungeeignet. Alternativ bieten sich Formate ohne konkrete Preisangabe an, bis eine saubere Einbindung möglich ist.
„Ein Sternchen löst das Problem“
Sternchen können unterstützen, aber ersetzen keinen klaren Versandkostenhinweis in einem Preisvergleichsumfeld. Ohne verständliche Kurzinfo verliert das Sternchen seine Wirkung.
Konkrete Umsetzungstipps für Ihre Google-Ads
Kampagnen- und Feed-Setup
Versand im Merchant Center pflegen: Hinterlegen Sie präzise Versandregeln, damit Google Versandinformationen automatisiert ausspielen kann.
Anzeigenbausteine nutzen: Platzieren Sie kurze Zusätze wie „zzgl. Versand 3,99 EUR“ oder „versandkostenfrei“ in Beschreibung oder Pfad.
Variabilität sauber kommunizieren: Bei Staffelungen hilft eine ehrliche Untergrenze wie „zzgl. Versand ab 3,99 EUR“, flankiert von klarem Erwartungsmanagement im Text.
Gestaltung und Tests
Deutlichkeit schlägt Eleganz: Der Versandhinweis sollte lesbar, verständlich und in unmittelbarer Nähe zur Preisangabe platziert sein.
A/B-Tests: Testen Sie Varianten von „zzgl. Versand 3,99 EUR“ gegen „versandkostenfrei“-Aktionen, um Rechtskonformität und Performance zu verbinden.
Grundpreis synchronisieren: Wer Grundpreise ausspielt, sollte konsequent auch den Versand abbilden.
Fazit
In Google-Werbeanzeigen mit Preisvergleichscharakter gehören Versandkosten in die Anzeige. Ein bloßer Hinweis erst auf der Produktseite überzeugt dort meist nicht. Wer kurz, klar und sichtbar kommuniziert, sorgt für Preisklarheit, wahrt Wettbewerbsfairness und senkt Abmahnrisiken. Für Shops ist jetzt der richtige Zeitpunkt, Kampagnenformate, Feeds und Anzeigenbausteine zu prüfen.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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