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Ghostwriter hat Anspruch auf Namensnennung

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Ghostwriting ist in vielen Bereichen weit verbreitet: Politiker, Prominente, Wissenschaftler oder auch Unternehmer greifen auf professionelle Schreiber zur Umsetzung ihrer Buchprojekte zurück.

Dabei wird oft angenommen, dass Ghostwriter generell auf eine Nennung verzichten und ihre Arbeit im Verborgenen leisten. Doch ein aktuelles Urteil des Landgerichts Köln (Urt. v. 13.07.2023, Az.: 14 O 237/22) stellt klar: Auch Ghostwriter haben grundsätzlich ein Recht auf Namensnennung. Ein Verzicht auf dieses Recht muss eindeutig vereinbart sein. Andernfalls liegt eine Urheberrechtsverletzung vor – mit erheblichen finanziellen Folgen für den Auftraggeber.

 

 

Der konkrete Fall vor dem LG Köln

Die Parteien

Die Klägerin war eine professionelle Ghostwriterin. Der Beklagte ist ein approbierter Psychotherapeut, der ein Buch über seine berufsbezogenen Erfahrungen veröffentlichen wollte. Die Parteien einigten sich auf eine Zusammenarbeit, bei der die Klägerin den inhaltlichen Hauptteil des Buches verfassen sollte.

Der Vertrag

Ein schriftlicher Vertrag existierte nicht. Der Ghostwriter-Vertrag wurde mündlich geschlossen. Die Klägerin erhielt ein Honorar von ca. 12.000 Euro für ihre Leistungen. Sie trug vor, es sei vereinbart worden, dass sie im Impressum mit der Formulierung "Redaktionelle Beratung XY" sowie in der Danksagung genannt werde.

Der Beklagte hingegen behauptete, es sei übliche Praxis im Ghostwriting, dass die Ghostwriterin ausdrücklich auf eine Nennung verzichte. Eine solche Vereinbarung will er konkludent angenommen haben. Ein ausdrücklicher Verzicht wurde von keiner Seite schriftlich dokumentiert.

Die Buchveröffentlichung

Das Buch erschien schließlich ohne jegliche Nennung der Klägerin – weder im Impressum noch in der Danksagung.

Die Klägerin fühlte sich dadurch in ihrem Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt und klagte auf Schadensersatz wegen unterlassener Urheberbenennung gemäß § 13 Satz 2 UrhG.

Die Entscheidung des LG Köln

Das Landgericht Köln gab der Klage in vollem Umfang statt. Es stellte fest, dass dem Ghostwriter ein Recht auf Namensnennung zusteht und dass dessen Verletzung eine Urheberrechtsverletzung darstellt.

Kernaussage: Recht auf Urheberbenennung gilt auch für Ghostwriter

Nach Auffassung des Gerichts steht auch Ghostwritern grundsätzlich das Recht auf Namensnennung zu, sofern keine eindeutige gegenteilige Vereinbarung getroffen wurde.

"Nach diesen Grundsätzen besteht vorliegend jedenfalls kein Hinweis auf einen schuldrechtlich zumindest zeitweise wirksamen Verzicht der Klägerin auf ihr Benennungsrecht aus § 13 S. 2 UrhG in der geforderten Art und Weise. Denn unstreitig besteht keine schriftliche Vereinbarung hierüber zwischen den Parteien."

Die Beklagtenseite konnte nicht nachweisen, dass es eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung über einen Verzicht auf das Namensnennungsrecht gab.

Branchenüblichkeit reicht nicht aus

Ein wesentlicher Punkt war die Frage, ob im Bereich des Ghostwritings eine übliche Praxis besteht, die einen stillschweigenden Verzicht auf die Urheberbenennung nahelegen würde. Das LG Köln verneinte dies:

"Allgemeine Branchenüblichkeiten, die das Recht zur Urheberbenennung einschränken könnten, sind vorliegend für den Bereich der Ghostwriter-Vereinbarungen nicht erkennbar und vor allem nicht durch den insoweit darlegungsbelasteten Beklagten vorgetragen."

Das Argument des Beklagten, Ghostwriter würden im Regelfall nicht genannt werden, war damit nicht tragfähig. Selbst wenn es in anderen Bereichen wie politischen Reden oder akademischen Arbeiten anders sein mag, gibt es für literarische Ghostwriting-Tätigkeit keine einheitliche Verkehrsübung.

Kein konkludenter Verzicht

Auch ein konkludenter Verzicht konnte aus Sicht des Gerichts nicht angenommen werden. Allein der Umstand, dass der Name der Klägerin nicht im fertigen Buch auftauchte, begründet keinen Rückschluss auf eine konkludente Verzichtserklärung.

Urheberrechtliche Wertung: § 13 UrhG

Gemäß § 13 UrhG hat der Urheber das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Dies schließt das Recht ein, als Urheber genannt zu werden, sofern dies "üblich" ist. Ein Verzicht ist möglich, aber vertraglich eindeutig zu regeln.

Das Gericht stützte sich zudem auf die Zweckübertragungslehre (§ 31 Abs. 5 UrhG): Im Zweifel werden nur die Rechte übertragen, die zur Vertragserfüllung unbedingt erforderlich sind. Daraus folgt: Wenn eine Nennung nicht explizit ausgeschlossen wird, bleibt das Benennungsrecht bestehen.

Schadensersatz und Berechnung der Lizenzanalogie

Das Gericht sprach der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 12.000 Euro zu. Bemerkenswert ist hierbei die angewandte Berechnungsmethode:

"Wegen der fehlenden Urheberbenennung ist regelmäßig ein Zuschlag von 100 % auf die Lizenzgebühr anzusetzen."

Die Richter wandten die Methode der fiktiven Lizenzanalogie an: Wäre der Verzicht auf Namensnennung lizenziert worden, hätte dies einen Verdopplungseffekt auf das Honorar gehabt.

Diese Praxis ist nach Ansicht des LG Köln gerichtlich etabliert: Der wirtschaftliche Wert der Nennung wird nicht vernachlässigt, sondern ist ein zusätzlich vergütungspflichtiger Bestandteil des Werkvertrags.

Bedeutung für die Praxis

1. Kein Automatismus der Anonymität

Ghostwriting heißt nicht automatisch: Kein Name, kein Recht. Das Urteil zeigt: Das Urheberrecht besteht auch im Hintergrund weiter.

2. Schriftliche Verträge sind unerlässlich

Das Urteil verdeutlicht, wie wichtig klare, schriftliche Vereinbarungen über alle wesentlichen Punkte der Zusammenarbeit sind, insbesondere zur Namensnennung.

3. Beweislast liegt beim Auftraggeber

Wer sich auf "Branchenüblichkeit" oder konkludente Verzichtserklärungen berufen will, muss diese auch belegen können.

4. Fehlende Nennung kann teuer werden

Die pauschale Verdopplung der Lizenz zeigt: Ein vermeintlicher "Kompromiss im Impressum" hätte den Beklagten viel Geld sparen können.

Fazit

Das Urteil des LG Köln ist ein Meilenstein im Bereich Urheberrecht und Ghostwriting. Es stellt klar: Auch im Schatten stehende Kreative haben ein Recht auf Anerkennung. Wer Ghostwriter beauftragt, sollte sich bewusst sein: Ohne klare vertragliche Regelung bleibt das Urheberpersönlichkeitsrecht bestehen – und dessen Verletzung ist kein Kavaliersdelikt, sondern kann teuer werden.

Das Urteil fördert die Rechtsklarheit und sorgt für mehr Fairness im Umgang mit Ghostwritern – eine Entscheidung mit Signalwirkung für die gesamte Kreativbranche.

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