Geografische Herkunftsangaben im Markenrecht
Wo ein Produkt herkommt, ist längst mehr als nur eine Information – es ist ein Verkaufsargument. Ob „Italienischer Espresso“, „Schwarzwälder Schinken“ oder „Parmesan“: Geografische Herkunftsangaben vermitteln Qualität, Tradition und Vertrauen. Sie schaffen Identität und wecken beim Verbraucher bestimmte Erwartungen an Geschmack, Verarbeitung oder Produktionsbedingungen. Für viele Unternehmen sind diese Angaben daher ein zentraler Bestandteil ihrer Markenstrategie.
Gleichzeitig sind geografische Begriffe rechtlich besonders sensibel. Sie dürfen nicht einfach als Marke geschützt werden, nur weil sie gut klingen oder werbewirksam sind. Denn solche Bezeichnungen unterliegen klaren Regeln, um Verbraucher nicht zu täuschen und Wettbewerber nicht unrechtmäßig auszuschließen.
In einer Zeit, in der Regionalität, Nachhaltigkeit und Authentizität im Trend liegen, gewinnen geografische Herkunftsangaben weiter an Bedeutung – auch und gerade im Markenrecht. Immer mehr Unternehmen möchten ihre Produkte mit regionalen Herkunftshinweisen bewerben oder gar schützen lassen. Dabei stellt sich die Frage: Was ist erlaubt – und was nicht?
In diesem Beitrag erhalten Sie einen leicht verständlichen, fundierten Überblick darüber, was geografische Herkunftsangaben im Markenrecht bedeuten, welche rechtlichen Grenzen bestehen und worauf Sie als Unternehmer, Werbeverantwortlicher oder Markenentwickler achten sollten. Anhand von Beispielen, Praxisfällen und aktuellen Gerichtsentscheidungen zeigen wir, wie Sie Chancen nutzen und rechtliche Risiken vermeiden.
Grundlagen: Was sind geografische Herkunftsangaben überhaupt?
Rechtsgrundlagen im Überblick
Eintragung von Marken mit geografischen Angaben – was ist erlaubt?
Ausnahmen: Verkehrsdurchsetzung und Freihaltungsbedürfnis
Irreführende geografische Herkunftsangaben – Was ist unzulässig?
Geografische Herkunftsangaben im Kontext des EU-Schutzsystems
Aktuelle Entwicklungen
Praxis-Tipps für Unternehmen und Markenentwickler
Fazit: Chancen nutzen, Risiken vermeiden
Grundlagen: Was sind geografische Herkunftsangaben überhaupt?
Geografische Herkunftsangaben sind Bezeichnungen, die den Ursprung eines Produkts oder einer Dienstleistung in einer bestimmten Region kennzeichnen. Sie sagen dem Verbraucher, woher etwas stammt – und oft auch, was er davon erwarten kann. So verbinden viele Menschen mit dem Begriff „Champagner“ nicht einfach irgendeinen Schaumwein, sondern ein hochwertiges Produkt aus einer ganz bestimmten Region in Frankreich, das nach traditionellen Verfahren hergestellt wurde.
Abgrenzung zu anderen Herkunftsbezeichnungen
Wichtig ist: Nicht jede Herkunftsangabe ist automatisch eine geografische Herkunftsangabe im rechtlichen Sinn. Man unterscheidet hier vor allem zwischen:
- Geografischen Herkunftsangaben im Markenrecht, etwa bei der Anmeldung einer Wortmarke wie „Bayerisches Bier“.
- Geschützten geografischen Angaben (g.g.A.) und geschützten Ursprungsbezeichnungen (g.U.) nach dem EU-Agrarrecht, wie „Allgäuer Emmentaler“ oder „Prosciutto di Parma“.
- Nicht-geografischen Herkunftsbezeichnungen, etwa wenn ein Unternehmen angibt, dass ein Produkt „aus deutscher Herstellung“ stammt – ohne konkreten regionalen Bezug.
Je nach Kontext gelten unterschiedliche Regelungen, insbesondere bei der Frage, ob und wie solche Bezeichnungen geschützt oder verwendet werden dürfen.
Beispiele aus der Praxis
Einige typische und bekannte Beispiele geografischer Herkunftsangaben sind:
- „Schwarzwälder Schinken“ – ein Schinken, der aus dem Schwarzwald stammt und dort nach bestimmten Regeln verarbeitet wird.
- „Parmesan“ – ein Begriff, der heute europaweit als geschützte Bezeichnung für „Parmigiano Reggiano“ gilt und nicht beliebig genutzt werden darf.
- „Champagner“ – darf ausschließlich für Schaumwein aus der französischen Champagne verwendet werden, der dort nach genau definierten Verfahren hergestellt wurde.
Die Bedeutung solcher Begriffe geht also weit über eine bloße Herkunftsinformation hinaus – sie sind ein starkes Qualitäts- und Herkunftssignal für den Markt.
Beschreibende Angabe oder schutzfähige Marke?
Im Markenrecht ist die Unterscheidung zwischen beschreibender Angabe und schutzfähiger Marke entscheidend. Eine rein beschreibende Angabe – also zum Beispiel „Berliner Brot“ für ein Brot aus Berlin – darf in der Regel nicht als Marke eingetragen werden. Der Grund: Solche Begriffe sollen auch von anderen Marktteilnehmern verwendet werden dürfen, wenn ihre Produkte tatsächlich aus der betreffenden Region stammen.
Nur wenn ein Begriff über seine bloße Beschreibung hinaus eine markenmäßige Unterscheidungskraft besitzt – etwa weil ihn die Verbraucher mit einem bestimmten Anbieter verbinden – kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Markenschutz möglich sein. In solchen Fällen spricht man dann von einer sogenannten Verkehrsdurchsetzung, die eine Schutzfähigkeit trotz beschreibender Herkunftsangabe rechtfertigen kann. Mehr dazu erfahren Sie im späteren Abschnitt zu Ausnahmen.
Rechtsgrundlagen im Überblick
Wer geografische Herkunftsangaben im geschäftlichen Verkehr verwendet oder sogar als Marke eintragen lassen will, muss sich mit einer Vielzahl rechtlicher Vorschriften auseinandersetzen. Sowohl das deutsche als auch das europäische Marken- und Wettbewerbsrecht setzen hier klare Grenzen. Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten Normen und Systeme.
1. § 8 MarkenG – Absolute Schutzhindernisse
§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist für geografische Herkunftsangaben von zentraler Bedeutung. Danach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Es spielt dabei keine Rolle, ob sich der Begriff auf einen aktuellen oder nur möglichen Herkunftsort bezieht – entscheidend ist die objektive Eignung zur Beschreibung.
Darüber hinaus nennt § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ein sogenanntes Freihaltungsbedürfnis: Zeichen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder im redlichen und ständigen Geschäftsverkehr zur Bezeichnung von Eigenschaften – also auch der Herkunft – üblich geworden sind, dürfen nicht monopolisiert werden. Schließlich sollen auch Wettbewerber solche Angaben frei verwenden können, sofern sie zutreffen.
2. § 126 MarkenG – Schutz geografischer Herkunftsangaben
§ 126 MarkenG enthält spezifische Vorschriften zum Schutz geografischer Herkunftsangaben, insbesondere zur Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen bei unrechtmäßiger Verwendung. Er verweist auf EU-Vorgaben und dient als Schnittstelle zum Schutzsystem für Agrar- und Lebensmittelprodukte auf europäischer Ebene. Unternehmen können sich auf diese Norm berufen, um gegen unzulässige Nutzung durch Dritte vorzugehen.
3. Unionsrecht: Art. 7 Abs. 1 lit. c UMV
Wer eine Unionsmarke (also eine EU-weite Marke) anmelden möchte, muss die Unionsmarkenverordnung (UMV) beachten. Nach Art. 7 Abs. 1 lit. c UMV sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie ausschließlich aus Zeichen bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Herkunft dienen können – ganz ähnlich wie in § 8 MarkenG.
Auch hier gilt das Freihaltungsbedürfnis auf gesamteuropäischer Ebene. Begriffe wie „Tiroler“, „Bordeaux“ oder „Parma“ dürfen nicht ohne Weiteres als Unionsmarke geschützt werden, da sie entweder beschreibend oder bereits durch das Agrarrecht besonders geschützt sind.
4. Geografische Angaben im EU-Agrarrecht: g.g.A. und g.U.
Die EU kennt zwei besondere Formen des Herkunftsschutzes für Agrar- und Lebensmittelprodukte:
- g.g.A. – geschützte geografische Angabe: Hier genügt es, wenn ein Teil der Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung in der genannten Region erfolgt (z. B. „Allgäuer Emmentaler“).
- g.U. – geschützte Ursprungsbezeichnung: Die Anforderungen sind höher – alle Produktionsschritte müssen in der Region erfolgen, z. B. bei „Roquefort“ oder „Prosciutto di Parma“.
Solche Bezeichnungen genießen EU-weit Schutz, unabhängig davon, ob sie auch als Marke eingetragen sind. Dieser Schutz ist umfassend und betrifft sowohl Nachahmungen als auch irreführende Bezeichnungen („Feta-Art“).
5. Verhältnis zum Wettbewerbsrecht: Irreführungsschutz
Neben dem Markenrecht spielt auch das Lauterkeitsrecht (UWG) eine wichtige Rolle. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG handelt unlauter, wer über die geografische Herkunft eines Produkts irreführend informiert. Wird also z. B. ein Produkt als „Bayerisches Bier“ beworben, obwohl es aus Nordrhein-Westfalen stammt, liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung vor – mit potenziellen Folgen wie Abmahnungen oder Unterlassungsklagen.
Das Wettbewerbsrecht ergänzt somit das Markenrecht und schützt insbesondere Verbraucher vor Täuschung.
Eintragung von Marken mit geografischen Angaben – was ist erlaubt?
Die Eintragung einer Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) oder beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) ist grundsätzlich möglich – allerdings nicht um jeden Preis. Sobald eine Marke geografische Angaben enthält, sind die Hürden deutlich höher. Denn das Markenrecht schützt nicht nur den Markeninhaber, sondern auch das Interesse der Allgemeinheit an der freien Verwendung beschreibender Begriffe.
Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 MarkenG
Das deutsche Markenrecht kennt sogenannte absolute Schutzhindernisse, die in § 8 Abs. 2 MarkenG geregelt sind. Besonders relevant für geografische Angaben sind folgende Punkte:
- § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG: Marken dürfen nicht eingetragen werden, wenn sie lediglich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die zur Bezeichnung der geografischen Herkunft dienen können.
- § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG: Es besteht ein Freihaltungsbedürfnis, wenn der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch zur Beschreibung der Herkunft üblich ist.
Ziel dieser Regelungen ist es, sicherzustellen, dass solche Begriffe von allen Marktteilnehmern frei verwendet werden dürfen, sofern sie wahrheitsgemäß sind. Eine Monopolisierung geografischer Herkunftsangaben durch einzelne Unternehmen soll damit verhindert werden.
Wann geografische Begriffe nicht als Marke eingetragen werden können
Eine Eintragung ist regelmäßig ausgeschlossen, wenn:
- der geografische Begriff eine tatsächlich existierende Region, Stadt oder Landschaft beschreibt,
- der Begriff für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibend ist,
- und/oder wenn ein objektives Interesse der Allgemeinheit an der freien Verwendbarkeit besteht.
Beispiel: Ein Hersteller möchte den Begriff „Kölner Kaffee“ für seine Kaffeebohnen schützen lassen. Die Eintragung wird scheitern, wenn der Begriff lediglich darauf hinweist, dass der Kaffee in Köln geröstet wurde. Andere Anbieter, die ebenfalls in Köln rösten, sollen diesen Begriff schließlich auch verwenden dürfen.
Eine Marke mit geografischem Bezug kann dagegen ausnahmsweise schutzfähig sein, wenn:
- der Begriff keinen aktuellen oder erwartbaren Bezug zu einer Ware aufweist (etwa ein erfundener Ortsname),
- er fremdsprachlich und im Inland nicht geläufig ist (je nach Zielgruppe),
- oder wenn er durch Verkehrsdurchsetzung (siehe nächster Abschnitt) zur Marke geworden ist.
Ausnahmen: Verkehrsdurchsetzung und Freihaltungsbedürfnis
Grundsätzlich gilt: Geografische Angaben sind als Marke nicht eintragungsfähig, wenn sie lediglich beschreibend sind. Doch es gibt Ausnahmen, insbesondere wenn sich ein Begriff im Laufe der Zeit bei den Verbrauchern so sehr mit einem bestimmten Anbieter verknüpft hat, dass er nicht mehr nur als Herkunftsangabe, sondern als Marke wahrgenommen wird. In solchen Fällen spricht man von einer Verkehrsdurchsetzung.
Was bedeutet Verkehrsdurchsetzung?
Der Begriff Verkehrsdurchsetzung (§ 8 Abs. 3 MarkenG) beschreibt einen Sonderfall im Markenrecht: Eine ursprünglich nicht eintragungsfähige Marke kann doch Schutz genießen, wenn nachgewiesen wird, dass mindestens 50 % der angesprochenen Verkehrskreise (z. B. Verbraucher oder Fachpublikum) den Begriff nicht mehr nur als beschreibend, sondern als Hinweis auf die betriebliche Herkunft verstehen – also mit einem bestimmten Unternehmen verbinden.
Beispiel: Angenommen, ein Unternehmen vertreibt seit vielen Jahren erfolgreich Backwaren unter dem Namen „Berliner Kruste“ – obwohl der Begriff ursprünglich nur eine beschreibende regionale Bezeichnung ist. Wenn nachweislich ein Großteil der Verbraucher mit diesem Begriff dieses konkrete Unternehmen verbindet, kann die Marke trotz beschreibenden Charakters eingetragen werden.
Welche Anforderungen müssen erfüllt sein?
Die Hürden für die Anerkennung einer Verkehrsdurchsetzung sind hoch. Folgende Voraussetzungen müssen in der Regel erfüllt sein:
- Langjährige und umfangreiche Benutzung des Zeichens im geschäftlichen Verkehr
- Intensive Werbemaßnahmen mit genau diesem Begriff
- Marktforschungsgutachten oder Verbraucherumfragen, die die Bekanntheit und Zuordnung belegen
- Ggf. Verkaufszahlen, Presseberichte oder Auszeichnungen, die auf die Marktpräsenz hinweisen
Der Nachweis ist aufwendig und kostenintensiv – und muss überzeugend darlegen, dass die angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen als Marke verstehen und nicht nur als Herkunftshinweis.
Das Freihaltungsbedürfnis bei regionalen Begriffen
Unabhängig von der Frage der Verkehrsdurchsetzung bleibt häufig das sogenannte Freihaltungsbedürfnis ein Eintragungshindernis. Dieses ergibt sich aus § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 MarkenG und besagt: Bezeichnungen, die für Mitbewerber zur Beschreibung ihrer Produkte erforderlich sind, dürfen nicht monopolisiert werden.
Gerade bei regionalen Begriffen ist das besonders wichtig. Kein Unternehmen darf sich etwa Begriffe wie:
- „Allgäuer Milch“
- „Fränkischer Spargel“
- oder „Thüringer Wurst“
exklusiv als Marke sichern, wenn diese Bezeichnungen objektiv von anderen Unternehmen aus der jeweiligen Region ebenfalls verwendet werden können – und auch verwendet werden dürfen.
Auch bei Verkehrsdurchsetzung gilt: Das Freihaltungsbedürfnis kann ein „K.o.-Kriterium“ sein. Das heißt: Selbst wenn ein großer Teil der Verbraucher einen Begriff mit einem Unternehmen verbindet, kann die Eintragung verweigert werden, wenn die Bezeichnung weiterhin von Mitbewerbern sachlich benötigt wird.
Irreführende geografische Herkunftsangaben – Was ist unzulässig?
Geografische Herkunftsangaben genießen im Marken- und Wettbewerbsrecht nicht nur Schutz, sie sind auch an klare Bedingungen geknüpft. Denn sie wecken beim Verbraucher bestimmte Erwartungen: über die Region, die Qualität, die Herstellung. Wer mit solchen Begriffen wirbt, ohne die entsprechenden Voraussetzungen zu erfüllen, handelt unter Umständen irreführend – und damit rechtswidrig.
Wann ist eine geografische Angabe irreführend?
Eine Herkunftsangabe ist dann irreführend, wenn sie den Anschein erweckt, ein Produkt stamme aus einer bestimmten geografischen Region, obwohl das tatsächlich nicht oder nicht vollständig der Fall ist. Es kommt also auf die Verbrauchererwartung an: Verbindet der Durchschnittskunde mit der Angabe eine konkrete geografische Herkunft – und wird diese Erwartung enttäuscht –, liegt eine Irreführung vor.
Wichtig: Eine Angabe kann auch dann irreführend sein, wenn das Produkt lediglich in einer anderen Region verarbeitet wurde oder nur teilweise aus der beworbenen Gegend stammt.
Fallbeispiel: „Allgäuer Käse“, der gar nicht aus dem Allgäu kommt
Ein Unternehmen vertreibt Käse unter dem Namen „Allgäuer Landkäse“. Auf der Verpackung finden sich Bilder von Almwiesen, Kühen und Bergen. Tatsächlich wird der Käse jedoch in Niedersachsen produziert, die Milch stammt ebenfalls nicht aus dem Allgäu.
In diesem Fall liegt eine klare Irreführung über die geografische Herkunft vor. Die Bezeichnung „Allgäuer“ suggeriert eine Herstellung in der gleichnamigen Region – mit entsprechenden Qualitätsvorstellungen und Traditionen. Wird diese Erwartung nicht erfüllt, verstößt die Werbung gegen § 5 Abs. 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb).
Ähnlich problematisch wären Begriffe wie:
- „Bayrischer Bergkaffee“ – wenn der Kaffee aus Südamerika stammt und lediglich in Bayern abgepackt wird
- „Nordsee-Garnelen“ – wenn es sich in Wahrheit um Tiefkühlware aus Fernost handelt
- „Pariser Parfüm“ – obwohl die Herstellung in Osteuropa erfolgt
Konsequenzen für Unternehmen: Abmahnungen, Unterlassung, Schadensersatz
Wer irreführende Herkunftsangaben verwendet, muss mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Besonders häufig sind:
- Abmahnungen durch Wettbewerber, Verbraucherverbände oder Wettbewerbsvereine
- Unterlassungsklagen vor Zivilgerichten
- Verpflichtung zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen oder Richtigstellungen
- Schadensersatzforderungen, insbesondere wenn der Mitbewerber nachweisen kann, durch die Irreführung wirtschaftliche Einbußen erlitten zu haben
In gravierenden Fällen – etwa bei systematischer Irreführung – drohen zusätzlich aufsichtsrechtliche Maßnahmen oder negative Medienberichterstattung, was den Reputationsschaden noch verstärkt.
Unternehmen sollten daher große Sorgfalt walten lassen, wenn sie mit geografischen Angaben werben. Bereits der Eindruck einer falschen Herkunft kann ausreichen, um eine wettbewerbsrechtliche Irreführung zu begründen.
Geografische Herkunftsangaben im Kontext des EU-Schutzsystems
Neben dem klassischen Markenrecht existiert auf europäischer Ebene ein eigenes Schutzsystem für geografische Herkunftsangaben – insbesondere bei Agrarprodukten und Lebensmitteln. Dieses System ergänzt das Markenrecht und verfolgt das Ziel, bestimmte regionale Spezialitäten europaweit vor Nachahmung und Missbrauch zu schützen. Die bekanntesten Formen sind die g.g.A. (geschützte geografische Angabe) und die g.U. (geschützte Ursprungsbezeichnung).
g.g.A. vs. g.U. – Wo liegt der Unterschied?
Beide Schutzformen beruhen auf EU-Verordnungen und bieten geografisch verankerten Produkten einen umfassenden Schutz. Der Unterschied liegt vor allem im Grad des regionalen Bezugs:
- g.g.A. – Geschützte geografische Angabe
Hier reicht es aus, wenn ein Herstellungsschritt (z. B. Verarbeitung oder Veredelung) in der betreffenden Region erfolgt. Das Produkt muss also nicht vollständig aus dieser Region stammen.
Beispiel: „Allgäuer Emmentaler“ – die Milch kann aus umliegenden Regionen kommen, aber die Reifung erfolgt im Allgäu. - g.U. – Geschützte Ursprungsbezeichnung
Diese ist deutlich strenger. Hier müssen alle Produktionsschritte – vom Rohstoff bis zum Endprodukt – in der genannten Region stattfinden. Der regionale Bezug ist vollständig.
Beispiel: „Roquefort“ – nur Käse aus der Gegend um Roquefort, hergestellt aus roher Schafsmilch und in den dortigen Höhlen gereift, darf diesen Namen tragen.
Beide Bezeichnungen sind durch eine Eintragung bei der EU-Kommission geschützt und dürfen nur unter klaren Voraussetzungen verwendet werden.
Wer kann eine solche Angabe beantragen?
Eine g.g.A. oder g.U. kann nicht von Einzelunternehmen allein beantragt werden. Stattdessen muss die Initiative von Erzeugergemeinschaften, Genossenschaften, Produzentenvereinigungen oder anderen Gruppen von Herstellern ausgehen, die in der jeweiligen Region tätig sind.
Der Ablauf ist in der EU-Verordnung (EU) 1151/2012 geregelt und umfasst:
- Erstellung eines Produktspezifikationsdokuments mit detaillierten Angaben zu Herkunft, Herstellung, Eigenschaften
- Antrag bei der nationalen Behörde (in Deutschland: das Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung – BLE)
- Weiterleitung und Prüfung auf EU-Ebene
- Eintragung im EU-Register nach erfolgreicher Prüfung und etwaiger Einwendungen
Erst danach genießt das Produkt den europaweiten Schutz als g.g.A. oder g.U.
Auswirkungen auf das Markenrecht und den Markenschutz
Die Eintragung einer g.g.A. oder g.U. hat direkte Auswirkungen auf das Markenrecht. Denn sie führt dazu, dass der geschützte Begriff nicht mehr als Marke eingetragen oder verwendet werden darf, wenn die Nutzung gegen die Produktspezifikation oder Herkunftsanforderungen verstößt.
Das bedeutet konkret:
- Ein Unternehmen darf z. B. keine Marke mit dem Begriff „Feta“ oder „Parma“ eintragen, wenn es nicht die Vorgaben der jeweiligen Produktspezifikation erfüllt.
- Bereits bestehende Marken, die im Widerspruch zu einer geschützten geografischen Angabe stehen, können gelöscht oder angegriffen werden (§ 50 MarkenG, Art. 59 UMV).
Der Schutz geografischer Herkunftsangaben nach EU-Recht ist stärker und umfassender als der Markenschutz: Er gilt unabhängig von einer konkreten Markenanmeldung, ist dauerhaft und erfasst auch Bezeichnungen, die nur indirekt auf eine geschützte Region hinweisen.
Für Unternehmen heißt das: Wer mit regionalen Bezeichnungen arbeiten möchte, sollte unbedingt prüfen, ob diese bereits als g.g.A. oder g.U. eingetragen sind – andernfalls drohen marken- oder wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen.
Aktuelle Entwicklungen
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für geografische Herkunftsangaben bestehen zwar seit Jahren – doch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Trends der letzten Zeit haben ihnen eine ganz neue Relevanz verschafft. Regionalität ist heute nicht nur ein Verkaufsargument, sondern Teil einer umfassenden Unternehmensstrategie. Das spiegelt sich auch in der Markenentwicklung und im rechtlichen Umgang mit Herkunftsangaben wider.
Neue Trends: Herkunftsmarketing, Regionalität und Nachhaltigkeit
Immer mehr Verbraucher legen Wert auf Transparenz, Qualität und Regionalität. Begriffe wie „aus der Region“, „heimisch“ oder „lokal produziert“ lösen bei vielen Kunden positive Assoziationen aus: kurze Transportwege, Unterstützung lokaler Produzenten, frische Zutaten, weniger Umweltbelastung.
Das sogenannte Herkunftsmarketing nutzt gezielt geografische Bezüge, um Vertrauen aufzubauen und ein authentisches Markenbild zu vermitteln. Besonders erfolgreich ist dieser Ansatz in Bereichen wie:
- Lebensmittel- und Getränkeindustrie („aus dem Schwarzwald“, „Moselwein“, „Bergbauernmilch“)
- Handwerk und Manufakturprodukte („Erzgebirgische Holzkunst“, „Solinger Schneidwaren“)
- Tourismus und Gastronomie („Bayerische Wirtshauskultur“, „Tiroler Hütte“)
Dabei rücken neben der klassischen Regionalität zunehmend auch Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und kulturelle Identität in den Fokus. Unternehmen, die mit authentischen, nachvollziehbaren Herkunftsangaben werben, verschaffen sich so einen Wettbewerbsvorteil – müssen aber gleichzeitig auf die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben achten.
Digitale Markenstrategien mit regionalem Bezug
Auch im digitalen Raum spielen geografische Herkunftsangaben eine immer größere Rolle. Online-Marketing, Social Media und E-Commerce eröffnen neue Möglichkeiten, regionale Marken aufzubauen und zu vermarkten – insbesondere durch:
- Hashtags und Standortkennzeichnungen in sozialen Netzwerken („#ausBerlin“, „#RheinlandGenuss“)
- Regionale Suchmaschinenoptimierung (Local SEO), bei der Herkunftsbezeichnungen gezielt eingesetzt werden
- Geotargeting in Online-Werbekampagnen, um regionale Kundengruppen anzusprechen
- Markenauftritte mit lokalem Storytelling, bei dem die Region Teil der Unternehmensidentität wird
Gerade kleinere Betriebe und Start-ups nutzen diese Instrumente, um sich von anonymen Massenanbietern abzugrenzen. Das schafft Nähe, Glaubwürdigkeit – und eine starke Kundenbindung.
Doch: Auch im digitalen Raum gelten die Vorgaben des Marken- und Wettbewerbsrechts. Wer online mit geografischen Angaben wirbt, muss sicherstellen, dass diese nicht irreführend sind und keine geschützten Begriffe verwendet werden.
Praxis-Tipps für Unternehmen und Markenentwickler
Die Arbeit mit geografischen Herkunftsangaben bietet viele Chancen – birgt aber auch rechtliche Risiken. Damit Sie rechtlich auf der sicheren Seite stehen und Ihre Marke langfristig geschützt bleibt, sollten Sie bereits vor der Nutzung oder Anmeldung eines geografischen Begriffs einige wichtige Punkte beachten.
1. Wie Sie prüfen, ob ein Begriff geschützt ist
Bevor Sie einen geografischen Begriff verwenden – sei es für Werbung, Verpackung oder eine Markenanmeldung –, sollten Sie stets klären, ob dieser bereits geschützt ist. Dafür bieten sich folgende Schritte an:
- Recherche im Markenregister:
Nutzen Sie das DPMAregister (www.dpma.de) oder die EUIPO-Datenbank (https://euipo.europa.eu), um zu prüfen, ob der Begriff bereits als Marke eingetragen wurde. - EU-Datenbank für geschützte Herkunftsangaben:
In der eAmbrosia-Datenbank (https://ec.europa.eu/info/food-farming-fisheries/food-safety-and-quality/certification/quality-labels/geographical-indications-register_en) können Sie recherchieren, ob der Begriff als g.g.A. oder g.U. geschützt ist. - Google-Suche und Branchenportale:
Oft hilft auch eine einfache Online-Recherche, um zu erkennen, ob der Begriff bereits stark durch bestimmte Anbieter geprägt ist.
Wenn Sie unsicher sind, empfiehlt sich eine anwaltliche Prüfung, um spätere Konflikte zu vermeiden.
2. So vermeiden Sie Abmahnungen und rechtliche Fallstricke
Damit Sie bei der Verwendung geografischer Angaben keine rechtlichen Probleme riskieren, sollten Sie folgende Grundsätze beachten:
- Nur dann mit regionaler Herkunft werben, wenn die Angaben wahrheitsgemäß sind.
- Keine geschützten Begriffe verwenden, es sei denn, Sie erfüllen alle produktspezifischen Anforderungen (z. B. bei g.g.A. oder g.U.).
- Vermeiden Sie irreführende Kombinationen, etwa Bildmotive oder Aussagen, die eine Herkunft suggerieren, die nicht zutrifft.
- Klären Sie die Schutzfähigkeit vor einer Markenanmeldung – insbesondere bei rein beschreibenden oder bekannten regionalen Begriffen.
- Dokumentieren Sie Ihre Nutzung, wenn Sie eine Verkehrsdurchsetzung anstreben oder nachweisen wollen, dass ein Begriff mit Ihrem Unternehmen verbunden wird.
3. Wann lohnt sich eine Schutzanmeldung trotz geografischem Bezug?
Trotz der genannten Hürden kann eine Markenanmeldung mit geografischem Begriff durchaus sinnvoll und erfolgreich sein – unter bestimmten Voraussetzungen:
- Der Begriff ist nicht unmittelbar beschreibend, sondern hat einen Fantasiecharakter oder wird vom Verkehr nicht mit einer konkreten Region verbunden.
- Es liegt bereits eine intensive Nutzung vor, die eventuell eine Verkehrsdurchsetzung begründen könnte.
- Der geografische Begriff ist Teil einer Gesamtmarke (z. B. „Café Toscana Berlin“) und wird nicht isoliert als Herkunft verstanden.
- Die Region ist dem Publikum nicht bekannt genug, um als beschreibende Angabe zu gelten (etwa bei ausländischen Ortsnamen mit geringer Bekanntheit in Deutschland).
Gerade in der Kombination mit weiteren unterscheidungskräftigen Begriffen oder grafischen Elementen kann ein regionaler Bezug auch starkes Markenpotenzial entfalten, ohne rechtlich problematisch zu sein.
Fazit: Chancen nutzen, Risiken vermeiden
Geografische Herkunftsangaben bieten Unternehmen und Markenentwicklern große Chancen – sie wecken Vertrauen, transportieren Werte und stärken die Identifikation mit einem Produkt oder einer Dienstleistung. Doch die rechtlichen Rahmenbedingungen sind komplex. Wer Herkunftsangaben unüberlegt verwendet oder ohne vorherige Prüfung in die Markenstrategie integriert, riskiert Konflikte, Abmahnungen und unter Umständen sogar den Verlust von Investitionen in Markenaufbau und Werbung.
Die richtige Balance zwischen regionaler Identität und rechtlichem Schutz
Es gilt, die Balance zu finden: Einerseits sollen Begriffe wie „Allgäuer“, „Berliner“ oder „Tiroler“ als Ausdruck regionaler Identität genutzt werden dürfen. Andererseits dürfen sie nicht monopolisiert werden, wenn sie objektiv beschreibend sind oder von Mitbewerbern benötigt werden.
Wer erfolgreich mit geografischen Begriffen arbeiten will, sollte daher:
- strategisch vorgehen,
- rechtliche Vorgaben kennen,
- und den Begriff so einsetzen, dass er unterscheidungskräftig bleibt.
Warum rechtliche Beratung entscheidend ist
Das Markenrecht kennt viele Ausnahmen, Sonderregelungen und Ermessensspielräume. Ob ein Begriff geschützt werden kann oder nicht, hängt häufig vom Einzelfall ab – und von der Art und Weise, wie der Begriff eingesetzt wird.
Eine frühzeitige rechtliche Beratung hilft Ihnen dabei,
- die Schutzfähigkeit einzuschätzen,
- bestehende Rechte Dritter zu identifizieren,
- und rechtssichere Werbe- und Markenstrategien zu entwickeln.
So vermeiden Sie unnötige Kosten, langwierige Verfahren – und unangenehme Überraschungen.
Ihr nächster Schritt: Prüfung oder Markenstrategie?
Wenn Sie aktuell mit dem Gedanken spielen, eine Marke mit geografischem Bezug anzumelden – oder bereits mit regionalen Bezeichnungen werben – sollten Sie sich folgende Fragen stellen:
- Ist der Begriff frei von Rechten Dritter?
- Ist er rechtlich zulässig – oder besteht ein Schutzhindernis?
- Kann ich durch Kombination, Gestaltung oder Nutzung eine Unterscheidungskraft erzeugen?
- Macht eine Verkehrsdurchsetzung perspektivisch Sinn?
Die Antworten auf diese Fragen entscheiden darüber, ob Ihre Marke langfristig bestehen kann. Wir unterstützen Sie gerne bei der Prüfung, Markenanmeldung oder Entwicklung einer rechtssicheren Markenstrategie – mit Augenmaß, Marktverständnis und dem nötigen juristischen Know-how.
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