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Gasgemisch als Bestimmungsarzneimittel

Technisches Gasgemisch als Bestimmungsarzneimittel
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Bei mehreren Verwendungsmöglichkeiten eines Produktes kann eine Einstufung des Produktes als zulassungspflichtiges Arzneimittel auch dann möglich sein, wenn der Hersteller das Produkt ausschließlich als technisches Produkt deklariert. Es kommt allein auf die nach objektiven Kriterien zu beurteilende Zweckbestimmung an, die sich an der überwiegenden Erwartung der Abnehmer orientiert und der Zweckbestimmung durch den Hersteller vorgeht.

Die Antragstellerin vertrieb ein seit dem Jahr 2001 als Arzneimittel zugelassenes Gasgemisch, das den arzneilich wirksamen Bestandteil Stickstoffmonoxid in einer Konzentration von 400 ppm enthielt. Das Gasgemisch wird als Inhalationsgas angewendet und muss vor der Inhalation durch Zugabe von medizinischer Luft/medizinischem Sauerstoff verdünnt werden. Die Antragsgegnerin stellte ein Gasgemisch mit einer höheren Konzentration an Stickstoffmonoxid von 2000 ppm her und deklarierte dieses als technisches Gas. Eine Arzneizulassung für dieses Gasgemisch lag nicht vor. Das Gasgemisch war von der Antragsgegnerin an ein Universitätsklinikum geliefert worden.

Die Antragstellerin nahm die Antragsgegnerin auf Unterlassung in Anspruch und beanstandete den Vertrieb des Gasgemisches durch die Antragsgegnerin als Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz.

Das Oberlandesgericht Hamburg beurteilte den Vertrieb des Gasgemisches durch die Antragsgegnerin als Vertrieb eines Fertigarzneimittels ohne arzneimittelrechtliche Zulassung. Das von der Antragsgegnerin vertriebene Gasgemisch konnte nach den Feststellungen nach entsprechender Verdünnung sowohl für therapeutische als auch für nicht-medizinische Zwecke, wie zum Beispiel als Kalibriergas, eingesetzt werden. Die Zweckbestimmung war allein nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Das Oberlandesgericht Hamburg ging im vorliegenden Fall davon aus, dass das Gasgemisch aus der Sicht der Abnehmer im klinischen beziehungsweise medizinischen Bereich nicht vorwiegend dazu diente, den Bedarf an Kalibrierungsgasen zu decken, sondern für einen medizinischen Einsatz Verwendung finden sollte. Die Deklaration des Gasgemisches als technisches Gas konnte die Arzneimitteleigenschaft nicht ausschließen. Diese Annahme leitete das Gericht daraus ab, dass das Gasgemisch für den Einsatz als Kalibrierungsgas vorab einer zeitaufwändigen Behandlung hätte unterzogen werden müssen und die Menge, die die Antragsgegnerin an das Universitätsklinikum geliefert hatte, in keinem vernünftigen Verhältnis zum Bedarf einer Klinik an Kalibriergas stand. Zudem war die Geschäftsbeziehung des Krankenhauses zur Antragstellerin beendet und mitgeteilt worden, dass der Bedarf von einem anderen Lieferanten sichergestellt werde. Die Antragsgegnerin hatte die Gasflaschen kurz nach der Beendigung der Geschäftsbeziehung zur Antragstellerin an das Universitätsklinikum geliefert. Der auch vertretenen Auffassung, dass in dem Fall einer doppelten Eignung des Produktes allein die Zweckbestimmung des Herstellers ausschlaggebend wäre, konnte sich das Oberlandesgericht Hamburg jedenfalls für den vorliegenden Sachverhalt nicht anschließen. Der von der Antragsgegnerin deklarierte Zweck als technisches Gasgemisch trat aus der Sicht der Abnehmer erkennbar in den Hintergrund. Alleine der Umstand, dass das Gasgemisch vor der Verabreichung verdünnt werden musste, führte nach der Ansicht des Oberlandesgerichtes Hamburg nicht dazu, dass es als nichtzulassungspflichtiges Zwischenprodukt zu qualifizieren gewesen wäre. Ebenso wenig kam eine Freistellung von der Zulassungspflicht in Betracht, zumal keine wesentlichen Herstellungsschritte in der Krankenhausapotheke erforderlich waren. Weder die Eingangsprüfung in der Apotheke noch die Verdünnung vor der Anwendung stellte im Vergleich zur Gewinnung des Gasgemisches bei der Herstellung durch die Antragsgegnerin einen wesentlichen Herstellungsschritt dar.

Das Oberlandesgericht Hamburg wies die Berufung der Antragsgegnerin zurück.

Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 26.05.2011, Az. 3 U 165/10 

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