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Für militärische Lageberichte gilt Urheberschutz

OLG Köln, Urteil vom 12.06.2015, Az.: 6 U 5/15
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Das Oberlandesgericht Köln urteilte im Juni 2015, dass auch an militärischen Lageberichten ein Urheberrechtsschutz bestehen kann. Im verhandelten Fall hatte das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) gegen die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) geklagt, welche die zur Unterrichtung des Parlaments veröffentlichten militärischen Lageberichte des Ministeriums auf ihrer Webseite veröffentlicht hatte. Der Verhandlung vor dem OLG Köln war ein Urteil des Landgerichts Köln vorausgegangen, das bereits im Oktober 2014 zu demselben Urteil gekommen war. Die beklagte Tageszeitung hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Das BMVg lässt einmal in der Woche eine Unterrichtung des Parlaments erstellen, in der ausgewählte Abgeordnete gemäß § 6 Abs. 1 ParlBG über den Verlauf der Auslandseinsätze der Bundeswehr unterrichtet werden. Neben den ausgewählten Bundestagsabgeordneten erhalten das Papier auch einige Referate des BMVg und anderer Bundesministerien. Die Berichte sind als Verschlusssache für den Dienstgebrauch eingestuft, was der niedrigsten von vier Geheimhaltungsstufen entspricht. Zusätzlich veröffentlicht das BMVg auch eine Kurzfassung des Berichts als „Unterrichtung der Öffentlichkeit“.

Im September 2012 beantragte die WAZ die Einsichtnahme in die Parlamentsunterrichtung und berief sich dabei auf das Informationsfreiheitsgesetz. Dieser Antrag wurde aber aufgrund von Sicherheitsbedenken abgelehnt. Auf unbekannten Wegen gelangte die Zeitung trotzdem an die Dokumente und veröffentlichte sie auf einer eigens dafür eingerichteten Webseite. Dort wurden die Parlamentsberichte von 2005 bis 2012 der Öffentlichkeit als eingescannte Seiten zugänglich gemacht. Das BMVg wollte nun als alleiniger Inhaber der Nutzungsrechte die Veröffentlichung der Papiere untersagen. Die Gefahr sei groß, dass Informationen über die Operationsweise der Bundeswehr in gegnerische Hände gelangen könnten, wodurch die Angehörigen der Bundeswehr in Gefahr gebracht würden. Das Informationsfreiheitsgesetz greife daher nicht.

Die Anwälte der WAZ brachten in der ersten Instanz neben einigen formalen Einwänden vor, dass die veröffentlichten Berichte nicht urheberrechtlich schutzfähig seien und die Zeitung daher zur Veröffentlichung berechtigt sei. Im Berufungsverfahren vor dem OLG Köln legten die Vertreter der beklagten Zeitung erneut dar, dass die Berichte weder wissenschaftliche noch technische Inhalte hätten und aus reinen Tatsachenwiedergaben bestünden, die zudem ohne jede persönliche geistige Gestaltungshöhe erstellt worden seien. Es handele sich um ohnehin zur Veröffentlichung bestimmte amtliche Dokumente, bei denen außerdem das Recht auf Informationsfreiheit das Urheberrecht überwiege. Das Interesse der Öffentlichkeit an den Einsätzen der Bundeswehr in Afghanistan sei hinreichend wichtig und erzeuge ein großes Diskussionsbedürfnis. Das BMVg brachte im Berufungsverfahren vor, dass nicht einsehbar sei, dass die gesamten, für das Parlament vorgesehenen Dokumente eines Siebenjahreszeitraums öffentlich gemacht werden müssten. Schließlich gebe es auch die Berichte für die Öffentlichkeit, die das öffentliche Interesse hinreichend befriedigen würden.

Dass Gericht stimmte den Argumenten des Ministeriums vollständig zu und gab der Klage statt. Insbesondere wies das Gericht darauf hin, dass die fraglichen Lageberichte durchaus urheberrechtlich geschützt seien und dass die Klägerin ihren Anspruch hinreichend begründet habe. Die Berichte gingen über eine rein mechanisch-technische Aneinanderreihung von Fakten deutlich hinaus. Es werde durch den Aufbau, die Auswahl der Fakten und ihre Anordnung sowie durch eine individuelle Wortwahl durchaus deutlich, dass es sich um die Leistung individueller Autoren handele. Die für einen Urheberrechtsschutz nötige Gestaltungshöhe sei also erreicht.

Das Urteil des OLG Köln macht deutlich, dass ein Text nicht notwendigerweise eine kreative Leistung sein muss, um unter den Schutz des Urheberrechts zu fallen. Die nötige Gestaltungshöhe wird schon durch die Auswahl und Kürzung der dargestellten Fakten erreicht, weil es sich durch diese Auswahl bereits nicht mehr nur um eine reine Faktensammlung handelt. Die notwendige „eigenschöpferische Prägung“ der Texte ist nach Ansicht des Gerichts bei einem so langen Text umso wahrscheinlicher. Anders als Gesetzestexte und Gerichtsurteile, die nach § 5 UrhG im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnis veröffentlicht worden sind, fallen die hier veröffentlichten Texte nicht unter diese Regelung.

OLG Köln, Urteil vom 12.06.2015, Az.: 6 U 5/15

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